Argumente für Netzneutralität: Alle Daten sind gleich

Die Süddeutsche Zeitung hat ein Pro und Kontro zum Thema Netzneutralität. Hier ist der Pro-Artikel von Pascal Paukner: Alle Daten sind gleich.

Wer die Netzneutralität abschaffen will, zeigt, dass er wenig von einer liberalen Wirtschaftsordnung hält. Die Marktwirtschaft lebt davon, dass der Staat eine Infrastruktur bereitstellt, von der alle Unternehmen profitieren. Eine Parallelinfrastruktur für reiche Konzerne ist das Gegenteil. Es ist eine interventionistische Industriepolitik, die abgesehen von den Telekomfirmen genau jene Konzerne stärken wird, denen die Politiker fast aller Parteien in Sonntagsreden eine zu gewaltige Marktmacht attestieren. Ohne Netzneutralität wäre der egalitäre Charakter des Internets passé, der das Netz seit seinen Anfangszeiten prägt.

11 Ergänzungen

  1. Also ganz ehrlich, ich fand diese Meinung gleich in mehrfacher Hinsicht lustig (im Sinne von traurig).

    Der Staat stellt keine Netzinfrastruktur bereit. Es sind private Unternehmen, die das tun. Sie verlegen Kabel, installieren Switche und Router und betreiben Rechenzentren. Die Zeiten der Bundespost sind glücklicherweise lange vorbei.

    Interventionistisch wäre es, wenn Politiker Unternehmen vorschreiben würden, welche Leistungen sie zu welchen Preisen wem anzubieten haben. Beispiele dafür gibt es ja genügend.

    Es kann auch nicht die Rede von einer Parallelinfrastruktur sein. Fehlende sogenannte Netzneutralität bedeutet ja nichts weiter, als das ein Provider selbst bestimmt, wer zu welchen Preisen und mit welcher Leistung seine Netze benutzen darf. Da er die Netze besitzt, ist dies auch seine Entscheidung. Das ist ja auf Endkundenseite schon immer so. Ein Provider bestimmt, welche Leistungen (Geschwindigkeit) er zu welchen Preisen anbietet. Und es ist auch seine eigene Entscheidung, ob er mich als Kunden haben möchte oder nicht. Wenn mir ein Angebot nicht gefällt, schaue ich mich nach einem anderen Anbieter um.

    Es gab auch noch niemals einen „egalitären Charakter“ im Internet. Schon immer hat derjenige, der mehr zahlte, auch eine bessere Leistung bekommen. Ein vollkommen natürlicher Vorgang.

    Wer sogenannte Netzneutralität vom Staat fordert, öffnet die Büchse der Pandora. Denn dies gibt Politikern den Vorwand, tausend andere Regularien zu erlassen, die letzten Ende bei reiner Zensur ankommen werden. Natürlich alles mit einer tollen Begründung.

    1. Breitbandkommunikation aka Intrenetzugang gehört heute zur Daseinsvorsorge. Und das ist Sache des Staates, genau wie bei Wasser, Strom, Straßen, ÖPNV usw. Auch wenn private Unternehmen die Leistung erbringen, was nicht zwangsläufig zu einer guten versorgung führt, sondern nur zu maximierten Gewinnen der Unternehmer, unterliegen diese Bereiche der Regulierung oder sind sogar komplett in staatlicher oder kommunaler Hand (z. B. Straßenbau).

      Gegen eine Vergütung nach Leistung ist nichts einzuwenden, wenn denn alle Kunden gleich bedient werden. Der Kunde eines x-beliebigen Anbieters wird z. B. nach den Plänen der Telekom gegenüber dem Kunden des Inhalteproviders Telekom benachteiligt, weil sein Volumen auf das bezahlte Kontingent viel stärker angerechnet wird als das andere.

      Und außerdem sollte wirklich nach Leistung bezahlt werden. Wenn der Provider eine Leistung „von bis zu“ Bandbreite liefert, sollte der Kunde auch „bis zu“ bezahlen.

  2. Steffen. ganz ehrlich finde ich Deine Meinung, trotz auch korrekter Aussagen, gleich in mehrfahrer Hinsicht (nicht) „lustig“.

    1) Was ist falsch daran, wenn der Staat definiert, welche Grenzen für Unternehmen gelten? Banken dürfen nicht alles, die „Post“ darf nicht alles, es existiert der Begriff Wucher und Monopole oder Kartelle sind auch nicht erlaubt. Es ist notwendig, dass der Staat die Einhaltung unserer Regeln durchsetzt.

    2) Netzneutralität bedeutet nicht, dass der Unternehmer nicht mehr bestimmen darf, zu welchen Preisen und mit welcher Leistung seine Netze benutzt werden. Es bedeutet vielmehr, dass es den Provider nichts angeht, wem ich meinen „Liebesbrief“ sende oder welche Webseite ich mit anschaue.

    3) „Wenn mir ein Angebot nicht gefällt“, so muss es Alternativen geben. Wenn große Telekommunikationsfirmen Sonderverträge mit „Webanbietern“ abschließen, so werden kleine Anbieter benachteiligt. Es wird sie nicht mehr lange geben.

    4) Netzneutralität mündet in Zensur? Nun hast Du es endgültig übertrieben. Das Wort Bullshit kommt mir in den Sinn. Fakt ist, wenn wenige große Provider über Premiumdienste bestimmen, dann ist die Kommunikationsfreiheit in ernsthafter Gefahr. Das noch am wenigsten gefährliche Szenario wäre, dass Internet zu RTL/SAT1 verkommt.

    Es mag sein, dass der SZ-Artikel Mängel hat. Doch Dein Post zeigte davon nichts auf.

    1. Hallo Joachim,

      zu 1.): Der Staat hat Rahmenbedingungen zu setzen, die ein gleiches Recht für alle bedeuten. Da wird also ein korrupter Politiker nicht anders vor dem Gesetz behandelt als ein Obdachloser und ein Großkonzern nicht anders als ein Tante-Emma-Laden. Es ist jedoch nicht die Aufgabe des Staates, mit Gewalt (denn der Staat setzt alle seine Regeln mit Gewalt durch) zu bestimmen, wer was wann wo und zu welchen Preisen an wen und überhaupt verkaufen/kaufen darf.

      Wenn du das als Aufgabe des Staates siehst, befindest du ich zwar zweifelsohne in bester Gesellschaft, jedoch hat dies mit Marktwirtschaft genauso wenig zu tun, wie mit der Freiheit eines selbstbestimmten Lebens.

      zu 2.): Bei fehlender Netzneutralität – also nach derzeitiger gesetzlicher Lage – kann ein jeder Provider selbst bestimmen, ob er Daten von bestimmten Kunden oder bestimmte Daten von Kunden generell weiterleitet und falls ja zu welchen Preisen.

      Wenn Provider A nicht möchte, dass du als Endkunde P2P-Dienste nutzt, wird er bestimmte Ports sperren (über die Sinnhaftigkeit sprechen wir jetzt hier mal lieber nicht). Ich habe beispielsweise einen Provider, der Port 25 sperrt. Er weigert sich also, SMTP-Protokoll-Daten weiterzuleiten. Natürlich kann ich einen alternativen Port benutzten, sogar ganz offiziell und tue dies auch. Aber das müsste ja nicht so sein. Provider B hat dagegen kein Problem mit SMTP und sperrt Port 25 nicht, dafür aber vielleicht andere Ports.

      Geplant ist, dass Webseiten, die überdurchschnittlich viel Daten ins Netz schicken, von den Providern entweder zur Kasse gebeten werden oder aber damit leben müssen, dass ihre Daten langsamer durchs Netz eines bestimmten Providers laufen. Das ist grundsätzlich ein absolut normaler marktwirtschaftlicher Vorgang. Wer viel will, zahlt auch mehr als jemand, der weniger will.

      zu 3.): Ich bekomme, wenn ich €100 für einen Root-Server im Monat zahle auch ganz andere Leistungen, als wenn ich €1.000 zahle. Werde ich deshalb benachteiligt, wenn ich nur €100 zahle? Und wenn ich einen BMW möchte, muss ich mehr bezahlen, als wenn es ein Dacia ist. Werde ich als Dacia-Käufer, der ich mir keinen BMW leisten kann, deshalb benachteiligt?`Und wenn ich mir ein „Schönes-Wochenende“-Ticket kaufe, komme ich langsamer ans Ziel, als wenn ich mir Tickets für den ICE kaufe, die allerdings dann auch deutlich mehr kosten. Werde ich deshalb benachteiligt?

      zu 4.): Nicht die Netzneutralität mündet in Zensur, sondern der Ruf nach dem Staat. Natürlich wird der Staat nur zu gerne zu Hilfe eilen. Genau dieser Fall wird dann der Einfallstor für weitere „Hilfemaßnahmen“ sein. Zuerst behindern angeblich die „bösen“ Konzerne den freien Fluss der Daten. Danach verbreiten „böse“ Menschen Verschwörungstheorien und müssen deshalb durch Filter gestoppt werden (siehe UK). Genau das passiert ja schon heute, in noch sehr abgeschwächter und umgehbarer Form. Wer sich den Staat ins Bett holt, wird ihn nicht mehr los.

      1. „Wenn du das als Aufgabe des Staates siehst, befindest du ich zwar zweifelsohne in bester Gesellschaft, jedoch hat dies mit Marktwirtschaft genauso wenig zu tun, wie mit der Freiheit eines selbstbestimmten Lebens.“

        Wir leben aber nuneinmal nicht in einem Staat, in dem reine Marktwirtschaft herrscht, sondern in einem System der „Sozialen Marktwirtschaft“. Und dort ist es absolut gängig, dass der Staat rechtliche Rahmenbedingungen setzt – und das sind natürlich auch inhaltliche Bedingungen.

        Und es geht bei der Netzneutralität auch nicht um die Frage, „wer was wann wo und zu welchen Preisen an wen und überhaupt verkaufen/kaufen darf.“. Deine Nebelbombe sollte Dir klar sein, wenn Du Dich mit dem Thema beschäftigst: es geht nicht um wer, wann, wo und zu welchen Preisen, sondern (als Minimum) um die Transparenz beim „was“.

        „Bei fehlender Netzneutralität – also nach derzeitiger gesetzlicher Lage – “

        Ähm – rechtlich wohl (Wettbewerbsrecht und Selbstbindung durch Werbung ist da noch unbeleuchtet) ja, aber faktisch nicht. Und an den Gesetzgeber wird momentan appelliert, den faktischen Rahmen de lege ferenda durch das Recht abzubilden und dadurch festzuschreiben. (Bei mir schlagen da selber zwei Herzen, weil ich bei einem Kabelnetzbetreiber arbeite).

        zu 3) nicht alles, was von Dir an den Haaren gezogen wird, ist ein passender Vergleich.

      2. „Eine Parallelinfrastruktur für reiche Konzerne ist das Gegenteil. Es ist eine interventionistische Industriepolitik, die abgesehen von den Telekomfirmen genau jene Konzerne stärken wird, denen die Politiker fast aller Parteien in Sonntagsreden eine zu gewaltige Marktmacht attestieren.“

        Und wenn wir nichts tun zieht uns demnächst der 4K HD Video Traffic, jetzt HD, alle Leitungen zu oder die Access-Provider rüsten alle Leitungen auf, das zahlt dann die Gemeinschaft aller Kunden, nicht nur die der Streaming Kunden.

      3. Steffen, Nach Deinem 4 müsste das Postgeheimnis ebenfalls zur „Zensur“ führen. Nach Deiner Argumentation dürfte die Post private Briefe langsamer ausliefern, als „Geschäftsbriefe“. Dazu müsste die Post das Postgeheimnis verletzen dürfen.

        Es ist ganz einfach: Inhalte und Metadaten meiner Kommunikation sind für den Provider tabu, analog zum Postgeheimnis. Er darf nur das wissen, was er wissen muss, um seine vertraglich vereinbarte Leistung „Internetzugang“ (siehe RFC zu IP) zu erbringen. Dann darf er mit „seinem Netz“ tun und lassen, was er will.

        Mein Vertrag ist Internet und nicht irgend ein … also nett gesagt: eine Art von BTX ist no go. Etwas Anderes akzeptiere ich einfach nicht.

      4. @Joachim:

        Das Beispiel Post finde ich passend. Die Post befördert Briefe tatsächlich je nach Inhalt unterschiedlich schnell. Warensendungen und Infopost sind günstiger, dafür langsamer. Expresssendungen sind teurer, dafür (hoffentlich) schneller. Große Händler (Otto, QVC, Amazon) haben Hubs von Hermes, DHL und Co. direkt im Haus und bekommen so ihre Waren besonders schnell und effizient zum Kunden befördert befördert.

        Gerade im Logistikbereich gilt: Ich als Absender bestimme, wie schnell meine Pakete beim Empfänger sein sollen und bezahle entsprechend dafür.

        Und genau das ist online nicht anders: Da sind es halt Datenpakete. Der Absender bestimmt, wie schnell seine Daten beim Empfänger ankommen sollen und zahlt entsprechend.

      5. @ Steffen: „Das Beispiel Post finde ich passend. Die Post befördert Briefe tatsächlich je nach Inhalt unterschiedlich schnell. Warensendungen und Infopost sind günstiger, dafür langsamer. Expresssendungen sind teurer, dafür (hoffentlich) schneller.“

        Das wird auch entsprechend kommuniziert und unterliegt (verhältnismäßig) klaren Vereinbarungen. Problematisch wird’s, wenn es nur das Produkt „Briefbeförderung“ gäbe und dann nach Gutdünken verschieden schneller und zuverlässiger Transport erfolgen würde.

        „Und genau das ist online nicht anders: Da sind es halt Datenpakete. Der Absender bestimmt, wie schnell seine Daten beim Empfänger ankommen sollen und zahlt entsprechend.“

        Mit einem ganz entscheidenden Unterschied bei digitalen Daten: der Empfänger bezahlt den Transporteur schon für den Transport. Wieso der dann bestimmen können soll, wie schnell (ggf. auch ob) der Transport erfolgt, erschließt sich mir nicht – und auch nicht, dass der Absender mit einem Zusatzentgelt für eine Beschleunigung sorgen könnte. Doppelbezahlung für eine Leistung?

      6. @le D:
        Nicht Doppelbezahlung, einfach gesplittete Bezahlung. Man darf ja auch nicht vergessen, das bei Datenpaketen viele Transporteure beteiligt sind, bei Logistikern meistens nur einer.

        In der Praxis wird es später ja vermutlich einmal so aussehen, dass alle Daten mehr oder weniger gleich priorisiert sind (der Endkunde, also wir, zahlen) . Wenn ein Unternehmen aber seine Daten besonders priorisiert zum Kunden transportieren lassen will, wird es eben noch einmal einen Betrag obendrauf legen müssen. Um im Beispiel zu bleiben bezahlen wir als Endkunden dann die normale Zustellung und dr Absender übernimmt ggf., den Expresszuschlag.

      7. „Nicht Doppelbezahlung, einfach gesplittete Bezahlung. “

        Also sinkende Preise für Endkunden? Wäre schön, aber mag ich kaum glauben.

        „In der Praxis wird es später ja vermutlich einmal so aussehen, dass alle Daten mehr oder weniger gleich priorisiert sind (der Endkunde, also wir, zahlen) . “

        Das, was Du da grade beschreibst, ist nicht „später“, sondern status quo.

        „Um im Beispiel zu bleiben bezahlen wir als Endkunden dann die normale Zustellung und dr Absender übernimmt ggf., den Expresszuschlag.“

        Der Dritte (mit dem ich im Regelfall keinen Vertrag haben werde) mischt sich also in die Erfüllung des Vertragsverhältnisses zwischen mir und meinem ISP ein? Das wird rechtlich auch noch eine spannende Diskussion werden…

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