Einführung in Open-Design

Gemeinsam mit meiner newthinking-Kollegin Andrea Goetzke hab ich für eine Publikation einen Einführungsartikel über Open-Design geschrieben.

Beispiele für den Einsatz von Creative Commons Lizenzen in Open-Design Projekten

Creative Commons Lizenzen wurden schon früh in digitalen Design-Communities verwendet, z.B. um Cliparts, Grafiken oder Bilder auf Plattformen wie Flickr.com zu teilen. Interessant sind aber die ersten Schritte hinaus in die physische Design-Welt. Unter dem Begriff „OpenDesign“ sammeln sich immer mehr Projekte, Experimente und Beispiele, wie die Open-Source-Idee in die reale Welt getragen werden kann.

Creative Commons ist eine Nichtregierungsorganisation aus den USA, die seit 2001 standardisierte Lizenztexte für urheberrechtlich geschützte Inhalte herausgibt. Das Besondere daran ist, dass diese Lizenzen mittlerweile in mehr als 50 Staaten an das jeweilige nationale Urheberrecht angepasst wurde und die Bedingungen und Freiheiten überall gelten. Im Mittelpunkt steht der Urheber, der mit diesen Lizenzen bestimmte Nutzungsfreiheiten geben kann. In einem Lizenz-Baukasten wählt der Urheber aus, ob das eigene Werk kommerziell oder nicht-kommerziell verwendet werden kann, ob man es weiterverändern (remixen) kann oder nicht und ob die Weiterveränderungen auch wieder unter die gleichen Bedingungen fallen müssen, wie es das Copyleft-Prinzip aus der Welt der Freien Software vorgibt. Einzige Bedingung bei allen sechs Creative Commons Lizenzen: Der Urheber muss immer als Quelle genannt werden. Die Freie Software mit ihren vielfältigen Lizenzen war Vorbild für die Idee der Creative Commons Lizenzen. Aus „Alle Rechte vorbehalten“ des klassichen Urheberrechts wird ein „Einige Rechte vorbehalten“. Urheber können damit ihre Werke in einen großen gemeinsamen Pool an Wissen und Kreativität übergeben, die Werke können im Optimalfall ohne Rückfrage und Zusatzvereinbarungen weiterverarbeitet werden.

Zu den Pionieren von OpenDesign zählt der Berliner Designer Ronen Kadushin. Er experimentierte schon früh mit der Veröffentlichung seiner Rohdaten unter einer nicht-kommerziellen Cretaive Commons Lizenz und schildert seine Motivation mit „Es soll Designer ermutigen miteinander Kreativität zu teilen und eine Sammlung von hochwertigen Produkten zu schaffen.“ Die CAD Dateien seiner gestalteten Objekte wie Möbel und Lampen stellt er unter einer nicht-kommerziellen CC Lizenz online zur Verfügung. Besitzer oder Nutzer eines Laser Cutters können sich unter Verwendung der digitalen Vorlage die Produkte, z.B. aus einer Stahlplatte, auslasern und in Handarbeit zum Produkt formen. Damit treffen computergesteuerte Produktionstechnologien und Handarbeit aufeinander.

Die CC-BY-NC Lizenz ermöglicht eine Nutzung der Entwürfe für die private Zwecke, wenn alle Weiterentwicklnugen auch wieder unter dieselbe Lizenz gestellt werden. Möchte man die Objekte gewerblich produzieren, muss ein Extra-Vertrag mit dem Designer geschlossen werden.

Kadushin produziert und vertreibt seine Objekte dabei auf herkömmlichem Wege. Die Veröffentlichung der Entwürfe unter CC Lizenz ist ein zusätzlicher Weg der Verbreitung. Zusammen mit anderen Designern können seine Werke auf Plattformen wie „Movisi – The inspirational furniture store“ gekauft werden. Die Rohdesigns finden sich auf seiner Webseite, aber ebenso auf Plattformen wie „flexible stream“.

Die digitale Verbreitung der Entwürfe unter einer CC Lizenz ermöglicht dezentrale Produktion und Vertrieb. So kann man Entwürfe in Ländern auffindbar machen, in die der Designer sonst weder exportiert noch für sich geworben hätte. Findet hier jemand das Design und Interesse an einer Produktion, kann er/sie zunächst mit dem Entwurf experimentieren, und dann, möglicherweise, auch eine Zusammenarbeit zur Produktion mit dem Designer vereinbaren.

Die Ideen von Open Design bringt das Berliner Label Pamoyo in die Modewelt. Das Ziel ist nachhaltig produzierte Mode nach frei lizenzierten Mustern und Designs zu schaffen. „live green, look good“ ist dabei der Slogan von Pamoyo, die mehr sein wollen als nur ein Label. „Wer gerne selber handwerklich loslegen will, kann Muster und Erläuterungen bekommen, um den eigenen Lieblings-Pamoyo-Style selbst herzustellen, z.B. indem das geliebte abgetragene T-Shirt, ohne das man nicht leben möchte, wieder zu neuem Leben erweckt wird.“, beschreibt das Label einen Teil seiner Motivation. Ziel ist der Aufbau einer Community aus Designern und allgemein stilbewussten Menschen mit Interesse an der Philosophie von Offenheit und Nachhaltigkeit.

Den Menschen hinter Pamoyo geht es bei der Verwendung von CC Lizenzen für ihre Schnittmuster u.a. um die Anerkennung und Sichtbarmachung des kreativen Prozesses, der lange vor mir als Designer anfängt und mit der Fertigstellung meines Entwurfs noch lange nicht abgeschlossen ist. Durch weitere Aktivitäten wie z.B. Kleidungs-Upcycling Events, sollen die Nutzer wieder mehr auch selbst zu Produzenten werden. Ist es die Rolle des Designers fertige Produkte zu entwerfen und zu liefern, oder eher, den Menschen in seiner ästhetischen Arbeit zu unterstützen und zu beraten und mit seinen Entwürfen zu eigener Kreativität zu inspirieren?

Pamoyo unterstützt auch die Openwear Community. Openwear ist eine Plattform, die mit neuen kollaborativen und offenen Ansätzen in Design, Produktion und Vertrieb von Mode experimentiert. Openwear hat dazu eine eigene Lizenz formuliert, die den CC Lizenzen ähnlich ist, zusätzlich aber auf die Schaffung einer offenen und kollaborativen Openwear Marke abzielt. So ist z.B. die Verpflichtung zur Veröffentlichung eines abgewandelten Entwurfs in der Openwear Community Teil dieser spezifischen Vereinbarung (siehe http://openwear.org/info/license).

Das Arduino-Projekt wird unter Designer und Künstlern immer beliebter. Die Plattform besteht aus Hard- und Software und wird als Open-Source-Projekt seit 2001 weiterentwickelt. Kernkomponenten sind ein einfacher Mikrokontroller, der mit einer recht einfachen Entwicklungsumgebung angesteuert werden kann. Während die Entwicklungsumgebung unter der GNU-GPL lizenziert wurde, ist das Hardware-Design unter der Creative Commons Sharealike-Lizenz veröffentlicht, die weitgehende Freiheiten gewährleistet und die CAD-Files können weiterentwickelt und getauscht werden.

Arduino-Produkte werden intensiv an Kunsthochschulen genutzt, um interaktive Installationen zu schaffen und auch die Hacker-Community hat das Projekt schnell angenommen und dazu beigetragen, das es über die vergangenen Jahre so erfolgreich wurde.

Aufbauend auf Arduino entwickelt das Fritzing-Projekt an der Fachhochschule Potsdam eine Software und eine Community, mit deren Hilfe Nutzer Prototypen dokumentieren, teilen und dann auch gemeinsam weiterentwickeln können. Mit Hilfe von Fritzing soll es auch möglich sein, PCB-Layouts für eine professionelle Herstellung zu schaffen; gleichzeitig dient die Plattform als mögliches Anwendungsszenario, um Elektronik anschaulich zu unterrichten.

Software und Plattformen zur Dokumentation, zum Teilen und zur kollaborativen Weiterentwicklung von Entwürfen für Objekte, Hardware und Mode, sind wichtige Werkzeuge im Open Design Prozess. Vieles ist hier noch in der Entstehung. Solche Software Tools und Plattformen sollten zum einen einen die Dokumentation eines Plans zur vollständigen Reproduzierbarkeit ermöglichen, aber auch die Erstellung abgewandelter Entwürfe erlauben, sowie auch möglicherweise die jeweiligen Autorenschaften verwalten können (welche Veränderung wurde von welchem Nutzer hinzugefügt).

Einen weiteren Ausblick auf zukünftige Trends bietet das Makerbot-Projekt.Die gleichnamige Firma produziert einen Open-Source-Rapid-prototyping-3D-Drucker. Mit diesem ist es möglich, zu erschwinglichen Preisen Kunststoffteile bis zu 10x10x15 cm herzustellen und somit Entwürfe in 3D in Kunststoff auszudrucken. Die Makerbots werden als Bausätze vertrieben (und sind übrigens auch selbst Open Design, d.h. sie werden ständig von einer Community weiterentwickelt). Rund um die 3D-DruckTechnologie hat siche eine große Community gebildet, die ihre Designs austauschen und die Technologie weiterentwickeln. Die zum Unternehmen dazu gehörige Plattform Thingiverse bietet Nutzern die Möglichkeit, ihre Dokumentationen und Rohdaten zu publizieren und diese gemeinsam weiter zu entwickeln.

Die Entwürfe auf der Thingiverse Plattformen stehen unter CC Lizenzen. Hier wird mit den neuen Möglichkeiten des 3D Drucks experimentiert und die Erstellung von abgewandelten und technisch verbesserten Arbeiten oftmals eindeutig erwünscht. Je mehr Personen sich mit einem Entwurf beschäftigen und probieren wie man ein Objekt technisch besser herstellen kann, umso ausgereifter kann eine Druckvorlage letztendlich werden. Gleich auf der Startseite gibt es hier z.B. die Kategorie „Newest Derivatives“.

Ein anschauliches Beispiel, welches CC Lizenzen für Open Design in der Praxis anwendet kommt von einem kleinen Unternehmen aus Indien. The Daily Dump bietet Kompostier-Behälter aus Terracotta an, sowie umfängliche Info-Materialien zum Thema Kompostierung. Das gesamte Geschäftsmodell, Entwürfe der Töpfe, Info-Materialien, als auch Material im Geschäftsprozess wie Schürzen etc. ist unter CC Lizenz offen im Netz verfügbar. Interessenten können mit den Materialen experimentieren; bei der Eröffnung eines eigenen Geschäfts und offizieller Geschäftsbeziehung soll dann ein Vertrag mit dem Mutterunternehmen gemacht werden.

Wenn die Unternehmung damit Erfolg hat, dann kann sie wesentlich mehr bewirken, als ein kleines einzelndes Kompostiergeschäft. Sie
* ermöglicht eine ständige Verbesserung der Töpfe und Materialien – und damit der Arbeitsgrundlage für alle Beteiligten;
* gibt vielen Menschen eine Idee im Kompostier-Business zu arbeiten;
* bekämpft das Müllproblem in Indien auf wesentlich breiterer Basis.
Und trotzdem wird sie immer noch genügend Arbeit auf lokaler Ebene haben.

Aber auch in andere Communities dringt der OpenDesign-Gedanke immer weiter vor. OpenDrawCommunity möchte einen gemeinsamen Pool zur Erstellung von Modellbahn-Ätzvorlagen schaffen, die zur privaten Nutzung unter einer Creative Commons Lizenz zur Verfügung gestellt werden können.

Anders als bei Open Source Software, an der jeder mit einem Rechner zu Hause arbeiten kann, erfordert die Produktion von Design Objekten immer Material und vielfach spezifische Werkzeuge, von Lötkolben und Nähmaschine bis zu Laser Cutter und 3D Drucker. Mit der Open Design Bewegung sind somit in den letzten Jahren auch Orte entstanden, an denen Werkzeuge gemeinschaftlich genutzt werden können. In vielen Ländern der Welt gibt es mittlerweile so genannte Fab Labs, die Werkzeuge zur Produktion von Open Design Objekten zugänglich machen. Ein Beispiel ist Open Design City in Berlin.

Die Beispiele zeigen, dass CC Lizenzen aus verschiedenen Motivationen heraus und in ganz verschiedenen Einsatzfeldern im Bereich des Designs physischer Objekte verwendet werden. Die einen teilen ihre Entwürfe zusätzlich zur herkömmlichen lokalen Produktion, als Inspiration für andere, zur eigenen Promotion, um vielleicht neue Kontakte darüber zu knüpfen etc. (wie im Fall von Ronen Kadushin oder dem Pamoyo Modelabel). Andere streben gezielt eine Verbesserung eines Entwurfs durch kollaboratives Arbeiten an, wie im Fall vieler 3D Print Designer oder Arduino Hacker. Grundlegend kollaborativ angelegte Design Projekte, wozu man vielleicht den Maker Bot zählen könnte, sind noch nicht so verbreitet.

Noch sieht man erste Schritte und die Pioniere erzielen zusätzliche Aufmerksamkeit durch einen kleinen übersichtlichen Markt. Aber für immer mehr junge Designer wird die Philosophie hinter OpenDesign, das Teilen und Zusammenarbeiten, eine Selbstverständlichkeit sein. OpenDesign ist gekommen um zu bleiben.

7 Ergänzungen

  1. Nehmen wir mal ein Design unter CC BY-NC-SA. Das wird jetzt von drei anderen Künstlern verbessert, ist also wieder unter dieser Lizenz. Das Ergebnis ist so toll, dass man das massenfertigen müsste/könnte, aber wie bekommt man jetzt eine kommerzielle Lizenz? Alle Künstler einzeln fragen klingt aussichtslos. Wir haben jetzt also super Designs und keiner darf sie in großen Mengen günstig fertigen und verkaufen.

    Ich hoffe mal in diesem Gedankengang liegt noch ein Fehler, denn sonst ist das ganze ziemlich sinnlos.

    Helmut

  2. @Helmut: Die CC-Lizenzen regeln nur die Verbreitung der Informationen (also des Designs), nicht aber die Verwendung (also eine mögliche Produktion). Jeder darf also das Design nehmen und produzieren. *Das* wird dann tatsächlich als Problem empfunden. Technische Anwendungen fallen unters Patentrecht. Ich glaube also, dass die Aussage in dem Artikel »Möchte man die Objekte gewerblich produzieren, muss ein Extra-Vertrag mit dem Designer geschlossen werden« so nicht stimmt. Das ist nice-to-have, bei nicht rechtlich durchsetzbar.

    Arduino zum Beispiel setzt schlicht darauf, dass sie die Board-Fertigung am besten können. Aber es gibt auch andere Fertiger (z.B. in China).

    Mehr zu dieser recht komplizierten Materie hier (am Beispiel von Hardware): http://www.keimform.de/2009/copyleft-fuer-hardware/

    1. @StefanMz: Danke für die Aufklärung.

      Den Link kann ich weiteren Lesern sehr empfehlen. Für die Praxis sollte man also im Hinterkopf behalten, dass eine Veröffentlichung von Hardwaredesigns (im verallgemeinerten Sinne) also immer dem Lizensieren unter einer BSD-ähnlichen Lizenz bedeutet. Dies wirft wieder eine Frage nach Praktikabilität auf, allerdings dies mal für den Designer, denn er verliert im Wesentlichen alle Rechte.

      (Der keimform Link hat auch eine Kommentarfunktion und die englische Version hat deutlich mehr Kommentare.)

  3. CC und andere Modelle setzen auch darauf, dass Menschen fair miteinander umgehen und die Designer/Künstler an einem möglichen kommerziellen Erfolg beteiligt werden.

    Denjenigen, die sich unfaire Vorteile erschnorren und mit fremden Federn schmücken wollen sind Lizenzen und rechtliche Bestimmungen eh egal, nüchtern betrachtet.

Dieser Artikel ist älter als ein Jahr, daher sind die Ergänzungen geschlossen.