USA: Anlasslose Vorratsdatenspeicherung im gesamten Briefverkehr

Dass die NSA die Kommunikation per E-Mail im Internet überwacht ist spätestens durch Edward Snowdens Veröffentlichungen zu PRISM bekannt. Wie die New York Times jetzt berichtet, ist aber scheinbar auch sämtlicher „analoger“ Briefverkehr in den USA durch den US Postal Service kontrolliert und gespeichert worden. Insgesamt soll es sich um Daten von rund 160 Milliarden Briefen handeln, welche von der Post pro Jahr anlasslos gespeichert würden.

Im Überwachungsprogramm „Mail Isolation Control and Tracking“ wird der Umschlag eines jeden Briefes der in den USA verschickt wird abfotografiert und anschließend gespeichert. Angaben wie lange die Bilder gespeichert werden, gibt es leider nicht. Entstanden ist das Programm im Jahr 2001, nachdem bei einem Anthrax-Angriff per Brief fünf Menschen starben, darunter zwei Postangestellte. Die gespeicherten Daten werden auf Anfrage von Strafverfolgungsbehörden an diese weiter gegeben. James J. Wedick bezeichnet das Programm auch heute noch als eine der wichtigsten Quellen in der Strafverfolgung:

It’s a treasure trove of information […]. Looking at just the outside of letters and other mail, I can see who you bank with, who you communicate with — all kinds of useful information that gives investigators leads that they can then follow up on with a subpoena.

Die Strafverfolgungsbehörden brauchen keinen richterlichen Beschluss um an die gespeicherten Daten zu gelangen. Es müsse lediglich ein Antrag bei der Post gestellt werden, „welcher so gut wie nie abgelehnt werde“, wie ein Angestellter einer Strafverfolgungsbehörde sagt. Der Zugriff auf die Daten einer Person sind dann für den Zeitraum von 30 Tagen möglich, kann aber auf 120 Tage ausgeweitet werden. Wegen „krimineller Aktivitäten“ werden laut New York Times rund 15.000 bis 20.000 solcher Anfragen pro Jahr gestellt. Wie oft Anfragen im Zusammenhang zur „nationalen Sicherheit“ gestellt wurden ist nicht bekannt.

Amerikanische Gerichte halten das Abspeichern sämtlicher äußerer Merkmale eines Briefes nicht für strafbar:

Court challenges to mail covers have generally failed because judges have ruled that there is no reasonable expectation of privacy for information contained on the outside of a letter. Officials in both the Bush and Obama administrations, in fact, have used the mail-cover court rulings to justify the N.S.A.’s surveillance programs, saying the electronic monitoring amounts to the same thing as a mail cover.

Der angesehene Sicherheitsexperte Bruce Schneier hingegen vergleicht jenes Abfotografieren von Briefumschlägen mit dem massenweisen Abgreifen von Metadaten im E-Mailverkehr. Dabei sei es unwichtig ob ein Postangestellter persönlich die Informationen von einem Brief abschreibe oder aber ein Computer die Briefe analysiere, es sei so oder so ein enormer Eingriff in die Privatsphäre der Bürger.

Basically they are doing the same thing as the other programs, collecting the information on the outside of your mail, the metadata, if you will, of names, addresses, return addresses and postmark locations, which gives the government a pretty good map of your contacts, even if they aren’t reading the contents.

Um die Briefe tatsächlich zu öffnen, bedarf es auch in den USA einer richterlichen Anordnung. Allerdings wurden betreffende Gesetzte im Jahr 2007 von George W. Bush verwässert, indem er die Öffnung von Briefen ohne richterliche Anordnung erlaubte, falls es sich um einen Notfall oder um Belange der „inneren Sicherheit“ handele.

Dass es sich bei „Mail Isolation Control and Tracking“ um lupenreine Vorratsdatenspeicherung handelt, gegen die wir, ganz allgemein und nicht nur speziell durch die Post, auch hier in Deutschland noch zu kämpfen haben, zeigt Mark D. Rasch, ein Mitarbeiter des Justizministeriums, hervorragend auf:

“In the past, mail covers were used when you had a reason to suspect someone of a crime, […] Now it seems to be, ‘Let’s record everyone’s mail so in the future we might go back and see who you were communicating with.’ Essentially you’ve added mail covers on millions of Americans.

13 Ergänzungen

    1. >Von ähnlichen Versuchen oder Programmen in Europa habe ich noch >nichts gehört – anyone?

      Doch, die deutschen sind im kalten Krieg sogar weiter gegangen, da wurde auch die gesamte Postverkehr zwischen BRD und DDR geöffnet, im westen einmal und dann nochmal im Osten.

  1. Auch das konnte man schon vor Jahren in einigen Blogs nachlesen, die leute die das damals behauptet haben wurden dann aber in den Kommentaren als Verschwörungstheorethiker lächerlich gemacht.

  2. Deutsche Postdiensleister scannen nicht nur alle Briefempfänger, sondern archivieren diese Daten auch digital. Also existieren die Daten – und werden sicherlich auch von staatlichen Stellen genutzt.

    „In Ausnahmefällen würden die Daten auch zur Aufklärung von Reklamationen und Delikten verwendet. Im Anschluss bewahre man die Daten auf einem Magnetband auf, welches im einem Bankschließfach aufgehoben werde – ausschließlich für das Finanzamt.“

    http://www.tagesspiegel.de/wirtschaft/nach-tagesspiegel-bericht-datenschuetzer-ueberpruefen-postfirma-pin-ag/7888808.html

    http://www.inforadio.de/programm/schema/sendungen/wirtschaft_aktuell/201305/189206.html

      1. Gerne. Bin mir bei so was nicht sicher, ob es albern ist deswegen einen Kommentar zu schreiben.

        Und wenn ich schon mal kommentiere: Vielen Dank für eure Artikel, weiter so!

  3. „Die Sonderrechte der Alliierten gelten immer noch“ heißt es im 3Sat Beitrag.

    Mag sein das faktisch eMails überacht werden (weil es technisch geht). Aber seit der Widervereinigung ist Deutschland Souverän. Die Gegenteilige Behauptung ist allerdings eine beliebte Verschwörungstheorie. Vielleicht hat 3Sat den Historiker falsch widergegeben. Aber wenn nicht, dann kann ich ihn nicht mehr ernst nehmen.

  4. EIn Anonymisierungsdienst durch Rekuvertieren wäre natürlich trivial zu realisieren.

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