Ministeriumssprecher zum „Euro Hawk“: „Das Juwel, mit dem man sehr schön gucken und schauen kann, behalten wir“

Sollte eigentlich als Prototyp die Beschaffung weiterer vier Drohnen einleiten: Der gegroundete "Euro Hawk"
Sollte eigentlich als Prototyp die Beschaffung weiterer vier Drohnen einleiten: Der gegroundete „Euro Hawk“

„Lieber ein Schrecken mit Ende, als ein Schrecken ohne Ende“, versprach sich der verantwortliche Minister de Mazière in seiner Regierungserklärung zum Fortschritt der „Bundeswehrreform“ am Mittwoch. Gemeint war der Stopp der Beschaffung von weiteren vier Spionagedrohnen des Typs „Euro Hawk“. Man habe die „Reißleine“ gezogen, da immense Kosten für die luftfahrtrechtliche Zulassung anstünden. Die Rede ist von mehreren hundert Millionen Euro.

Allerdings bedeutet dies nicht, dass in Zukunft auf ein „Weitreichendes Abbildendes Signalerfassendes Aufklärungssystem“ (WASLA) der Bundeswehr verzichtet wird. Denn Ausgaben der Bundeswehr für den Träger, also die der „Global Hawk“ nachgebauten „Euro Hawk“ in Höhe von 250 Millionen Euro seien laut dem Ministeriumssprecher Stefan Paris zwar „vergebens, ziemlich vergebens“. Das von EADS entwickelte System zur „Fernaufklärung“ von digitaler Kommunikation aus der Luft habe sich aber ausdrücklich bewährt:

Dieses „Juwel“, das da drin ist, mit dem man sehr schön gucken und schauen kann, behalten wir. […] Das, was aber dadrinsteckt das ist mir wichtig , also diese 250 Millionen Euro, die für das Sensorensystem investiert worden sind, ist nicht verloren. Das ist auch der Grund, warum wir jetzt noch bis Ende September die letzten Tests durchführen, damit wir diese Aufklärungstechnik auch weiter nutzen können […].

Die Technik soll nun in ein anderes Flugzeug eingebaut werden. Paris spricht zunächst von einer „bemannten Plattform, also Flugzeug mit Pilot“. Damit könnte sich bewahrheiten, was Detlef Borchers bereits bei heise.de ausführte. Jedoch deutet der Sprecher an, dass langfristig eine „Plattform, wo unbemannt geflogen wird“ angestrebt würde. Auch hier müssten aber „Schwierigkeiten der Zulassung dieses Fluggeräts überwunden“ werden.

Neben den Spionagedrohnen will die Bundeswehr auch eigene Kampfdrohnen beschaffen, für die sich die gleiche Zulassungsproblematik stellt. Derzeit gelten die israelische „Heron“ oder die US-amerikanische „Predator“ als Favoriten. Probeflüge werden derzeit über dem Mittelmeer absolviert. Hier könnte die Bundeswehr aber zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen: Denn einmal luftfahrtrechtlich mit allen nötigen Nachweisen ausgestattet, könnten die neuen Flugroboter auch die von EADS entwickelte Signalerfassung transportieren. Zumindest die israelische „Heron TP“, eine Fortentwicklung der „Heron-1“, käme hierfür in Frage. Die Nutzlast des Systems beträgt rund eine Tonne.

Bundesregierung ist über „Black Box“ erzürnt und prüft Schadensersatz

In der Bundespressekonferenz versuchten die Militärs auch, Klarheit in die Debatte über die verpulverten Kosten zu bringen. Der Ministeriumssprecher dazu:

Wir haben bisher eine Summe ausgegeben, die sich im Bereich von rund 562 Millionen Euro bewegt. Davon entfallen rund 54 Millionen Euro auf sogenannte Kosten, die wir bei vergleichbaren Projekten aufwenden müssen, die der Industrie gezahlt werden, damit bestimmte Tests, Demonstrationen und ähnliche Dinge mit solchen Geräten, die ja sehr kompliziert sind, gemacht werden.

Das heißt, wenn Sie auf den „Euro Hawk“ an sich blicken, spreche ich von einem Betrag von rund 508 Millionen Euro. Das ist sozusagen das Flugzeug, die Plattform, das, was Sie immer im Fernsehen sehen können. Das ist zu einem anderen Teil das, was Sie im Fernsehen nicht sehen können, nämlich das, was sich in dem Flugzeug verbirgt, nämlich die Sensortechnik.

Die Hälfte von diesen 508 Millionen Euro kostet ungefähr das Flugzeug. Die andere Hälfte von diesen 508 Millionen Euro kostet das Innenleben, diese Technik des Flugzeugs.

im Überblick über die Investionen dürften aber verschiedene Posten fehlen. Hierzu gehören auch die 37 Millionen Euro, die im schleswig-holsteinischen Jagel in die Errichtung einer Halle für die Drohnen gesteckt wurde. Am dortigen Standort des Aufklärungsgeschaders sollen die neuen Kampf- und Spionagedrohnen der Bundeswehr stationiert werden. Alles kein Problem, versichert der Verteidigungsminister: Die für die „Euro Hawk“ abgeordneten 40 Soldaten könnten sich nun im die von Israel geleasten „Heron“-Drohnen kümmern.

Die Bundesregierung ist besonders erzürnt über die Black Box der Steuerungseinheit des „Euro Hawk“, die vom Hersteller Nortrop Grumman als Betriebsgeheimnis gehütet wird. Angeblich habe der Vertrag mit der Firma vorgesehen, dass diese „eine Vielzahl von Informationspflichten mit dem Ziel der Zulassung dieses Fluggeräts für den deutschen wie auch den europäischen Luftraum“ zur Verfügung stellen würde. Es klingt an, dass Deutschland den US-Hersteller womöglich in Regress nehmen könnte: „Natürlich schauen unsere Juristen, was man da jetzt noch rausholen kann, das ist klar“.

Die deutschen Militärs vorenthaltene Technologie betrifft vor allem die Steuerungseinheit. Im Euro Hawk wird die Technik des „Global Hawk Block 20“ verwendet, also dem allerersten Modell der Serie. Die USA halten die „Block 20“ selbst für störungsanfällig, weshalb nach „Block 30“ jetzt auf die neueste Version „Block 40“ gesetzt wird. Auch die Bundeswehr stellte „in den Erprobungen fest, dass es durchaus Probleme im Bereich der Steuerungseinheit gibt“:

Wir haben festgestellt, dass wir so einen intensiven Zugriff auf technische Details des Fluggeräts, wie es wünschenswert gewesen wäre, nicht bekommen haben. Es war auch so, dass mit den Amerikanern diese Testflüge sehr intensiv abgestimmt werden mussten, weil sozusagen die Steuerungseinheit auch unter amerikanischer Aufsicht verbleibt.

Wirklich glaubhaft ist die Ahnungslosigkeit über die schwierige Prozedur zur luftfahrtrechtlichen Zulassung übrigens nicht. Denn bereits 2004 begannen bei der Bundeswehr wie auch bei EADS umfangreiche Vorbereitungen zur Integration in den zivilen Luftraum. 11 Bundeswehrsoldaten wurden im Rahmen des US-Programms „Foreign Military Sales“ zum „Luftfahrzeugführer unbemannter Luftfahrzeuge“ ausgebildet.

In weiteren, teilweise EU-finanzierten Studien ist die Deutsche Flugsicherung mit EADS in Zulassungsverfahren eingebunden. Entsprechende Vorhaben sind bzw. waren „Weitreichendes Abbildendes Signalerfassendes Aufklärungssystem/High Altitude and Long Endurance“, „Demonstration zum Thema UAV-Einsatz in Bayern“ oder „Integrated Deployment of UAS in the European Airspace using Satellites“. In der Studie MIDCAS forscht die Europäische Verteidigungsagentur unter Beteiligung zahlreicher Rüstungsfirmen an ähnlichen Fragestellungen. Ziel ist Entwicklung eines Ausweichsensors, der nun zum Scheitern des „Euro Hawk“ führte. Als Vison gilt die „Teilnahme von UAS am Luftverkehr im nicht gesperrten Luftraum im Zeithorizont 2015“. In Deutschland betreiben das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt mit EADS und anderen Militärausrüstern eine Studie zu „UAV im allgemeinen kontrollierten Luftraum“.

Ausstieg? „Nein ein ganz klares Nein, in Großbuchstaben, mit drei Ausrufezeichen und fünfmal unterstrichen“

Wie sehr die Bundeswehr auf Kampf- und Spionagedrohnen setzt, wird aus einem weiteren Statement des Ministeriumssprechers ersichtlich. Auf die Frage, ob das „Ziehen der Reißleine“ etwas damit zu tun habe, dass der Einsatz von Drohnen für die Bundeswehr politisch-moralisch problematisch sei, hieß es:

Nein ein ganz klares Nein, in Großbuchstaben, mit drei Ausrufezeichen und fünfmal unterstrichen. Ganz klares Nein, überhaupt nicht. Ich kann meine Antwort auch noch erläutern. Wir sind nach wie vor daran interessiert, diese Fähigkeit zu haben.

Im Internetportal DefenseNews wird ein Sprecher von Northrop Grumman zitiert. Demnach habe die Firma von der deutschen „Reißleine“ nur durch die Medien erfahren. Eine offizielle Stornierung des Auftrags erfolgte nicht.

Das mag daran liegen, dass die Bundesregierung weitere Verbindlichkeiten zur Spionagedrohne einhalten muss. Denn neben den fünf „Euro Hawk“ hatten die Militärs der NATO zugesichert, aus Deutschland ein Kontigent zum Drohnen-gestützten NATO-Überwachungsprogramm „Alliance Ground Surveillance“ (AGS) beizusteuern. Dort werden allerdings „Global Hawk“ geflogen (vermutlich in der Version „Block 40), die US-Armee hat bereits zwei Flieger im sizilianischen NATO-Stützpunkt Sigonella stationiert. Die Luftaufklärung läuft unter dem Motto „Eyes in the Sky for Boots on the Ground“, die entstehenden Kosten werden auf drei Milliarden Euro für die Langstreckendrohnen nebst Funksystemen und Bodenstationen beziffert. Die Bundesregierung dazu:

Von den 28 NATO-Mitgliedsstaaten sind 13 in der Beschaffungsphase des als Alliance Ground Surveillance (AGS) Core-Programm bezeichneten Vorhabens beteiligt. Die NATO hat sich für eine Version des unbemannten Luftfahrzeugs GLOBAL HAWK RQ-4B entschieden, da es in absehbarer Zeit das einzig marktverfügbare System ist, mit welchem Flughöhen deutlich oberhalb von 50 000 Fuß erreicht werden können. Als Stationierungsort des AGS-Verbandes ist SIGONELLA auf Sizilien in Italien vorgesehen; erste Fähigkeiten könnten in 2018 verfügbar sein. Deutschland beabsichtigt zudem, die geringe Stückzahl des Systems durch eine interoperable nationale Beistellung HALE IMINT zu ergänzen.

Bislang ist noch nirgends berichtet, dass die von Deutschland versprochene „interoperable nationale Beistellung“ ebenfalls storniert wäre. Die Türkei, Polen, Kanada und Dänemark haben ihre Zusagen mittlerweile wegen knapper Staatshaushalte zurückgezogen.

[Bildquelle: http://ec.europa.eu/enterprise/docs/uas/4_3_EUROHAWK.ppt]

Deine Spende für digitale Freiheitsrechte

Wir berichten über aktuelle netzpolitische Entwicklungen, decken Skandale auf und stoßen Debatten an. Dabei sind wir vollkommen unabhängig. Denn unser Kampf für digitale Freiheitsrechte finanziert sich zu fast 100 Prozent aus den Spenden unserer Leser:innen.

3 Ergänzungen

  1. Heißt es nicht „Lieber ein Ende mit Schrecken…“ statt „Schrecken mit Ende“?

Dieser Artikel ist älter als ein Jahr, daher sind die Ergänzungen geschlossen.