Gegen die massenhafte Funkzellenabfrage in Dresden sind jetzt Rechtsmittel eingelegt worden. Notfalls will man bis zum Bundesverfassungsgericht ziehen. Auch gegen die fortwährende Speicherpraxis von Mobilfunkanbietern soll geklagt werden.
Die Funkzellenabfrage, das Ermittlungsinstrument „für alle Fälle“, ist durch ihre Anwendung in Dresden und Berlin etwas bekannter geworden.
Die Probleme jedoch bleiben: Mobilfunkanbieter speichern Daten, die sie gar nicht brauchen. Behörden fragen riesige Datenberge ab und nutzen sie für eine Rasterfahndung. Tausende Menschen werden Teil von Ermittlungen gegen ein paar Einzelpersonen. Darüber informiert wird niemand.
Ausgeforscht, aber nicht benachrichtigt
Zumindest normalerweise. Das Bündnis Dresden Nazifrei hatte dazu aufgerufen, nachzufragen, ob das eigene Handy unter den 250.000 Ausgeforschten war.
Über 700 Menschen haben diese Auskunft beantragt, darunter auch Abgeordnete, Journalisten und Anwälte. Noch im Juli verweigerte die Dresdner Staatsanwaltschaft die Aussage. Ein Jahr nach dem eigentlichen Vorfall sind nun endlich Benachrichtigungen verschickt worden. Eine Beispiel-Benachrichtigung können wir an dieser Stelle veröffentlichen: PDF.
Die Rechtmäßigkeit überprüfen
Mit diesem Schreiben gibt es nun die Möglichkeit, Rechtsmittel gegen die Funkzellenabfrage einzuleiten. Da der Sächsische Datenschutzbeauftragte die Funkzellenabfrage bereits als rechtswidrig einstufte, ruft das Bündnis nun dazu auf, einen „Antrag auf Überprüfung der Rechtmäßigkeit“ zu stellen.
Das haben nun mehrere Personen gemacht, darunter die Bundestags-Abgeordnete Halina Wawzyniak. Ihr Anwaltsschreiben können wir ebenfalls veröffentlichen: PDF. Dazu haben wir ein kurzes Video-Interview mit ihr aufgenommen:
Unter den weiteren Klagenden sind auch auf den Demonstrationen anwesende Einzelpersonen und Gewerkschaftssekretäre sowie unbeteiligte Anwohner, die alle die anlasslose Überwachung ihrer Kommunikation ablehnen. Halina Wawzyniak, der Landtags-Abgeordnete Johannes Lichdi sowie die Rechtsanwältin Kristin Pietrzyk bemängeln darüber hinaus auch Eingriffe in die besonderen Schutzbereiche ihrer Berufe.
Auf langen Rechtsstreit eingestellt
Eine gerichtliche Entscheidung kann jedoch dauern. Dresdner Gerichte sind so überlastet, dass dadurch sogar Rechtsextreme geringere Strafen für organisierte gewalttätige Überfälle bekommen. Das Amtsgericht wird daher wohl auch erst frühestens im Herbst entscheiden. Wie, ist dabei völlig offen. Die Anwältin Kristin Pietrzyk „würde bei sächsischen Gerichten nichts mehr für unmöglich halten.“
Doch man ist für eine Niederlage gewappnet. Sowohl Pietrzyk als auch Wawzyniak sind entschlossen, notfalls bis zum Bundesverfassungsgericht zu ziehen. Wawzyniak hat dafür auch die Unterstützung vom Parteivorstand der Linkspartei. In diesem Fall wird eine endgültige Entscheidung jedoch noch mindestens drei bis fünf Jahre auf sich warten lassen.
Kläger gegen freiwillige Vorratsdatenspeicherung gesucht
In der Zwischenzeit kann gegen einen weiteren Aspekt dieser Massenüberwachung geklagt werden. Obwohl es keine gesetzliche Verpflichtung zur Vorratsdatenspeicherung gibt, speichern einige Anbieter trotzdem weiter. Kai-Uwe Steffens vom Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung erläutert:
Ohne dass es zur Abrechnung erforderlich ist, wird derzeit weiter rechtswidrig gespeichert, an welchem Standort man sein Handy oder Smartphone nutzt und um welches Gerät es sich handelt, von wem man angerufen wird und wen man anzurufen versucht hat.
Und all diese Daten werden bei einer Funkzellenabfrage übermittelt. Zur Förderung von Datensparsamkeit und Datenvermeidung will der Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung nun gegen die aus seiner Sicht „illegale Speicherung von Telekommunikationsdaten“ vorgehen:
„Wenn Sie einen Telefonvertrag und eine Rechtsschutzversicherung haben und mitklagen möchten, melden Sie sich bitte bis zum 31. März bei uns“, so der Aufruf des Arbeitskreises. „Wir suchen Kläger, die zumindest die wichtigsten Anbieter abdecken (Telekom Mobil und Festnetz, Vodafone, Telefonica/O2 Mobil und Festnetz, E-Plus).“ Die Vertretung der Kläger übernimmt Rechtsanwalt Meinhard Starostik, der schon die Verfassungsbeschwerde gegen die Vorratsdatenspeicherung erfolgreich vertreten hat. Die juristische Argumentation finden Interessenten auf den Internetseiten des AK Vorrat.
Was geschieht eigentlich, wenn die Dame aus dem Video recht bekommt?
Kann/darf dann in Zukunft die Funkzellenauswertung nicht mehr für Phishing eingesetzt werden oder stellt einfach ein Gericht fest, dass es rechtswiedrig war und nächstes Jahr wiederholt sich das Ganze von neuem?
wenn das gericht feststellt, dass die fza rechtswidrig war, können zunächst die mit der fza festgestellten daten nicht mehr verwendet werden und eine fza in diesem umfang kann nicht mehr stattfinden. die frage von schadensersatz müsste dann noch mal gesondert geprüft werden.
Das kommt ganz darauf an, wie das Gericht entscheidet.
Möglichkeit 1: Das Gericht beanstandet nichts.
Möglichkeit 2: Das Gericht beanstandet die Verwendung der Daten von Abgeordneten/Anwälten in diesem Fall -> Deren Daten dürfen hier nicht weiter verwendet werden.
Möglichkeit 3: Das Gericht beanstandet die Verwendung der abgefragten Daten in einem der beiden Verfahren -> Die Daten dürfen in einem der beiden Verfahren nicht verwendet werden.
Möglichkeit 4: Das Gericht hält die Erhebung aller Daten in diesem Fall für unverhältnismäßig -> Alle in Dresden erhobenen Daten müssen gelöscht werden.
Und so weiter. Und natürlich gilt: IANAL.
@ Andre Meister: etwas OT, aber: Ist das Interview CC-lizensiert? – Ich würde es gerne bei coloRadio (Freies Radio in Dresden) senden.
Torsten: Mach einfach. Irgendwie ist das Auswahlfeld „CC“ in unserem YouTube-Account ausgegraut.
welche denn? cc-by-sa? nc? wtf?
.~.
freut mich natürlich, dennoch die frage..
was ist wenn das gericht bestätigt, dass die abfrage rechtswidrig war.
…kann man dann schadenersatz oder so fordern? die dresdner regierung wird wohl nur schultern zucken und bei der nächsten demonstration munter weiter so machen :x
hier gehts nicht darum, kohle aus der affäre rauszuschlagen (die natürlich vom steuerzahler kommt), sondern darum, dem polizeistaat sachsen seine grenzen zu zeigen und die grundrechte der bürger wieder zu achten.
Ich bin kein Rechtskundiger und auch kein Kenner der in der Anzeige erwähnten Kommentare. Kommen diese aber zum Schluß, das TKG100 nur für derzeitge Störungen gilt und alle anderen Fehlerarten einfach vom Netzbetreiber geraten werden, liegen sie ein bisschen falsch.
Der TKG100 fängt an mit: „Soweit erforderlich, darf der Diensteanbieter zum Erkennen, Eingrenzen oder Beseitigen von Störungen oder Fehlern“ .
Damit das jetzt nicht falsch ankommt (‚keiner versteht mich‘), ich bin auch für Datensparsamkeit und viele Dinge die ich technisch lösen muß (für Netzbetreiber) könnte man sehr gut mit sofort nach derem Entstehen annonymisierten Daten tun. Es rollt allerdings gerade eine grosse Welle der Benutzerdifferenzierung (Customer Experience Management) über die Telcolandschaft und da ist Zwischenspeichern der Verbindungsdaten bei Sprachverbindungen eher der harmlosere Teil (eher so: Youtubebenutzung immer zwischen 9:30 und 9:45 am Südbahnhof, Gleis 8).
Die Netzbetreiber werden sich das nicht gerne sagen lassen, wie sie den Betrieb gestalten.
Das Problem sit doch, dass es vollkommen egal ist, ob ein Gericht im Nachhinein die Rechtswidrigkeit feststellt. Die Daten sind schon erhoben und u.U. gespeichert und verwendet worden. Darin ändert auch ein eventueller Schadensersatz nichts, dessen Durchsetzung problematisch ist. Was gebraucht wird sind präventive Maßnahmen, die vor einer Funkzellenabfrage greifen und nicht nur eine gerichtliche Feststellung der Rechtswidrigkeit danach.
Und immer öfter spüren die Mitglieder der BRD das verlangen den Bundesgrundgesetzgerichtshof nach seiner Meinung zu fragen.
Antwort der CDU auf meine VDS-Anfrage…….
vielen Dank für Ihr Schreiben.
Anschläge von Einzeltätern können nur mit einer verstärkten nachrichtendienstlichen Aufklärung, gerade auch im Internet, verhindert werden. Die Sicherheitsbehörden müssen stärker als bisher im Netz auf Streife gehen. Sie müssen, wenn sie strafbare und extremistische Inhalte entdecken, in der Lage sein, diese einem bestimmten Urheber zuzuordnen. Dazu sind sie nur mit der Vorratsdatenspeicherung in der Lage. Es ist aberwitzig, die Volksverhetzung im Internet unter Strafe zu stellen, den Sicherheitsbehörden aber die Instrumente zu versagen, die sie zur Täterermittlung benötigen. Wer hier den Vorwurf der Instrumentalisierung erhebt, verschließt die Augen vor der Realität.
Es zeigt sich immer mehr, dass der Traum einiger vom ‚freien Internet‘, in dem der Staat nichts zu suchen habe, in bestimmten Bereichen zu einem Albtraum wird.
Mit freundlichen Grüßen
Frederick Meier
Team Bürgerservice der CDU-Bundesgeschäftsstelle