Das Institut für Medien- und Kommunikationspolitik hat mich gestern zu einer Podiumsdiskussion über das geplante Leistungsschutzrecht für Verlage eingeladen. Mit mir diskutierten unter der Moderation von Lutz Hachmeister vom lfM noch Matthias Spielkamp von iRights.info und Christoph Keese, der Konzerngeschäftsführer „Public Affairs“ bei Axel Springer. Die Diskussion wurde von Carta.info aufgezeichnet und kann hier angeschaut werden.
Nach der Diskussion bin ich kaum schlauer als vorher, was genau ein Leistungsschutzrecht für Verlage bringen soll. Aus Sicht der Verlage scheint das alles sehr einfach zu sein: Durch ein weiteres geistiges Monopolrecht möchte man mehr Geld verdienen und damit die Demokratie retten. Allerdings ist es immer noch ungeklärt, was denn ein solches Leistungsschutzrecht überhaupt bringen soll.
In der öffentlichen Debatte kommt immer sofort Google ins Spiel. Der US-Konzern hat ein erfolgreiches Geschäftsmodell und verdient vor allem durch Werbung – eine Einnahmequelle, die bisher vor allem den Verlegern in ihren traditionellen Geschäftsmodellen zu Gute kam.
Durch Dienste wie Google-News kommen Leser auf die Online-Angebote der Verlagshäuser. An dieser Aggregationsleistung wollen Verleger auch Geld mitverdienen. Die Kommunikationspolitik von Seiten der Verleger zur Einführung eines Leistungsschutzrechts ist aber ziemlich diffus. Christoph Keese erklärte in der Verlagsrunde, dass es nicht um Google gehen würde und brachte anschauliche Beispiele aus der Praxis, dass man zum Beispiel Zahnarztpraxen (kein Scherz!) im Auge habe, die mit Verlagsartikeln ihre Webseiten aufhübschen würden und bisher könnte man das wirtschaftlich kaum abrechnen.
Auch müsse man stärker gegen weitere kommerzielle Urheberrechtsverletzungen vorgehen und das derzeitige Urheberrecht würde dafür nicht ausreichen. Eine starke Behauptung. Man stellt sich dann als Blogger vor, was passieren würde, wenn man die Inhalte von Bild.de einfach in seinem Blog spiegelt: Das Bild des ohne Leistungsschutzrecht hilflosen Axel Springer Konzerns in einem solchen Fall kommt einem doch etwas surreal vor bei den derzeitigen Abmahnpraktiken.
Vollkommen ins schwanken kam der Chef-Lobbyist von Axel Springer bei der Frage aus dem Publikum, ob man denn Links irgendwie „besteuern“ wolle. Dies hatte Keese vorher noch bestritten. Bei der expliziten Frage, was denn mit Links zu Angeboten der Verlage sei, die man auf der Arbeit per Mail oder Instant-Messanger seinen Kollegen zuschicken würde, konnte oder wollte er nicht antworten. Und entlarvte dabei etwas unfreiwillig, dass es anscheinend doch in diese Richtung gehen soll. Immerhin wurde mehrfach aus dem Publikum die Frage wiederholt und jedes Mal gab es darauf weder ein Ja noch ein Nein.
Und worum geht’s jetzt?
Die Verleger wollen eine Art GEMA für ihre Presseerzeugnisse haben, was aber auch schon die VG-Wort macht. Aber dort müsste man mit den Urhebern teilen. Dazu wünscht man sich eine 1-Click Lösung in den Suchmaschinen eingebaut, so dass man bei einem Klick auf Suchmaschinenergebnisse automatisch einen bestimmten Betrag bezahlen soll. Da staunt man, wie das technisch zu bewerkstelligen sein soll und fragt sich immer noch, was ein Leistungsschutzrecht dazu bringen soll. Kann man gerne versuchen und auch die Paid Content Strategien von vielen Verlagen kann man nur begrüßen, und ihnen Glück wünschen. Vielleicht bringen sie ja tatsächlich die gewünschte Rettung und vielleicht bekommen die Journalisten von den Erlösen auch etwas mehr ab als derzeit, wo die Verlage nur Total-Buyout-Verträge und wenig Geld anbieten.
Und wenn traditionelle Medienmarken ihre Inhalte verschließen und an den Toren Geld nehmen haben neue Angebote wie Blogs bessere Chancen, sich auf dem Markt mit neuen Geschäftsmodellen und einem offenen Zugang zu positionieren.
Ich bin mit einem diffusen Bild eines möglichen Leistungsschutzrechts in die Diskussion gegangen und mit demselben Bild wieder rausgekommen. Einen Sinn für die Interessen der Allgemeinheit sehe ich immer noch nicht. Und der sollte offensichtlich sein, wenn man durch ein neues geistiges Monopolrecht die Interessen Aller beschneidet.
Wer sich noch weiter zum Thema Leistungsschutzrecht informieren möchte:
iRights.info hat ein Bundestag-Gutachten zum Leistungsschutzrecht veröffentlicht. Beim Perlentaucher berichtet Ilja Braun über ein anderes Gutachten zum selben Thema: Schutzlos ausgeliefert im Internet? Matthias Spielkamp hat in der Zeitschrift „Message“ über „Die Lobbyisten der Unfreiheit“ geschrieben und Till Kreutzer hat aus juristischer Sicht ein mögliches Leistungsschutzrecht beschrieben: Faszination des Mystischen.
Mein Tag ist gerettet, hab selten so gelacht. ;)
Steuern + Vergütungen für Links die im Browser verschickt werden.
Oha, da verlieren die Verlage ja jetzt haufenweise Geld, wo wir doch Nachrichten total kostenlos lesen im Internet. All der hochqualitative Journalismus.
Hey, wieso macht ihr nicht einfach die Webseiten dicht? Oder sperrt einfach alle Nutzer aus, das wäre doch das einfachste. Wer die Nachrichten lesen will muss sich anmelden + bezahlen. Gibts in diversen Foren schon, hab ich mal gehört. Man kann bestimmte Beiträge/Texte/Nachrichten nur sehen wenn man angemeldet ist.
Wie würde dann eigentlich Google der Zukunft aussehen?
Suche: Nachrichten
Ergebnisse:
Nachrichten 1 (kostenlos)
Nachrichten 2 (kostenlos)
Nachrichten 3 (Hinweis: Wenn sie hier klicken wird dank Bürger-ePass direkt 1€ von Ihrem Konto abgebucht, da diese Nachrichten urheberrechtlich geschützt sind.)
Ja, das hat bestimmt Zukunft.
Das gleiche im Messenger.
Wirklich faszinierend in was für Traumwelten einige Menschen leben.
Ich will die eierlegende Wollmichsau kaufen, aber ihr müsst mir dann noch Geld dazu geben, damit ich sie annehme.
das mag zwar alles unnütz sein, verursacht aber wenigstens kaum Kollateralschäden. sehe ich das richtig?
Kommerzielle Angebote werden sich im Internet nicht halten können weil niemand bezahlt oder auch nur steuerfrei dafür Werbung machen darf.
also werden die betroffenen Websites einfach dicht gemacht oder unter offenen Lizenzen weiter geführt.
Es ist schon entlarvend, dass anstelle von einem Leistungsschutzrecht für Urheber meist von ein einem Leistungsschutzrecht für Verleger die Rede ist. Sonst könnte ja auch jeder Blogger und der verlagsunabhängige Journalismus anstelle des verlagseigenen „Qualitätsjournalismus“ davon profitieren. Solange es mehr „Ausdrucker“ im Bundestag als Web-Affine gibt, sollte man das Ganze aber nicht als unrealistischen Spaß mißverstehen.
@markus: Du schreibst „so dass man bei einem Klick auf Suchmaschinenergebnisse automatisch einen bestimmten Betrag bezahlen soll.“ – Wer ist damit gemeint? Soll also der einzelne User wirklich via Micropayment für jeden Click bezahlen oder Google & Co. dazu verdonnert werden, diese Beiträge abzuführen?
@Steve Gates: Nach Vorstellung von Springer ist die 1-Click Bezahlmöglichkeit sofort in den Google-Suchene ingebaut. Da steht dann hinter einer Suchanfrage wohl ein Preis von X Euro. Man möchte das mit Metadaten hinbekommen und Google soll wohl für das Micropayment bezahlen. Ist nicht meine Idee.
Ach, das ist alles ganz einfach:
Die Telekom bekommt ihr Monopol zurück entwickelt einen eigenen Browser, der Webseiten aus dem echten WWW als TIF-Datei auf die Computer der Bürger spiegelt. Alle anderen Browser sind dank DPI gesperrt. Abgerechnet wird das alles über den elektronischen Personalausweis und die Bürger-Mail auch von der Telekom
@ 3/Steve Gates:
Ja, ich denke das mit dem Klick war so gemeint.
Entweder mit oder ohne Hinweis.
Aber ich denke nicht das Google und Co (gibt ja noch andere Suchmaschinen, aber wahrscheinlich dürfen die alles machen wie bisher und sind ausgenommen) das mitmachen würden.
Man kann die Nutzer schlecht dazu zwingen. Wenn Google Geld verlangen würde, dafür das man die Suche nutzt, dann würden die Nutzer ganz schnell auf Alternativen ausweichen.
Und wenn Google wirklich so böse ist: Dann sollen die ganzen Hochqualitätsverlage einfach Google von ihren Seiten aussperren, oder die Seiten so umstellen das man sich anmelden muss, wie in Foren. Anmeldung kostet dann halt. Problem gelöst. Aber ich nehme an das wäre zu einfach und zu offensichtlich.
Habe die Diskussion gesehen. Herr Keese hat sich da ja kräftig blamiert. Diese 1-Klick Lösungen sind so komplett unpraktikabel, weil sie nicht umzusetzen sind, und Tür und Tor für Internetkriminalität sind. Die Online Medien müssen einfach verstehen, dass es im Internet eine Sache nicht mehr gibt: Informationsverknappung. Das Gut Information ist im Überfluss vorhanden und nur ein paar Klicks voneinander entfernt. ich kann es nicht mehr hören, wenn sich Verleger über die Gratismentalität beschweren. Sie haben schließlich angefangen Gratisinformationen und Artikel Ihrer Printausgaben gratis ins Netz zu stellen. Niemand hat sie dazu gezungen. Jetzt haben sich User daran gewöhnt. Information ist kein knappes Gut mehr, und es gibt auch keine Medienkrise, die irgendwelche Verleger und Journalisten aus dem Printzeitalter schützen muss. Newsportale konkurrieren eben nicht mehr mit ihrer direkten Konkurrenz, sondern auch mit Bloggern, Twitter, Ausländischen Medien. Die Medien sind in einem Strukturwandel, nicht in einer Krise, und es gibt im Printbereich auch Gewinner,wie z.B. die Zeit. Sowas lesen die Leser immer noch lieber auf einem Papier, als online.
> so dass man bei einem Klick auf
> Suchmaschinenergebnisse automatisch
> einen bestimmten Betrag bezahlen soll.
Ich stelle mir gerade vor, daß ich sofort bezahlen müsste, wenn ich an einem Kiosk mal ein Magazin durchblättere.
Ideen haben die…
Amen.
Hey, toll, das Geschäftsmodell „Nachrichten von gestern auf totem Baum“ funktioniert nicht mehr. Nachrichten online nur mittels Werbung zu finanzieren auch nicht. Für Bezahlen im Web hat man bisher keine einfache Lösung und will dazu meist auch mehr Zaster für nen paar Artikel haben als das Stück toter Baum sonst insgesamt kostet. Obwohl durch die zwangsläufig anfallende Profil-Info bei der online-Bezahlung sogar gezieltere Werbung, als auf totem Baum jemals denkbar, möglich ist.
Da deshalb das Geschäftsmodell wegbricht und dem Management nix einfällt, fordert man nichts anderes als die Subventionierung einer kompletten Branche per Zwangsabgabe. Natürlich nur die Unternehmen, nicht die Arbeitnehmer.
Klar liegt die Hürde, für einen Artikel online Geld vom Kunden zu bekommen, sehr hoch. Da aber momentan grösstenteils der Eindruck entsteht, es werden eh meist nur Ticker-Meldungen aufgehübscht oder PR-Meldungen nachgeplappert, bleibt der Geldbeutel verschlossen. Copy & Paste (aus PR-Meldungen und öffentlichen Quellen) ist keine journalistische Leistung. Das kann nun wirklich jeder Blogger von seinem Schreibtisch aus erledigen. Wie wäre es mal mit Meldungen und Hintergründen, bei denen dies halt nicht geht?
Doch das Management vieler Verlage hat entschieden, dass aufwendige Recherchen zu teuer sind. Als Konsequenz sind die gelieferten Nachrichten dem Bürger nichts mehr wert. Weshalb sollte die gelieferte Arbeit dann dem Staate wertvoll genug für eine Zwangserhaltung mit Steuergeldern sein?
Nüchtern betrachtet gibt es nur zwei Möglichkeiten:
1. Die Grundstruktur des Netzes bleibt wie sie ist. Dann wird das Vorhaben der Verlegerlobbyisten im Bundestag keinen Erfolg haben, ob vorm BVerfG oder EuGH; spätestens in der Praxis wird es scheitern.
2. Wie Astalavista (#6) ganz richtig sagt, stellt das Netz das Gut Information im Überfluss bereit. Man wird dieses Gut künstlich verknappen müssen, damit es im Preis steigt. Das Internet, wie wir es heute kennen, wird abgestellt.
Wobei wir dann ganz schnell bei Themen wie aufgehobene Netzneutralität, Zensursperren und Abschalten von Netzzugängen sind.
Man kann Lesen nicht besteuern. Genauso gut könnte man eine globale Sonnenscheinsteuer oder eine Atemluftsteuer einführen wollen. Irgendwie muss ich an ACTA denken. (sorry markus ;)
Ich wär so gern ein Huhn,
ich hätt‘ nicht viel zu tun – Stop mal!, nee:
Ich wär so gern Verleger,
das macht‘ mich auch nicht reger,
ich spielt‘ mich auf und dann zum Schluss
bezahlt‘ mich der Fiskus!
Ja, das Thema ist vielschichtig, und es gibt/gäbe viel zu analysieren: Informations- und Kommunikationsweisen, die sich verändern, ein Werbemarkt, der zusammenbricht oder in dem ein grosser Umbruch von statten geht, etc. pp..
Da muss viel Differenziertes und Kluges zu gesagt und geschrieben werden (oder ist es bereits)
Über die Verleger aber kann man nur sagen:
Mehr als zehn Jahre lang haben sie alles falsch gemacht, was man falsch machen kann.
Gutes Management hat eben nicht nur mit Kostenreduktion und Firmenkäufen zu tun. Und jetzt mit „Systemisch“-Gezeter nach dem Staat zu rufen, ist dann allemal ein Armutszeugnis.
Vor meinem inneren Auge lief die Beauftragung des Lobbyisten so aus:
Wir (Verlag) brauchen Knete. Geh raus und argumentiere. Welche plausiblen Gründe? Dafür wirst du bezahlt, nu mach mal. — Wenig Chancen? Wir lassen dich nicht im Regen stehen — als flankierende Maßnahme stehen irgendwo ein paar schwarze Koffer rum, keine Sorge.
Mal von einer anderen Seite aus was zu den Leistungsschutzrechten
Ist Euch schon mal aufgefallen, dass nur noch von Google, den großen Verlagen und der GEMA die Rede ist … die eigentlichen Urheber (Musiker, Autoren, Fotografen und Künstler jeder Art) werden in dieser Auseinandersetzung von allen über den Tisch gezogen. Es muss ein gerechtes System erkämpft werden, das z. B. alle Musiker korrekt behandelt, ohne dass Verlage und Medienkonzerne (Danke Steve, dass du, um Deine iPhones zu promoten, Songs unter Einkaufspreis verkaufst)eine kapitalistische Diktatur bzw. Oligarchie ausüben können!
Die Leistungsschutzrechtsabrechnung für Musiker ist für mich übrigens total unverständlich … habe aber schon begriffen, dass nur die goßen Acts bei GVL und GEMA verdienen.
Bei einer GEMA für Presseerzeugnisse wird es halt auch zur Umverteilung von unten nach oben führen.
Leon Hardy