Das von EADS gebaute und für den „Euro Hawk“ konzipierte Spionagesystem ISIS fliegt bald wieder

"Winning the intelligence battle" - Aus der Broschüre eines ebenfalls von der Bundeswehr geprüften fliegenden Spionagesystem aus Israel.
„Winning the intelligence battle“ – Aus der Broschüre eines ebenfalls von der Bundeswehr geprüften fliegenden Spionagesystem aus Israel.

Die militärische Aufklärungseinheit ISIS wird bald wieder in die Luft befördert. Das teilte die Bundesregierung zur Zukunft des vom Rüstungskonzern EADS gebauten Spionagesystems mit. Ein eigens gegründetes „Projekt Team ISIS“ sucht hierzu nach alternativen „Trägerplattformen“.
Ursprünglich sollte das ISIS in die Riesendrohne „Euro Hawk“ verbaut werden. Das Verteidigungsministerium verabschiedete sich aber aus dem Projekt. Zwar hat der US-Hersteller Northrop Grumman keine weiteren „Euro Hawk“ geliefert. Für den bereits beschafften Prototyp setzte die Bundeswehr aber 312 Millionen Euro in den Sand.

Mittlerweile ist von Gesamtausgaben in Höhe von 602 Millionen Euro die Rede, zuvor wurden die Kosten mit 562 Millionen angegeben. Hiervon entfallen 287,7 Millionen auf die Entwicklung und Erprobung des ISIS. Die Abkürzung steht für „Integrated SIGINT-System” und bezeichnet die fliegende Plattform im Verbund mit einer Bodenstation. Es besteht aus dem sogenannten COMINT (zum Identifizieren und Abhören jeder funkgebundenen Kommunikation) sowie ELINT (um elektronische Aussendungen zu orten). Sie werden genutzt, um feindliche Truppenbewegungen zu überwachen. Aber auch der Bundesnachrichtendienst greift auf die Daten der „Fernaufklärung” zu.

Während der „Euro Hawk“ also scheiterte, habe sich das ISIS laut der Bundesregierung aber ausdrücklich bewährt. Ein Ministeriumssprecher sprach gar von einem „Juwel”, mit dem man „sehr schön gucken und schauen kann“. Damit lag er falsch, denn das Spionagesystem schaut nicht. Dafür hört es um so besser: Ein EADS-Manager beschreibt das ISIS als „sehr komplexe Software”, die über Funktionalitäten der AWACS-Aufklärer (Link zur NATO) hinausgehe.

Ende März „Auswahlentscheidung“ aus vier Modellen

Gebaut zur „Information, Spionage, Überwachung, Identifizierung” kann das System sogar elektromagnetische Strahlung von startenden Fahrzeugen oder Mikrowellen empfangen. Dabei fallen jedoch immense Daten an, die mit keiner Satellitenverbindung in Echtzeit zu Boden übermittelt werden können. Die Verarbeitung erfolgt daher bereits an Bord.

In der Antwort auf eine Kleine Anfrage war diesen Monat mitgeteilt worden, die zur Beförderung ISIS in Betracht gezogenen Flugzeuge und Drohnen würden noch geprüft und sollten auf vier Modelle verdichtet werden. Diese würden Ende Januar dem Generalinspekteur der Bundeswehr, Volker Wieker, vorgelegt. Bis Ende März wolle dieser dann eine „Auswahlentscheidung“ treffen. Welche vier Plattformen zur Wahl stehen, wird nun in der Antwort auf eine Schriftliche Frage des MdB Andrej Hunko benannt:

  • ein Mittelklasse-Passagierflugzeug am Beispiel Airbus A3I9CJ,
  • Geschäftsreiseflugzeuge am Beispiel Gulfstream G550 und Global 5000 [des Herstellers Bombardier] in der Variante erhöhte Nutzlast sowie
  • eine unbemannte Plattform der Medium Attitude Long Endurance Unmanned Aerial System (MALE UAS) am Beispiel HERON TP

Im Falle des Airbus, aber bei einer Langstreckendrohne könnte hiervon der inzwischen in Airbus umbenannte EADS-Konzern profitieren: Denn eine in Frage kommende „Heron“-Drohne wird zwar vom israelischen Hersteller Israel Aerospace Industries (IAI) gebaut. Für den deutschen Vertrieb und die Wartung ist aber EADS verantwortlich. Neu sind indes die Vorschläge, das ISIS in eigentlich für betuchte Reisende konzipierte Flieger der Firmen Gulfstream und Bombardier einzurüsten.

Nach Tests in der „Laborumgebung“ folgt die „Erprobung im Flugbetrieb“

Würde sich die Bundeswehr tatsächlich auf eine Drohne statt eines Flugzeuges festlegen, stellt sich im Falle der „Heron“ das Problem einer zu geringen Nutzlast: Dann müsste das ISIS wohl in seine Bestandteile COMINT und ELINT aufgeteilt werden. Sollen beide Systeme gleichzeitig aufsteigen, bräuchte es also zwei Drohnen.

Wenn der Generalinspekteur im Frühjahr seine „Auswahlentscheidung“ getroffen hat, stehen weitere Erprobungen an. Das ISIS soll dafür wie zuvor mit dem „Euro Hawk“ probefliegen:

Die laufende Auswertung der ISIS-Nachweisakte dient der Feststellung der Erfüllung von vertraglich vereinbarten Spezifikationsforderungen und der definierten technischen Leistung des Systems. Da diese auf Basis von Labor-, Boden- und Flugtests in einer eigens dafür definierten Umgebung unter reproduzierbaren Testbedingungen durchgeführt werden, können sie grundsätzlich eine Einsatzprüfung/Erprobung im Flugbetrieb des Aufklärungssystems ISIS durch den zukünftigen Bedarfsträger im Einsatzflugbetrieb nicht ersetzen.

Derzeit befindet sich das ISIS bei der EuroHawk GmbH, die von EADS und Northrop Grumman gegründet worden war. Die „Übereignung des Gesamtsystems einschließlich ISIS“ an die Bundeswehr stehen laut Bundesregierung noch aus, der Grund dafür ist nicht bekannt. Bis Ende September hatte die EuroHawk GmbH Flugtests mit dem ISIS absolviert. Weitere Tests wurden bis Dezember in der „Laborumgebung“ durchgeführt.

„Israelisches Komplettsystem“ ohne ISIS ebenfalls geprüft

Laut einem Bericht des Nachrichtenmagazins „DER SPIEGEL“ lässt die Bundeswehr aber auch die Option eines kompletten Verzichts auf das ISIS untersuchen. So wies der Generalinspekteur der Bundeswehr das Beschaffungsamt am 4. November 2013 an, „mindestens einen Lösungsvorschlag ohne die Nutzung von ,Isis‘ zu erarbeiten“.

Das Bundesministerium der Verteidigung widerspricht dem Nachrichtenmagazin allerdings vehement. Das Blatt versuche demnach „erneut mit einer Panoramameldung das Thema ‚Euro Hawk‘ zu skandalisieren“. Informationen seien stark verkürzt dargestellt worden. Stattdessen handele es sich um neue Verfahrensbestimmungen zur Bedarfsdeckung, wonach zu jeder größeren Beschaffung Alternativen ausgelotet werden müssen. Dies sei im Zuge der Neuausrichtung der Bundeswehr festgelegt worden.

Das mag sogar stimmen: Denn wenn die neue Verteidigungsministerin nun auch den Verzicht auf das ISIS kundtun würde, wäre dies politischer Selbstmord. Warum aber Geld für eine Studie ausgegeben wird, deren Ergebnis ohnehin ignoriert wird, dürfte der Bundesrechnungshof zu klären haben. Beauftragt war wie üblich die Firma IABG, die hierfür Informationen bei den Elbe Flugzeugwerken GmbH, der RUAG GmbH, Airbus IAI abfragte.

Ganz so nutzlos war der „Lösungsvorschlag“ ohne das ISIS aber womöglich nicht: Geprüft wurde ein „israelisches Komplettsystem (inklusive Aufklärungssensorik AISIS)“. Ein Werbefilm erläutert dessen Funktionsweise:

https://www.youtube.com/watch?v=-STM_0V5u6g

Das israelische AISIS hatte die Bundeswehr ebenfalls für die Geschäftsreiseflugzeuge von Bombardier und Gulfstream geprüft. Es könnte ausweislich einer Herstellerbroschüre aber auch in eine „Heron“-Drohne eingerüstet werden. Diese beiden Typen befinden sich auch unter den vier Optionen für eine Beförderung des deutschen ISIS.

Immer noch kein Datenschutzkonzept?

Laut einem Gutachten kann das ISIS in einem Umkreis von bis zu 400 Kilometern alle Funksignale auffangen, anpeilen, aufzeichnen und zur Bodenstation übertragen. Dazu gehören auch Mobilfunksignale, insbesondere die von Sendemasten. Auch über deutschen Bundesländern wurden vom ISIS bei Testflügen allerhand Signale aufgezeichnet. Damals startete die Riesendrohne über Bayern und flog teilweise bis zum Flugbeschränkungsgebiet „North Sea Area“.

Während der Testflüge des ISIS mit dem „Euro Hawk“ hatte die Bundeswehr aber versäumt, ein eigentlich vorgeschriebenes Datenschutzkonzept zu erstellen. Das ist nicht nur peinlich, sondern auch grundrechtsgefährdend. Fraglich ist, ob bei neuen Tests ab dem Frühjahr die Datenschutzbeauftragten des Bundes oder der Bundeswehr einbezogen werden.

Hans-Christian Ströbele, Mitglied des Parlamentarisches Kontrollgremiums, erklärte dem Deutschlandradio wie die Überwachung mit dem ISIS auch im Ausland gegen Grundsätze des deutschen Datenschutzes verstößt:

Nur Fakt ist bisher, dass beim Bundesnachrichtendienst und bei der Bundesregierung die Auffassung vertreten wird, dass die Grundrechte für die Datenübermittlung im Ausland, von Ausländern nicht unter die strengen Voraussetzungen und die strengen Regeln des Grundgesetzes fallen. Ich bin da anderer Auffassung. Ich meine, dass da auch ein Schutz stattfinden muss, dass etwa in dem ganz persönlichen privaten Bereich auch Ausländer geschützt werden müssen […]

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Eine Ergänzung

  1. Tja, das passiert wenn gemauschelt wird.
    Anstatt das die Truppe 1:1 bekommt was sie ins Lastenheft schreibt, wird endlos gemauschelt und geändert und schnell ein paar Firmen gegründet und später kommen dann so halbgare Sachen wie NH-90 oder EuroHawk raus.
    Da wird auf dem Rücken unserer Soldaten die Portokasse gefüllt von irgendwelchen Lobbyisten gefüllt.

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