Geheimdienstkoordinator bedauert, dass Eikonal-Dokumente geleakt wurden. Die dokumentierten Grundrechtsverletzungen bedauert er leider nicht.

Klaus-Dieter Fritsche. Bild: Peter Lorenz, BMI.

Gestern nutzte Britta Haßelmann, die erste Parlamentarische Geschäftsführerin der Grünen-Fraktion, die aktuelle Fragestunde im Bundestag, um die Bundesregierung nach der NSA-BND-Kooperation zu fragen, die in der vergangenen Woche als Eikonal an die Öffentlichkeit kam. Der Geheimdienstkoordinator im Kanzleramt, Klaus-Dieter Fritsche, antwortete darauf. Oder auch nicht. Wenn man sich die Frage und die Antwort genau durchliest stellt man fest: Fritsche nutzt die übliche Vernebelungsstrategie, einfach eine Antwort auf eine nicht-gestellte Frage zu geben.

Haßelmann fragt ohne Zeitangabe, Fritsche antwortet mit Zahlen aus 2012, die bereits letztes Jahr von Pofalla immer als Antwort mitgegeben wurde. Die Vorwürfe zu Eikonal stammen aus den Jahren 2004-2008, darauf antwortet Fritsche explizit nicht.

Stattdessen erklärt er sein Bedauern, dass die Dokumente zu Eikonal an Medien geleakt wurden. Die Grundrechtsverletzungen bedauert er leider nicht:

Ja zunächst einmal, Frau Abgeordnete, bedauere ich es ausdrücklich, dass Unterlagen, die bis zu „streng geheim“ eingestuft waren und dem Untersuchungsausschuss von Seiten der Bundesregierung zur Verfügung gestellt worden sind, in kürzester Zeit in die Presse gekommen sind und das sie Hintergrund offensichtlich der Berichterstattung der Süddeutschen Zeitung waren.


Hier ist der ganze Dialog aus der Fragestunde (PDF):

Britta Haßelmann: In welchem Umfang und in welchem Zeitraum hat der Bundesnachrichtendienst Kommunikationsdaten über Bundesbürger an die NSA weitergegeben?

Staatsminister: Ich denke, Frau Kollegin, Sie sind mit mir einverstanden, dass wir Ihnen diese Frage schriftlich beantworten.

Britta Haßelmann: Nein, bin ich nicht, denn diese Frage wurde Herrn Ströbele ja auch in einer Fragestunde vor der Sommerpause schon mal beantwortet.

Staatsminister: Gut. Dann kann ich Ihnen die Frage ja auch gerne nochmal übermitteln, aber ich bin jetzt nicht in der Lage, da wir die Frage vorher nicht kannten, Ihnen hier umfangreiche Informationen, auch unter der Berücksichtigung aller Geheimschutzaspekte, aus dem Kopf zu beantworten.

Britta Haßelmann: Dann beantrage ich hiermit, dass jemand aus der Bundesregierung, der diese Frage beantworten kann, hierher kommt. Vielen Dank.

Vorsitzender: Letzterer ist, wenn ich das richtig sehe, ein Antrag zur Geschäftsordnung. Über den lasse ich dann jetzt abstimmen. Wer diesem Antrag der Fraktion – ich nheme mal an, dass Sie das für die Fraktion tun, zustimmt, bitte ich ums Handzeichen

Präsident: Sitzung 56. Es ist die letzte Frage hier in der Fragestunde. Zur Beantwortung steht Klaus-Dieter Fritsche bereit: „Weitergabe von Kommunikationsdaten deutsche Staatsbürger an den NSA durch den Bundesnachrichtendienst“ Herr Staatssekretär, bitte.

Klaus-Dieter Fritsche: Danke, Herr Präsident. Sehr verehrte Frau Abgeordnete, ich verstehe die Frage so, dass Sie mit Kommunikationsdaten von deutschen Staatsangehörigen solche Daten meinen, die durch eine G10-Beschränkungsmaßnahme erhoben wurden. Es kann sich dabei sowohl um Inhalts- als auch um Verkehrsdaten handeln. Während unter Inhaltsdaten insbesondere Gesprächsinformationen zu verstehen sind, bezeichnen die Verkehrsdaten, auch als Metadaten bezeichnet, sämtliche Umstände einer Kommunikation, also zum Beispiel auch eine Telefonnummer. Wenn Daten aus einer G10-Beschränkungsmaßnahme an andere Nachrichtendienste, etwa der USA übermittelt werden, dann richtet sich diese Übermittlung unter anderem nach den strengen Vorschriften des §7a G10-Gesetz. Ich zitiere:

Der Bundesnachrichtendienst darf durch Beschränkungen nach § 5 Abs. 1 Satz 3 Nr. 2, 3 und 7 erhobene personenbezogene Daten an die mit nachrichtendienstlichen Aufgaben betrauten ausländischen öffentlichen Stellen übermitteln, soweit

  1. die Übermittlung zur Wahrung außen- oder sicherheitspolitischer Belange der Bundesrepublik Deutschland oder erheblicher Sicherheitsinteressen des ausländischen Staates erforderlich ist,
  2. überwiegende schutzwürdige Interessen des Betroffenen nicht entgegenstehen, insbesondere in dem ausländischen Staat ein angemessenes Datenschutzniveau gewährleistet ist sowie davon auszugehen ist, dass die Verwendung der Daten durch den Empfänger in Einklang mit grundlegenden rechtsstaatlichen Prinzipien erfolgt, und
  3. das Prinzip der Gegenseitigkeit gewahrt ist.

Die Übermittlung bedarf der Zustimmung des Bundeskanzleramtes.

Nach §7a des Artikel-10-Gesetzes hat der BND im Jahr 2012 zwei Übermittlungen an die USA durchgeführt. Diese betrafen den Fall eines im Ausland entführten Deutschen und US-amerikanischen Staatsbürgers. Die beiden Übermittlungen betrafen Erkenntnisse zur konkreten Umständen der Situation des Entführungsopfers. Ihre Weitergabe an die USA diente dazu, die Situation weiter aufzuklären und auf diese Weise Leib und Leben des Entführungsopfers zu schützen. Die Übermittlungen waren notwendig, um die Umstände der Übermittlung weiter aufzuhellen. Ziel der Übermittlungen war, die Geisel möglichst unversehrt zu retten.

Vorsitzender: Das war eine Frage der Abgeordneten Britta Haßelmann. Haben Sie eine Zusatzfrage?

Britta Haßelmann:Viele Dank Herr Präsident – auch Ihnen, Herr Fritsche, Ihnen für die Beantwortung. Sie haben ja am Anfang eine Grundannahme getroffen für die Beantwortung der Frage. Meine Frage bezieht auf sämtliche abgezapften Rohdaten. Deshalb erstmal meine erste Rückfrage: Muss dann Ihre Antwort nicht noch ergänzt werden (Fragezeichen)? Zum Zweiten, Sie hatten meinem Kollegen Hans-Christian Ströbele mit Datum vom 11. Juli auf eine entsprechende Frage geantwortet: „Der Bundesnachrichtendienst hat im angefragten Zeitraum weder selbst noch mit Hilfe des Betreibers DE-CIX Rohdaten aus dem Raum Frankfurt erfassten Telekommunikationsverkehren die automatisiert an die NSA weitergeleitet.“

Der in der zweiten Teilfrage suggerierte Zusammenhang besteht nicht, der bezog sich noch auf einen anderen Sachverhalt.
Nach den Presseberichten der Süddeutschen Zeitung, des SWR und NDR ist ja jetzt bekannt geworden, dass unter dem Stichwort „Eikonal“ ein Austausch von Daten regelmäßig über Jahre stattgefunden hat. Wie deckt sich ihre Aussage jetzt in der Beantwortung meiner Frage und die von Hans Christian Ströbele am 11. Juli mit diesen Vorwürfen und Behauptungen, die aufgrund der Presseberichterstattungen für die Operation Eikonal bekannt gegeben werden?

Klaus-Dieter Fritsche: Ja zunächst einmal, Frau Abgeordnete, bedauere ich es ausdrücklich, dass unterlagen, die bis zu „streng geheim“ eingestuft waren und dem Untersuchungsausschuss von Seiten der Bundesregierung zur Verfügung gestellt worden sind, in kürzester Zeit in die Presse gekommen sind und das sie Hintergrund offensichtlich der Berichterstattung der Süddeutschen Zeitung waren. Aber, um nochmal auf die grundsätzliche Frage , die Sie einleitend gestellt haben, zurückzugehen: Es gibt nur zwei Möglichkeiten für den BND Kommunikationsdaten von Deutschen oder über Deutsche weiterzugeben. Das ist die von mir Eingangs geschilderte G10-Möglichkeit nach den regularien des G10-Gesetzes und es ist die zweite Möglichkeit, dass Daten von anderen Diensten, also auch Kommunikationsdaten von anderen Diensten beziehungsweise Daten von menschlichen Quellen, die der BND führt, übermittelt werden und diese Daten werden ebenfalls auf einer rechtlichen Grundlage nach dem Bundesnachrichtendienstgesetz in verbindung mit dem Bundesverfassungsschutzgesetz auch an öffentliche, ausländische Stellen, also auch an andere Dienste übermittelt. Nur diese beiden Möglichkeiten gibt es für eine Datenübermittlung von Kommunikationsdaten Deutscher.

Noch eine Zusatzfrage Frau Haßelmann, bitte?

Britta Haßelmann: Kann ich jetzt Ihren Aussagen entnehmen, dass Sie definitiv davon ausgehen, dass Kommunikationsdaten ausschließlich in den von zwei benannten Fällen, die Sie hier skizziert haben, zwischen BND und NSA weitergegeben worden sind und dass sämtliche Sachverhalte, die, durch welche Indiskretionen auch immer, Thema öffentlicher Berichterstattung waren, dann somit nicht zutreffend sind?
Schließen Sie aus, dass es eine Weitergabe von Daten gegeben hat, Vereinbarungen gegeben hat zwischen dem BND und der NSA über die Frage des Austausches und der Weitergabe von Telekommunikationsdaten?

Klaus-Dieter Fritsche: Frau Abgeordnete, ich beantworte die Frage wie folgt: Ich schließe aus, dass solche Abkommen zwischen der NSA und dem BND gegeben hat, die sich über die beiden Möglichkeiten, die ich Eingangs geschildert habe, hinweg zu einem Datenaustausch einlassen. Es gibt die sogenannte Routineaufklärung, die keine G10-Aufklärung ist, des Bundesnachrichtendienstes. Und hier: Die betrifft Ausland -Ausländer im Ausland und hier hat der Bundesnachrichtendienst entsprechende Schutzmaßnahmen, nämlich Filtersysteme, eingebaut. Nach diesen Filtersystemen werden dann, sollte ein deutscher Staatsangehöriger in diese Ausland-Ausland-Aufklärung geraten, heraus gefiltert. Damit können auch Daten, die hier weitergegeben werden, keine deutschen Staatsangehörigen enthalten.

Deine Spende für digitale Freiheitsrechte

Wir berichten über aktuelle netzpolitische Entwicklungen, decken Skandale auf und stoßen Debatten an. Dabei sind wir vollkommen unabhängig. Denn unser Kampf für digitale Freiheitsrechte finanziert sich zu fast 100 Prozent aus den Spenden unserer Leser:innen.

8 Ergänzungen

  1. eigentlich sollte man die diese Nebelkerzenwerfer alle in einen Sack stecken und draufhauen. Man Triff unter Garantie immer den Richtigen. Es scheint fast so als wollen die Verantwortlichen die Bürger durch Gebetsmühlenartige nichtssagenden Wiederholungen einzulullen. Am schlimmsten empfinde ich die persönliche Ohnmacht in der Sache.

  2. Dieser unsägliche Filter. Ich bin deutscher Staatsangehöriger, benutze aber keine .de Emailadresse, sondern .info und .com, das impliziert ja, dass ich under die abgehörten Ft. Staatsangehörigen falle.

  3. Fritsche verweist im Zusammenhang mit der Frage nach Eikonal auf §7a G10-Gesetz. Dieser wurde allerdings erst 2009, ein Jahr NACH Ende der Operation Eikonal, wirksam. Hier versucht der Staatssekretär offensichtlich wissentlich die Umstände zu vernebeln – und das wohlgemerkt dem Untersuchungsausschuss des deutschen Parlamentes gegenüber.

Dieser Artikel ist älter als ein Jahr, daher sind die Ergänzungen geschlossen.