Bundesregierung beauskunftet Reiseverbote des US-Heimatschutz auf Basis der „No Fly List“, „Selectee List“ und „Terrorist Watchlist“

Übermorgen auf Klassenfahrt in Athen: Das US-Heimatschutzministerium trifft seine EU-Counterparts.
Übermorgen auf Klassenfahrt in Athen: Das US-Heimatschutzministerium trifft seine EU-Counterparts.

Unter dem Titel „Aktivitäten von US-Sicherheitsbehörden in der Bundesrepublik Deutschland“ hat sich die Linksfraktion nach Kenntnisen der Bundesregierung zu Berichten der Süddeutschen Zeitung und des Norddeutschen Rundfunks erkundigt. Dabei geht es unter anderem um Sicherheitspersonal von US-Behörden an See- und Flughäfen (Frankfurt, Hamburg, Bremerhaven) und deren Befugnisse.

Viel Neues ist der heute offiziell online gestellten Antwort nicht zu entnehmen. Dass etwa das US-Heimatschutzministerium am Frankfurter Flughafen mehrere Hundert Betroffene jährlich am Boarding hindert war schon 2011 Gegenstand einer anderen Anfrage. Die Bundesregierung weiß davon und behauptet, es handele sich dabei um das Rechtsverhältnis der Fluglinien und US-Behörden. Dass die „No Fly-Empfehlungen“ aber versteckte polizeiliche Zwangsmaßnahmen auf deutschem Hoheitsgebiet darstellen, wird schlicht ignoriert.

Dennoch weiß man im Bundesinnenministerium einiges zur „Terrorist Watchlist“ (420.000 Personen), „No Fly List“ und „Selectee List“ (16.000 Personen):

Das Terrorist Screening Center (TSC) des FBI führt seit 2003 die Terrorist Screening Database (TSDB), auch bekannt als „Terrorist Watch List“. Weitere Listen mit Personendaten, die unter den Bezeichnungen „Selectee List“ und „No-Fly List“ bekannt sind, werden auf Basis der TSDB generiert und sind eine Teilmenge dieser. Die „Selectee List“ umfasst Daten von Personen, die bei Einreise in die USA einem intensiveren Überprüfungsverfahren unterzogen werden. Die „No Fly List“ enthält Daten von Personen, die nicht in zivilen Flugzeugen, die die USA anfliegen bzw. in den USA starten, befördert werden dürfen. Weiterhin dürfen Flugzeuge, die Personen von der „No-Fly List“ befördern, den Luftraum der USA nicht überfliegen […].

Erst durch einen Vortrag von Mark Koumans, dem stellvertretenden Abteilungsleiter für Internationale Angelegenheiten des U.S. Department of Homeland Security (DHS) wurde 2011 offenkundig, dass das DHS mehrere hundert Mitarbeiter auch innerhalb der Europäischen Union beschäftigt: Demnach arbeiteten damals 394 Bedienstete verschiedener DHS-Dienststellen an sieben Flug- und 23 Seehäfen, erklärte Koumans vor dem Weißen Haus. Unter ihnen sind mehrere verschiedene Behörden, darunter Zoll, Einwanderung und Küstenwache.

Koumans umreißt deren Aufgabe mit der „Sicherung und Handhabung unserer Grenzen, Verstärken und Verwalten unserer Einwanderungsgesetze, Schutz und Sicherung des Cyberspace, und Gewährleistung von Widerstandsfähigkeit gegen Katastrophen aller Art“. In der nun vorliegenden Antwort des Bundesinnenministeriums werden die Zahlen für Deutschland aktualisiert und nach den verschiedenen Sicherheitsbehörden aufgeschlüsselt.

Die Bundesregierung weiß angeblich nicht, in welchem Umfang in Frankfurt Reiseverbote verhängt werden. Koumans berichtete damals, dass innerhalb der EU allein in den ersten fünf Monaten 2011 für 1.323 Reisende eine „No-Board-Empfehlung“ ausgesprochen wurde.

Die US-Heimatschutzbehörde arbeitet auch mit deutschen Polizeien zusammen, etwa bei der Beobachtung von Operationen der Grenzschutzagentur Frontex am Flughafen Frankfurt. In den von Wikileaks veröffentlichten Cables firmiert die US-Behörde gar als „DHS Frankfurt“. Gelobt wird, dass Frontex sogar die Macht hätte Festnahmen durchzuführen:

The power to detain and question people considerably enhances FRONTEX’s effectiveness in assisting German border control.

Da hat das „DHS Frankfurt“ allerdings etwas gehörig mißverstanden: Die Hoheit für polizeiliche Zwangsmaßnahmen obliegt nicht Frontex, sondern weiterhin den Behörden der jeweiligen EU-Mitgliedstaaten.

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8 Ergänzungen

  1. Wenn einem die Beförderung verweigert wird, ist dies eine versteckte polizeiliche Maßnahme? Ernsthaft? Als ich das letzte Mal nachgesehen habe, waren Fluggesellschaften noch Wirtschaftsunternehmen und keine Polizeibehörden. Ist es auch eine versteckte polizeiliche Maßnahme, wenn mir aus fadenscheinigen Gründen der Einlass in die Disco verweigert wird?

    1. Nur dann, wenn ein nicht heimischer Cop den Türsteher deiner Disco anweist, dich nicht reinzulassen da dem Betreiber ansonsten Konsequenzen durch eine ausländische Regierung drohen. Kapiert?

      1. Wenn dem Betreiber der Diskothek die Geschäftsbeziehung zu der ausländischen Regierung wichtiger ist als mein Eintritt, wird er mich nicht reinlassen. Und nun?

      2. Naja, die Fluglinie möchte die USA ja gerne weiterhin anfliegen und das Feld nicht den Mitbewerbern überlassen. Bei der Disco gibt es das in der Form nicht. Es wäre so etwa, wenn der Cop dafür sorgen könnte, dass keine amerikanische Gäste mehr in die Disco kommen dürften.

  2. In Anbetracht, dass immer irgendwelche Personen an der Einreise in ein Land gehindert werden (mal abgesehen davon, wie darüber entschieden wird wer darf und wer nicht), ist das Verfahren doch sogar noch recht fair. Nur eine vorherige Ablehung der Reise, beim stellen des Einreiseantrags, wäre besser. Alternativ wird man vollkommen anonym beim Boarding abgewiesen, weil jemand in den USA das gerade so entschieden hat oder, was viel schlimmer ist: man fliegt in die USA, die Einreise wird dort abgelehnt und man darf wieder direkt zurück fliegen. Das kann ja einen Rattenschwanz an Kosten und Problemen mit sich ziehen.

    Wie gesagt, das Zustandekommen der No-Fly-Listen mag auf zweifelhaften Kriterien basieren, aber ich würde es bevorzugen im Heimatland abgewiesen zu werden und nicht erst nach diversen Stunden Flug.

    1. Das Problem ist der Double-F*ck, wer in die USA fliegen will hat zumindest eine ESTA-Genehmigung, diese auch bezahlt, und kann dann trotzdem auf seine Kosten an der Möglichkeit gehindert werden sein Genehmigung auch zu nutzen, wenn er nicht auf den Flieger darf.

    2. Es geht ja weiter. Man darf in den USA auch nicht umsteigen, und den Luftraum nicht überfliegen, auch wenn man garnicht in die USA will.

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