Zu früh gefreut: Anfang der Woche haben wir noch darüber berichtet, dass Dianne Feinstein überraschenderweise die Abhörpraktiken der NSA kritisiert und uns gefragt, ob das ernst gemeint oder nur besänftigendes Theater war. Dass letzteres zutrifft, wissen wir jetzt immerhin mit Sicherheit. Feinsteins FISA Improvement Act wurde gestern im Geheimdienstausschuss des Senats mit einer Mehrheit von elf gegenüber vier Stimmen in geheimer Abstimmung bestätigt.
Zur Einführung des Gesetzesentwurfs sagte sie wiederholt, dass am aktuellen Vorgehen nichts falsch sei, man aber mehr tun müsse, um Transparenz zu schaffen und öffentlichen Rückhalt zu den Datenschutzmaßnahmen zu bekommen. Welche Maßnahmen denn, fragt man sich da.
Zunächst klingt alles sehr vielversprechend. In einer Zusammenfassung auf Feinsteins Webauftritt liest man:
[Das Gesetz] verbietet die massenhafte Sammlung von Kommunikationsdaten unter Absatz 215 des USA PATRIOT Act.
Großartig! Doch dann:
Außer unter speziellen Voraussetzungen und Beschränkungen, die das Gesetz festlegt.
Und schon ist es vorbei mit der Verbesserung. Die Beschränkung besteht im Wesentlichen darin, dass der Geheimdienstausschuss einem solchen Vorgang zustimmen muss. Wie bereitwillig das normalerweise getan wird, weiß man ja. Außerdem brauchte es auch vorher schon einer Genehmigung, z.B. durch das FISA-Gericht.
Weiter gehts:
… führt Strafen bis zu 10 Jahren Gefängnis für vorsätzlichen unbefugten Zugriff auf Daten ein, die unter FISA von den USA ermittelt wurden.
Widerrechtlicher Zugriff, was meint das? In der Regel sicher nicht den Zugriff durch Geheimdienstmitarbeiter, sondern – Whistleblower zum Beispiel. Praktisch.
… verbietet die massenhafte Sammlung von Kommunikationsinhaltsdaten unter Absatz 215 des USA PATRIOT Act.
Klingt gut, leider ist das nichts Neues. Es wurde schon mehrmals betont, dass man sowieso primär an Metadaten interessiert ist. Es wird also wieder einmal versucht, es so darzustellen, als ob Metadaten doch eigentlich gar nicht so schlimm seien.
Es folgen noch ein paar Absätze, wem die Geheimdienste in welchen Abständen Bericht erstatten müssen. Und dass es eine Dokumentation der Datensammlungen geben muss. Und dass die Anzahl der Menschen, die Zugriff haben, eingeschränkt wird. Alles Regelungen, die in leicht anderer Form bereits vorliegen. Probleme waren wohl bisher auch nicht die fehlenden Aufsichts- und Zugriffsregelungsmechanismen, auch wenn sie vielleicht wirklich unzureichend gewesen sein mögen. Problem ist doch vielmehr die konsequente Missachtung und großzügige Auslegung derselben.
Außerdem soll die Tiefe, bis zu der Kontakte analysiert werden, eingeschränkt werden. Auch das hat die NSA selbst schon auf 3 ‚Hops‘ begrenzt, also werden von vornherein nur Kontakte über 3 Ecken untersucht. Wieder nichts Neues.
Selbst wenn es Details in der Gesetzesvorlage gibt, die Aufsicht über die Geheimdienste und den Zugriff auf Überwachungsdaten marginal verbessern, lässt sich ein Ziel ablesen:
Diejenigen Praktiken zu legalisieren und konkret in Gesetze zu gießen, die momentan noch auf einer überwachungsfreundlichen Lesart des PATRIOT Act fußen. Damit wäre jegliche Rechtsunsicherheit beseitigt und NSA und Co. könnten mithilfe der nun sicher formulierten Ausnahmeregeln und offizieller Genehmigungen weitermachen wie bisher.
Doch was bedeutet die Abstimmung im Ausschuss konkret? Ein kleiner (vereinfachter) Exkurs in die amerikanische Gesetzgebung:
Im amerikanischen Gesetzgebungsprozess steht man damit noch relativ am Anfang des Prozederes. Als nächstes wird der Entwurf im Repräsentantenhaus diskutiert werden. Hier kann sich jeder Abgeordnete (mit straff begrenzter Redezeit) äußern. Nach diesen Aussprachen kommt es zu einer Abstimmung aller Abgeordneten und der Vorschlag wird an die Zweite Kammer, den Senat, übermittelt. Dort geschieht das gleiche noch einmal, wobei am Ende beide Kammern einem endgültigen Entwurf zustimmen müssen, der unter anderem durch einen Vermittlungsausschuss gebildet werden kann, wenn zu Beginn keine Einigung herrscht. Kommt es zu keiner Übereinkunft, verfällt der Gesetzesvorschlag an dieser Stelle.
Haben sich beide Kammern geeinigt, bekommt der Präsident das Ergebnis vorgelegt. Er kann dem nun entweder zustimmen oder ein Veto einlegen. Reagiert er gar nicht, tritt das Gesetz nach 10 Werktagen jedoch trotzdem automatisch in Kraft. Selbst ein Veto kann aber noch unwirksam gemacht werden, wenn Senat und Repräsentantenhaus dem mit Zweidrittelmehrheit widersprechen.
Das heißt: Konkret ist noch nichts besiegelt und es gibt zumindest ein wenig Hoffnung, dass es nicht soweit kommt. Die fokussiert sich im Moment vor allem auch auf einen konträren Gesetzesentwurf von Jim Sensenbrenner, den USA FREEDOM Act (Uniting and Strengthening America by Fulfilling Rights and Ending Eavesdropping, Dragnet Collection, and Online Monitoring Act).
Dieser Vorschlag des Republikaners Sensenbrenner, der den PATRIOT Act mitformuliert hatte, würde unter anderem einen unparteiische Schiedsperson aus der Zivilgesellschaft im FISA-Gericht etablieren, die ein Gegengewicht zu Regierung und Geheimdiensten bilden könnte.
Der Entwurf sieht auch einige echte Verbesserungen in der Aufsicht über die Geheimdienste vor, zum Beispiel hier:
[Das Gesetz] verpflichtet die Regierung jährliche oder halbjährliche Berichte herauszugeben, die eine Schätzung der Anzahl von Individuen und US-Personen geben, die zum Gegenstand von elektronischer Überwachung, Telefon- oder Geschäftdatenabfrage nach FISA wurden.
Aber auch im USA FREEDOM Act fehlt laut dem Juraprofessor Clark Asay leider eine Entfernung der Schutzlücke zwischen Inhalts- und Metadaten, sagte er Ars Technica gegenüber. Dennoch erfährt der Entwurf Unterstützung von verschiedenen Bürgerrechtsgruppen, unter anderem der American Civil Liberties Union.
Sensenbrenners Entwurf wurde bisher zunächst nur vorgestellt. Aber da auch in den USA die Stimmung gegenüber den NSA-Aktivitäten langsam negativer wird, bestehen gute Chancen, dass er die erste Zustimmungs-Hürde nehmen könnte.
Das, was hier als „Sensenbrenners Entwurf“ bezeichnet wird, ist gleichzeitig Senator Leahy’s draft bill. Und Senator Leahy ist Vorsitzender des einflussreichen Judiciary Komitees. Das erhoeht die Chancen, dass der Entwurf erfolgreich verabschiedet werden kann.