Das Wirtschaftsministerium will Internet-Anbieter dazu verpflichten, die beworbenen „bis zu“ Bandbreiten auch einzuhalten – oder realistische Angaben zur Bandbreite zu machen. Das geht aus einem Vermerk des Ministeriums hervor, den wir an dieser Stelle veröffentlichen. Die Bundesnetzagentur hatte festgestellt, dass nur jeder fünfte Breitbandanschluss die versprochene Bandbreite erreicht.
Im April berichteten wir über eine Studie der Bundesnetzagentur, die belegt, das Internet-Anschlüsse meist nicht die Bandbreite liefern, die versprochen wird. Im Mai berichtete Matthias Kremp auf Spiegel Online über einen „Vermerk des Wirtschaftsministeriums“, in dem dieses Konsequenzen daraus ziehen will. Das haben wir auf FragDenStaat.de angefragt und heute erhalten (PDF).
Da es sonst noch nirgendwo online ist, veröffentlichen wir es hier mal noch im Volltext (keine Angst, es ließt sich flüssig):
Dienstequalität von Breitbandanschlüssen
(Studie zur Messung der Qualität von Breitbandbandanschlüssen)
Grundlage der Studie: Novelliertes TKG
Im 2012 novellierten TKG wird die Bundesnetzagentur zu weit reichenden Transparenzvorgaben gegenüber den Telekommunikationsunternehmen ermächtigt. Sie erhält dabei auch verschiedene Möglichkeiten, die Qualität der Leistung der Telekommunikationsunternehmen zu messen:
- Sie kann die Unternehmen verpflichten, die Qualität ihrer Dienste zu messen,
- sie kann eigene Messungen anstellen und
- sie kann Hilfsmittel entwickeln, die es dem Kunden ermöglichen, eigene Messungen anzustellen.
Zweck der Studie
Mit Blick auf diese Ermächtigung und aufgrund zahlreicher Verbraucherbeschwerden über die Nichteinhaltung zugesagter Bandbreiten durch die Telekommunikationsunternehmen hat die Bundesnetzagentur die Studie „Dienstequalität von Breitbandzugängen“ durchgeführt. In der Studie wurde untersucht, inwiefern die Unternehmen die gegenüber dem Kunden zugesagten Bandbreiten erbringen. Sowohl durch die Verbraucher selbst als auch über klassische Messplattformen wurden die Bandbreiten gemessen.
Ergebnis der Studie
Fazit der Studie ist, dass die vertraglich zugesagten Maximalbandbreiten häufig erheblich unterschritten werden:
- Nur jeder fünfte Endkunde (19,5 %) hat die vertraglich vereinbarte („Bis zu“-) Bandbreite gemessen.
- Knapp 69,2% erreichten nur die Hälfte der versprochenen („Bis zu“-) Bandbreite.
- Von den LTE-Anschlüssen erhielten in der Bandbreiteklasse 25-50 MBit/s von den Endnutzern nur 1,6 % die volle und 23,3 % die halbe Übertragungsrate.
- Bei den DSL-Anschlüssen schneiden die Anschlüsse der untersten Bandbreiteklasse (1> 2 MBit/s) am besten ab. Hier erreichen 80,1 % bzw. 42,5 % die halbe bzw. die volle vermarktete Übertragungsrate während es in der Bandbreiteklasse 8-10 MBit/s nur 63,4 % bzw. 4,5 % waren.
- Die hochbitratigen Angebote bei Kabelanschlüssen sind im Ergebnis viel realistischer als DSL/VDSL und Mobilfunkangebote.
Das Ergebnis der Untersuchung verdeutlicht, wie wichtig die neuen Transparenzvorgaben im Telekommunikationsgesetz sind. Ohne diese Gesetzesvorgaben und ihre Ausschöpfung durch die Bundesnetzagentur wären diese erheblichen Qualitätsdefizite nicht zutage getreten.
Konsequenzen
Kritik der Unternehmen evaluieren und konstruktiv erörtern.
Erste kritische Stellungnahmen von Unternehmen an der Messmethodik sind unberechtigt. Die geäußerten Vorbehalte, die unterschiedlichen Fallgestaltungen (Mobilfunk als „Shared Medium“, deshalb Abhängigkeit der Bandbreite von der Anzahl der Nutzer) und die Situationen vor Ort (Abhängigkeit der Bandbreite von Entfernung des Teilnehmeranschlusses vom Kabelverzweiger) seien nicht ausreichend berücksichtigt worden, sind unbegründet. Der methodische Ansatz der Messstudie ist repräsentativ. Es wurde eine optimale Testumgebung (z.B. nur LAN-Verbindungen) sichergestellt. Mögliche „Verzerrungen“ sind bei dem Ergebnis der Studie einkalkuliert, das heißt im Ergebnis bereinigt worden.
Qualität steigern bzw. vertragliche Angaben der Realität anpassen.
Die Unternehmen stehen nun in der Pflicht, die Versorgung ihrer Kunden ihren vertraglichen Zusagen entsprechend zu verbessern oder zumindest im Vertrag deutlich zu machen, welche Bandbreiten tatsächlich erreicht werden können. Durch die Aufdeckung von Qualitätsdefiziten wird der Druck auf die Unternehmen erhöht, ihre Verträge transparenter zu gestalten und vertraglich zugesagte Bandbreiten einzuhalten. Erfahrungen im Ausland zeigen, dass die Unternehmen ihre sehr offensiven Werbekampagnen – z.B. „Bis zu 50 MBit/s mit LTE“ – sehr rasch den Realitäten anpassen.
Kontinuierliche Qualitätskontrolle sicherstellen.
Nun geht es darum, die aufgedeckten Defizite zügig abzustellen. Das Ergebnis der Messstudie war bereits Gegenstand des am 10. April 2013 gemeinsam von BMWi und BNetzA veranstalteten „Forums Verbraucherschutz Telekommunikation“. Die Bundesnetzagentur wird am 4. Juni 2013 mit den Unternehmen einen Workshop veranstalten, auf dem die Ergebnisse analysiert und erörtert werden sollen. Hierbei wird es auch um die Frage gehen, ob und inwieweit die Qualitätskontrolle der Selbstregulierung überlassen wird und ob weitere Messungen und Kontrollen behördlicherseits durchgeführt werden sollen.
Bei Bedarf weitere Festlegungen
Für den Fall, dass der Markt nicht selbst für die nötige Transparenz sorgt, hat die Bundesnetzagentur wirksame Mittel, die Unternehmen zu realistischen Bandbreitenangaben zu verpflichten.
Erforderlichenfalls kann die Bundesnetzagentur – wie es im TKG vorgesehen ist – Einzelheiten über Mindestanforderungen an die Dienstequalität auch verbindlich festlegen.
Das Bundeswirtschaftsministerium wird sich für den effizienten Einsatz dieser Mittel stark machen.
Die Behörde hat hierzu bereits am 10. Mai 2013 ein Eckpunktepapier zur Kommentierung veröffentlicht. Der zur Diskussion gestellte Maßnahmekatalog enthält detaillierte Vorgaben, wie und in welchem Umfang die Unternehmen den Verbrauchern die erforderlichen Informationen über die Datenübertragungsraten und zugesagte Datenvolumen bereitstellen müssen und wie eine effiziente Kontrolle der vertraglichen Zusagen sichergestellt werden kann. Hierbei wird es auch um die Frage gehen, ob und inwieweit die Umsetzung der vorgeschlagenen Maßnahmen der Selbstregulierung überlassen werden kann oder verbindliche behördliche Festlegungen erfolgen müssen.
Netzneutralität
Netzneutralitätsaspekte spielten bei dieser Studie nur eine nachrangige Rolle. Geprüft wurden u.a. Interdependenzen zwischen Bündeldiensten (z.B. die Auswirkungen von IP-TV auf VOIP). Netzneutralitätsaspekte werden deshalb Gegenstand einer gesonderten Messung sein.
Die Bundesnetzagentur führt zur Zeit mit Blick auf das Thema „Netzneutralität“ zusätzliche Messungen und Kontrollen durch, bei denen insbesondere untersucht wird, ob bei einzelnen „Peer to Peer Übertragungen“ unterschiedliche Qualitätsstufen (Volumen, Geschwindigkeit) feststellbar sind. Die Ergebnisse sollen Mitte des Jahres vorliegen.
Nach dem TKG hat die Bundesnetzagentur auch die Befugnis, Einzelheiten über Mindestanforderungen an die Dienstqualität festzulegen.
Ihr habt doch neulich über die „Schmalband-Republik“ berichtet, wo Deutschland ja eh schon recht mittelmässig da stand. War das auf Basis der angeblichen Bandbreite oder der echten Bandbreite?
Das ist etwas, was einlauchtend klingt, aber gar so einfach nicht ist. Die Telekom z.B. hat früher DSL mit festen Bandbreiten verkauft, die sie dann auch garantiert haben. Nun ist es so, daß die Geschwindigkeit einer Leitung von äußeren Umständen beeinflußt wird, z.B. davon auf wie vielen der anderen Leitungen im Kabelbündel auch DSL läuft. Um Kapazitäten garantieren zu können, hat die Telekom mit großem Sicherheitsabstand gearbeitet. Mein Leitung schafft nach Meinung der Fritz!Box z.B. 7½MBit/s, die Telekom schaltet aber sicherheitshalber nur 3Mbit/s und nicht 6MBit/s.
Möchte man die Leitungskapazitäten optimal ausnutzen, muß man rate-adaptive (RAM) schalten, d.h. Modem und DSLAM handeln die Kapazität aus. Auf so einer Leitung kann man aber keine feste Geschwindigkeit angeben.
Wenn man die Anbieter zwingt feste Geschwindigkeiten zu garantieren, werden sie z.B. auf einer Leitung die 12MBit/s schafft nur noch 6MBit/s anbieten und dann natürlich auch nur liefern.
Was jetzt aber auch kein Nachteil ist, wenn sich auf dem Papier die Bandbreite halbiert, dann muss auch Mutti aus Neuland einsehen, dass Ihre Breitbandoffensive völlig für die Füßé ist. Der Nachteil liegt zwar erst mal beim Kunden, aber langfristig wird dann endlich auch mal richtiges Internet angeboten werden müssen.
Die Meßmethodik ist und bleibt fragwürdig. Man hat eine „Quer-durch-Deutschland“ Verbindung gemessen und ist dabei durchaus in die Falle mit Latenz und Jitter gelaufen.
Korrekterweise müßte die BNetzA die Meßpunkte an den Peerings der ISPs vorschreiben. Bis dahin hat der ISP überhaupt eine Chance, seine Verträge zu halten.
Was gemessen wurde war die Straßenqualität in Städten, indem man Testsendungen per Post nach Buxtehude schickte.
Trotzdem ist die Bandbreitenmessung wichtig und notwendig. Denn mit der Einführung von Managed Services (oder wie auch immer), muß man die Bandbreite der Zusatzprodukte von denen des egalitären Internets abziehen.
D.h. wenn ein 25M DSL Anschluß mit IPTV gebundled wird und dort HD Kanäle mit bis zu 12Mbps durchgeschoben werden, dann darf die beworbende Internetbandbreite nur noch 13 Mbps lauten. Jeder weitere Managed Service zieht weitere Bandbreiten aus der werbewirksamen „Geschwindigkeit“ ab.
Be there EuroDIG, said that.
Wenn man Managed Services berücksichtigt, dann muss die Messung schon aus Selbstschutz der ISP am Übergabepunkt aufhören. Sonst bist du als Kunden-ISP ja fällig, wenn dein Partner gerade kaputt ist.
Wobei ich fürchte, dass die meisten Consumer-ISP dann in in 4pt-Schrift hinter einer zweistelligen Fußnote schreiben: „Die beworbene Bandbreite versteht sich als Gesamtanschlussleistung inklusive Managed Services“ (o.ä.)
Ja, so wurde das auch am Montag im Bundestag gesagt.
Tja, dann wird das mit der Drosselung bei der Telekom nichts. Denn die wirbt weiterhin mit „Internet Flat mit bis zu 16 MBit/s“. Erst im nachfolgenden Sternchen erfährt man, dass dabei nur „2 MBit/s“ dauerhaft garantiert werden, eine höhere Bandbreite gilt nur für die ersten „75 GB“. Damit wird natürlich die beworbene Bandbreite nicht eingehalten… und eine solche Werbung wäre unzulässig – oder eben die Drosselung. Erklärt das mal jemand der Telekom? Oder dürfen die einfach so weiterlügen?