FragDenStaat.de – der Informationsfreiheitsverstärker

stefan_wehrmeyerDieses Interview mit Stefan Wehrmeyer über mein Lieblings-Textadventure FragdenStaat.de stammt aus dem “Jahrbuch Netzpolitik 2012 – Von A wie ACTA bis Z wie Zensur“.

netzpolitik.org: Was ist die Idee hinter FragDenStaat.de?

Wehrmeyer: FragDenStaat.de hilft Bürgern ihr Recht auf staatliche Informationen zu nutzen und dokumentiert deutsche Informationsfreiheit in der Praxis. Was steht in den Verträgen mit meinem lokalen Energieversorger und wie viel hat das neue Open-Government-Portal der Bundesregierung gekostet? Solche Anfragen kann man über ein einfaches Formular auf FragDenStaat.de an Behörden auf Bundesebene, in NRW, Berlin, Brandenburg und Hamburg stellen. Die Anfragen werden zusammen mit den Antworten der Behörden veröffentlicht. Dadurch wird die Bearbeitung der Informationsfreiheitsanfragen durch die Behörden öffentlich dokumentiert.

netzpolitik.org: Die Plattform ist jetzt 1,5 Jahre live. Habt Ihr ein paar Zahlen zur Nutzung?

Wehrmeyer: Einer der großen Vorteile von FragDenStaat.de: die Zivilgesellschaft kann jetzt ihre eigenen quantitativen und qualitativen Statistiken zur Informationsfreiheit in Deutschland erfassen. Seit dem FragDenStaat.de im August 2011 an den Start gegangen ist haben wir über 2500 Informationsfreiheitsanfragen versendet. 70% dieser Anfragen sind allerdings aus unseren Ein-Klick-Aktionen entstanden: wenn wir Antworten nicht veröffentlichen dürfen, dann geben wir unseren Nutzern die Möglichkeit mit einem Klick die gleiche Anfrage im eigenen Namen zu stellen. Wir zählen diese Ein-Klick-Anfragen nicht zu unseren normalen Anfragen dazu, sie landen aber tatsächlich als echte Informationsfreiheitsanfragen bei den Behörden. Dort verursachen sie Bearbeitungsaufwand, deswegen empfehlen wir auch die Veröffentlichung von Antworten nicht zu verbieten. Es bleiben 741 einzigartige Anfragen übrig, von denen 624 öffentlich sind.

Während das Bundesinnenministerium nur Zahlen sammelt, baut FragDenStaat.de ein öffentliches Informationsfreiheits-Archiv auf. Dadurch wird eine qualitative Analyse der Anfragebearbeitung möglich. Wir hoffen, dass dies im kommenden Jahr von akademischer Seite geschieht.

netzpolitik.org: Was sind Probleme?

Wehrmeyer: Die Ausweitung von FragDenStaat.de auf mehr Bundesländer gestaltet sich als schwierig: Listen von Behörden mit Kontaktinformationen sind nur kaum strukturiert aufzutreiben, die Gesetzeslage ist überall ein bisschen unterschiedlich und der Kontakt zu regionalen Verfechtern der Informationsfreiheit fehlt. Dennoch wollen wir es 2013 schaffen, die restlichen sieben Bundesländer mit Informationsfreiheitsgesetzen aufzunehmen.

Die Zusammenarbeit mit den Behörden ist spürbar besser geworden, es besteht aber gerade bezüglich digitaler Kommunikation noch Aufholbedarf. Es kommt regelmäßig vor, dass Antworten noch ausgedruckt, eingescannt und dann an die falsch abgetippte E-Mailadresse verschickt werden. Das wird sich hoffentlich mit dem kommenden E-Government-Gesetz ändern.

Das größte Problem, das leider auch nicht technisch lösbar ist, ist natürlich die durchwachsene und teilweise sehr rückständige Gesetzeslage in Deutschland oder auch deren Auslegung seitens mancher Behörden. Neben den altbekannten Geschäfts- und Betriebsgeheimnissen, die so manchem Informationsbegehren unabwägbar im Weg stehen, gesellen sich auf FragDenStaat.de auch viele andere Ausnahmen und Ausreden wie die öffentliche Sicherheit, Urheberrechte oder – ganz klassisch – die Nicht-Anwendbarkeit des Gesetzes. Wir beobachten aber auch neue, sehr beunruhigende Ablehnungs-Auswüchse: ist die angefragte Information nicht exakt wie beschrieben vorhanden, kam es schon vor, dass sie abgelehnt wurde. Dies ist besonders bedenklich, da die eigentlich nach Gesetz zu veröffentlichenden Aktenpläne der Behörden meist nicht vorliegen und der Bürger somit gar nicht wissen kann, welche Art von Information genau vorhanden ist.

Durch die Öffentlichkeit der Ablehnung erfahren diese immerhin eine genauere Prüfung. Doch oftmals hilft nur sich den Informationszugang zu erklagen, was wir unseren Nutzern in Zukunft noch erleichtern wollen. Denn diese Klagen sind in vielen Fällen erfolgreich und bringen somit die Informationsfreiheit in der Praxis voran.

netzpolitik.org: Wie kommt die Plattform bei den Behörden an?

Wehrmeyer: Die Akzeptanz von FragDenStaat.de bei Behörden variiert. Einigen Behörden muss man erklären, dass der oder die AnfragestellerIn FragDenStaat.de als E-Mailanbieter gewählt hat und daher nicht noch eine andere, private E-Mailadresse oder eine Postadresse benötigt wird. Doch mittlerweile haben sich die häufiger angefragten Behörden an das Portal gewöhnt.

netzpolitik.org: Wie häufig kommt es vor, dass Bürger keine Antwort erhalten, obwohl innerhalb eines Monats eine Antwort erfolgen soll?

Wehrmeyer: Da wir bei Postantworten auf die Gewissenhaftigkeit unsere Nutzer angewiesen sind, können wir für den Bereich nur Schätzungen vornehmen. Danach erfolgen ungefähr ein Viertel aller Antworten nicht in der gesetzlichen Frist. Wir empfehlen und erinnern unsere Nutzer daran, nicht locker zu lassen, auf die Verspätung hinzuweisen und nachzufragen, bis sie eine Antwort erhalten.

netzpolitik.org: Was wollt Ihr noch an der Plattform verbessern?

Wehrmeyer: Wir wollen die vielen, befreiten Verwaltungsdokumente besser zugänglich machen. Außerdem überlegen wir uns, es Nutzern zu ermöglichen anfallende Gebühren für Anfragen über die Plattform zu crowdfunden.

netzpolitik.org: Ihr habt jetzt etwas Erfahrung mit dem IFG gesammelt. Welche Änderungswünsche habt Ihr an die Politik?

Wehrmeyer: Bisher werden immer einzelne Verbesserungen an die Informationsgesetze herangetragen. Das Beispiel des Hamburger Transparenzgesetzes hat jedoch gezeigt, dass sich die Informationspolitik grundlegend ändern lässt. Verwaltungsdokumente aus verschiedenen Kategorien müssen ohne Anfrage direkt öffentlich zugänglich gemacht werden und zwar elektronisch und möglichst maschinenlesbar. Eine Anfrage über FragDenStaat.de muss der selten nötige Spezialfall werden.

Stefan Wehrmeyer ist bei der Open Knowledge Foundation Deutschland Projektleiter von FragDenStaat.de. Er lebt als Softwareentwickler und Open-Data-Aktivist in Berlin.

6 Ergänzungen

  1. Der Vortrag war spitze. Das Projekt ist super. Nur, um es mal kurz erwähnt zu haben. Beteiligt Euch! Schaut dem Staat auf die Finger. Gerade der Vergleich mit Großbritannien, wo knapp 50.000 Anfragen von Bürgerinnen und Bürger gestellt werden, sehen wir mit unseren 6.000 doch typisch deutsch aus. Grüner Rasen lässt grüßen und so. Also, haut in die Tasten!

  2. „Danach erfolgen ungefähr ein Viertel aller Antworten nicht in der gesetzlichen Frist.“ – Gib mal deine Umsatzsteuervoranmeldung nur eine Minute nach Mitternacht am 11. des Quartals ab … zack bumm Startgeld.

  3. FrageDenStaat ? Da frage ich lieber meine Oma! Oder hat keiner gelesen was „DerStaat“ (seine Leiter) so alles fabriziert? Habe da was gelesen von Bananenrepublik…und vieles Andere!
    Komme mir vor wie ein Schaaf welches seinen Metzger etwas fragen soll!
    FrageDenStaat ? Nein danke, lieber nicht ! Wen kann man hier überhaupt befragen in diesem Lande ? Sicher nur sehr wenige! DenStaat , läßt man lieber dort wo der Pfeffer wächst!
    MfG.

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