Die ZDF-Sendung Berlin direkt hat gestern über „140 Zeichen verändern die Politik“ berichtet. Den rund vier Minuten langen Beitrag gibt es in der Mediathek und bei Youtube:
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140 Zeichen ändern gar nichts. Mit Religion- (z.B. Kölner Kliniken) und Genderthemen ist es leicht, ein paar 1000 bis 10000 Meinungen loszutreten. Medial wird da wird eine Sau durchs Dorf getrieben, die die wirklichen Entscheider sonstwo tangiert, zwei Tage später beginnen sich die letzten Kommentatoren auf dem abgefahrenen Zug schon zu entschuldigen, dass sie das Thema noch anschneiden und dann schnell raus aus den Medien bis zum nächsten Mal.
Spannend ist die Frage, welche Entscheidungen unsere wackeren Gesetzgeber im Medienschatten dieses fadenscheinigen Feigenblättchen nun schon wieder auf getroffen haben.
Hallo,
Danke für den Beitrag von einem „Nicht-Fernseher“. Als Vieltwitterer seit über 3 Jahren ist es für mich sehr interessant zu sehen, wie der gesellschaftliche Einfluss von Twitter beurteilt wird.
Klar, dass die #aufschrei-Welle zum Anlass genommen wird. Die wird meiner Ansicht nach recht gut dargestellt. Obwohl ich das nicht gut beurteilen kann, da ich selbst an der Diskussion bisher nicht aktiv teilgenommen habe.
Weniger angemessen finde ich die Schwarz-Weiss-Darstellung über das ‚Themen setzen‘.
Auch Gesellschaftsthemen von Wichtigkeit, die laut dem TV-Beitrag nicht ankommen, hinterlassen (oft) eine Wirkung. Dort ist es allerdings ungleich schwerer, es dauert länger, Resonanz zu bekommen. Ein Beispiel dafür ist das schwierige Thema #Zwangsbehandlung in der Psychiatrie.
Noch im Spätsommer 2012 war das absolut ein Null-Thema. Heute sieht das erheblich anders aus. Aus eigener Erfahrung: Dass sich in Deutschland ein mehr an Problembewusstsein über Psychiatrie entwickelt hat, ist via Twitter wesentlich mit-initiiert worden.
Eine ähnliche Erfahrung mache ich als Initiator der Projektidee ‚Soziales Dorf‘. Es gibt zwar keinen „Projekt-Hype“, aber es baut sich nach und nach positive Resonanz auf.
Zu Anfangszeiten nur mit den Projektseiten und lokalem Projektwerben: Null Chance. „Okay, nette Idee, aber das wird doch nie was, Punkt.“
Seitdem wir als kleine ökosoziale Inititiative vor allem Twitter zum Verbreiten der «neuen sozialen Idee» einsetzen, sieht die Welt völlig anders aus.
Durch intensive Beobachtung der Followerliste lässt sich erkennen, dass ein allgemeines Interesse an dem Vorhaben entsteht. Das verläuft interessanterweise – obwohl es sich um ein Arbeitslosigkeits-/Armutsprojekt (!) handelt – quer durch alle Gesellschaftsschichten.
Dass das soziale & ökologische Grossvorhaben (!) in eine Chance auf Umsetzung hineinwächst, ist dem blauen Vögelchen aus Kalifornien zu verdanken.
Gruss
Detlef Müller, Minden
PS: Bei Projektinteresse: siehe Kommentarlink
Das Ermüdende an Darstellungen wie in diesem Beitrag ist, dass Internetphänomene nach wie vor als Anomalie behandelt werden. _Jetzt_ wissen wir endlich, dass Twitter … Mich nervt auch langsam diese Zahl 140. Der durchschnittliche Tweet hat eine Länge 140 Zeichen (für die Revolution).
An einem Satz wie „Twitter verändert die Politik“ ist gefühlt mehr falsch als richtig. Das Medium beeinflusst die öffentliche Meinungsbildung, es ermöglicht Mobilisierung bestimmter Gruppen, es hilft bei der politischen Organisation und Kommunikation. Natürlich verändert es irgendwie die Politik.
#Aufschrei war eine massenhafte Empörungsdemonstration und damit nichts Neues. Manchmal beeinflussen solche Demonstrationen direkt die Politik, meistens verhallen sie ohne breite Wirkung, was nicht heißt, dass sie für die Demonstrierenden oder ihre Beobachter wertlos waren. Bei einem Thema wie den Geschlechterbeziehungen, die nur durch gesamtgesellschaftliche Anstrengung verändert werden können, wird wohl der zweite Fall eintreten.
Ach, verdammte Sonderzeichen. Beim ersten Absatz fehlt: Der durchschnittliche Tweet hat eine Länge kleiner 140 Zeichen (für die Revolution). Eine Bemerkung oder ein Gespräch, das sich auf mehrere Tweets verteilt, hat größer 140 Zeichen (für die Revolution).
Kam denn wenigstens das Wort „Shitstorm“ vor?