Die SPD startet eine große Netzpolitik-Debatte innerhalb der Partei. Das wirkt zwar sehr komplex, aber auch ambitioniert. Wir sind gespannt, ob auch was Gutes dabei rauskommt und wünschen viel Erfolg.
Netzpolitik in der SPD ist eine Geschichte voller Missverständnisse. In den 90er Jahren gab es dort den ersten Virtuellen Ortsverband, während Rot-Grün lief wenig und aus der Zeit der ersten Großen Koalition bleibt auch nur die Erinnerung an Vorratsdatenspeicherung, die Online-Durchsuchung, das Zugangserschwerungsgesetz und die Frage „Browser? Was sind nochmal Browser?“ Aber spätestens nach der Rückkehr in die Opposition im Jahre 2009 und einer neuen Generation von Bundestagsabgeordneten wie Lars Klingbeil oder jetzt Christina Kampmann ist ein Aufbruch zu bemerken. Zudem finden sich im SPD-Kosmos viele Initiativen wie spd-netzpolitik.de oder D64 als Vorfeldorganisation, die sich von innen heraus beharrlich für eine Veränderung einsetzen und noch nicht aufgegeben haben. Und jetzt haben auch die neuen SPD-Minister wie Sigmar Gabriel oder Heiko Maas Netzpolitik als Profilierungsthema entdeckt.
Jetzt soll Netzpolitik endlich größer innerhalb der SPD werden. Und dazu wurde ein Programmprozess angestossen. Dieser ist hinter den Kulissen schon gestartet und morgen wird es offziell mit dem 5. Parteikonvent der SPD, dem kleinen Parteitag. Der Parteivorsitzende Sigmar Gabriel hält eine Grundsatzrede und anschließend wird darüber diskutiert. Das kann man sich im Livestream ab 12:30 anschauen. Die Debatte über TTIP im Anschluß findet dann leider ohne Livestream hinter verschlossenen Türen statt.
Beim großen Tanker SPD wird so ein Programmprozess natürlich erstmal vor allem eines: Komplex.
Es braucht etwas länger, um das als Außenstehender halbwegs zu überblicken. Das liegt auch daran, dass es zwar Infos im Netz gibt, aber man erstmal wissen muss, wo die genau sind. Der Parteikonvent am Wochenende beschließt einen Fragenkatalog mit Präambeln (PDF), der inhaltlich den Prozess strukturiert. Der Entwurf wurde vom Parteivorstand vorformuliert, dann an einen anscheinend nach Proporz besetzten Programmbeirat mit Steuerungskreis übergeben, der seine Änderungen wiederum an den Parteivorstand übergabe, der diesen dann dem Parteikonvent zur Abstimmung übergibt. Parteien können manchmal bürokratisch sein.
Wer jetzt genau in dem Programmbeirat bzw. Steuerungskreis sitzt, ist uns noch unklar. Diese Info haben wir noch nicht gefunden und bei der Pressestelle angefragt. Aber die haben uns nach vier Stunden noch nicht geantwortet. Es sollen rund 70 Personen drin sitzen. Bei SPD-Netzpolitik.de findet sich zumindest die Proporz-Verteilung:
Dem Programmbeirat sitzt ein Steuerungskreis vor. Dieser besteht aus Gesche Joost, Lars Klingbeil, Brigitte Zypries sowie Yasmin Fahimi als Generalsekretärin der Partei. Der Programmbeirat seinerseits setzt sich wie folgt zusammen:
drei Mitgliedern des Parteivorstands (Olaf Scholz, Ute Vogt, Thorsten Schäfer-Gümbel)
je zwei Vertreterinnen und Vertretern der Landes– und Bezirksverbände
drei Vertreter/innen der SPD-Bundestagsfraktion
externen Vertretern/innen
Vertretern von Think Tanks und netzpolitischen Arbeitsstrukturen in der SPD
Leiterinnen der Abteilungen I, II und III des WBH
Der Programmbeirat soll noch wenige Male tagen und zum Schluß gibts wohl ein Papier, was auf einem richtigen Parteitag dann als Position der SPD beschlossen wird.
Das Papier enthält sieben Themen, die in entsprechenden Programmforen diskutiert werden sollen. Die Zahl „7“ erinnert dabei an die sieben Handlungsfelder der Digitalen Agenda und auch die Themen sind fast identisch:
1. Gute Arbeit in der digitalen Gesellschaft
2. Digitale Wirtschaft
3. Digitale Bildung, Familie, Generationen, Gleichstellung und Teilhabe
4. Digitaler Staat und Gesellschaft
5. Kultur, Medien und Öffentlichkeit
6. Infrastruktur, Städtebau, ländliche Räume und Umwelt
7. Europäische und globale Datenpolitik
Parallel dazu hat Sigmar Gabriel 10 Fragen an 100 Köpfe verschickt, bei mir kam so ein Brief an und ich werde ihn die Tage noch beantworten und hier bloggen. Zuerst muss ich erstmal die zehn Fragen abtippen.
Bis zum Parteitag mit dem Schwerpunkt Netzpolitik soll es noch eine Menge Debatten geben. Die SPD möchte das Thema „in die Fläche“ bringen und dezentral diskutieren. Das ist ausdrücklich zu loben, andere Parteien könnten sich hier ein Vorbild nehmen und die Debatte nicht nur ihren Experten überlassen. Wir wünschen viel Erfolg und lassen uns von den Ergebnissen überraschen.
Wenn sich Sigmar Gabriel damit beschäftigt, dann weiß man schon, wo das hinläuft: Downsizing auf Anschlüsse mit maximal 2 MBit/s, weil es sonst für den Verfassungsschutz zu große Datenmengen werden – das kostet andernfalls zu viele DVDs, die man der NSA rüberschicken müsste. Dazu noch eine Erhöhung der MwSt. auf 25% für telemedienbezogene Dienstleistungen und eine Ökosteuer pro Byte Datentransfer, denn der Klingbeil wird ihm verraten haben, dass man Strom braucht, um digital Einsen und Nullen zu übertragen.
Außer im Bundestag – da braucht man für die Übertragung von Nullen nur Wahlzettel…
@ JJ Preston: Selten so eine gute Zusammenfassung gelesen :D:D Herzlichen Dank für den schönen Sonntag
Leider darf der BND 20% der deCix-Bandbreite abgreifen, und die ist zu max. 15% ausgelastet. Die achten schon drauf, dass Ihnen kein Byte entgeht, keine Sorge ;)
Mal sehen wie es die nächste Generation SPD hinbekommt, die Gabriel SPD werde ich nicht mehr wählt. Es geht darum was sie tut … nicht was sie sagt (und eh nicht einhält …)
Ansonsten statt SPD, hier noch was zum lesen:
http://www.theblackvault.com/m/articles/view/Aaron-Swartz
Noch lustiger: (Achtung, Zwerchfellrissgefahr!)
„Gabriel schimpft auf digitales Tagelöhnertum“ (http://www.spiegel.de/netzwelt/netzpolitik/de-maiziere-ueber-datenschutz-im-internet-gabriel-zu-apple-und-amazon-a-992838.html)
Zitat: „Wir müssen den Silicon-ValleyKapitalismus zähmen.“
Ein echter Sigmar Gabriel. m(
Auch hierzu habe ich ein Gefühl (WTF!):
„Im Streit über das geplante Freihandelsabkommen der EU mit den USA hat sich SPD-Chef Gabriel die Unterstützung seiner Partei gesichert. Bei sieben Gegenstimmen und drei Enthaltungen billigten die rund 200 Delegierten eines Konvents in Berlin die Linie des Bundeswirtschaftsministers, die Verhandlungen auf Grundlage eines mit dem DGB verfassten Papiers fortzuführen“
http://www.deutschlandfunk.de/ttip-spd-stuetzt-gabriels-linie-fuer-verhandlungen.353.de.html?drn:news_id=402694
Wer es lieber selber hören und sehen möchte: http://www.youtube.com/watch?v=svGRCCaD9rw
Ich vertrage keine SPD Videos mehr, weder die Leute, noch die Farben, noch die Phrasen. Daher hier noch ein paar Dokumente dazu.
Antrag:
http://www.sven-giegold.de/wp-content/uploads/2014/09/Antrag_TTIP_SPD_Bundesvorstand_.pdf
Ergebnis:
http://www.spd.de/linkableblob/123760/data/20140920_parteikonvent_beschluss_ttip.pdf
Aber mal ehrlich, es ist bei der aktuellen Partei leider das Papier nicht wert.
Gabriel unterschätzt einiges ziemlich, sicherlich nicht die Wähler … Das Gerede über Chancen und Fortschritt ist doch im Anbetracht seiner Linie bei den Abkommen nur lächerlich. Ja, es ist Hybris … aber bei Gabriel.
Hier die Rede als Text:
http://www.spd.de/aktuelles/123744/20140920_gabriel_digitalleben_rede_parteikonvent.html
Hier etwas zum „Vorfeld“ der Debatte:
http://www.sueddeutsche.de/politik/spd-gerangel-um-freihandelsabkommen-ttip-sigmar-gabriel-knoepft-sich-seinen-stellvertreter-vor-1.2138821
http://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/wirtschaftspolitik/ttip-spd-stellt-sich-hinter-sigmar-gabriels-13164161.html
Glaubt den irgendjemand ernsthaft, dass noch irgendetwas von CETA nachverhandelt werden wird, wenn es jetzt bei T schon wieder schön weitergeht?