Wahlkampf mit SPAM

Diesen Artikel hatte ich ursprünglich für „Lautgeben – Politik im Hier und Netz“ geschrieben, aber da er hier thematisch passt, spiegel ich ihn mal:

Die CSU hat heute ein 100h SPAM-Versendeprogramm angekündigt. Mehr als 300.000 Mails sollen in den kommenden Tagen verschickt werden – umstritten ist allerdings, ob die Empfänger dafür eingewilligt haben. CSU-Generalsekretär Markus Söder ist der Meinung, dass dies legal ist, da die Adressen aus öffentlich zugänglichen Verzeichnissen stammen würden: „Wer da drinsteht, hat akzeptiert, dass er auch Werbung bekommt.“.

Der Heise-Verlag verweist auf ein Urteil des Amtsgericht Rostock, welches im Jahre 2003 entschieden hat, dass unerwünschte digitale Wahlwerbung unzulässig sei. Damals ging es um E-Cards und dieses Urteil hat die bei vielen Bürgern beliebte Praxis der e-Card-Versendung auf politischen Seiten verändert.

Nicht jeder freut sich darauf, dass SPAM-Werbemails der CSU die nächsten Tage in vielen Mailboxen landen werden. Dementsprechen gross war der Protest im offiziellen CSU-Blog blog4berlin, wo die Aktion heute angekündigt wurde. Bis vor zwei Stunden gab es mehr als 110 zumeist erboste Kommentare zu diesem Beitrag. Nur sehr wenige freuten sich über diese „innovative“ Wahlkampfmassnahme. Dann war das Blog allerdings weg, bis es vor wenigen Minuten wieder online ging. ZDNET berichtet über massive Proteste gegen die Aktion.

Interessant ist bei dieser angekündigten SPAM-Aktion die eigene Position der CDU/CSU-Fraktion im Bundestag. Martina Krogmann, medienpolitische Sprecherin der Fraktion, brachte diese in einer Rede zur Änderung des Teledienstegesetzes am 17. Februar 2005 auf den Punkt:

… Die wahrscheinlich gefährlichste Folge aber ist der Verlust des Vertrauens der Nutzer in das Medium. Es besteht die Gefahr, dass E-Mails nur noch als Verbreiter obskurer Angebote, als Werbung für angeblich erotische Produkte und Dienstleistungen oder als Plattform für die Anbahnung betrügerischer Geschäfte wahrgenommen werden….

Um die Rede, welche noch mehr interessante Argumente gegen SPAM liefert, dann mit folgenden Worten abzuschliessen:

Die CDU/CSU-Bundestagsfraktion wird weiterhin konstruktiv die Bekämpfung von Spam voranbringen – für eine zukunftsfähige Informationsgesellschaft!

Wie dieses Bekenntnis mit der CSU-Aktion in Einklang gebracht werden soll, ist mir gerade unklar. Leider schweigt sich das CDU/CSU Wahlprogramm zum Thema SPAM aus, andere Parteien haben explizit dazu Stellung genommen. Immerhin ist dies ein Thema des digitalen Verbraucherschutzes, welches fast alle Bürger, die im Netz unterwegs sind, tangiert.

Über den Einsatz von SPAM-Mails im Bundestagwahlkampf hatte erst vor wenigen Tagen der Heise-Ticker berichtet:

Lycos Europe hat derweil die Wahlkämpfer selbst beim Spammen ertappt: „Offensichtlich setzen die großen Parteien wenige Tage vor der Wahl verstärkt auf das Medium E-Mail, um potenzielle Wähler auch auf diesem Wege zu mobilisieren“, gab eine Sprecherin des Providers bekannt. Laut Stichproben jeweils vor drei Wochen und eine Stunde nach dem TV-Duell am vergangenen Sonntag sei die Menge unerwünschter politischer Werbe-Mails um 540 Prozent gestiegen. Die Top-5-Versender von Polit-Spam waren die SPD (47 Prozent), die CDU (29 Prozent), die FDP (16 Prozent) und die Linkspartei (5 Prozent). Die Grünen bildeten mit 2 Prozent das Schlusslicht.

Die CSU taucht hier nicht auf, und wurde wahrscheinlich unter die grosse Schwester CDU subsummiert. Vielleicht ist die Vorreiterrolle der SPD ein zusätzlicher Anreiz gewesen, mit einer konzentrierten Aktion doch noch den SPAM-Thron zu besteigen?

Eine Frage ist bei mir gerade noch offen: Was ist genau mit „öffentlich zugänglichen Verzeichnissen“ gemeint? Vielleicht kann einer unserer Leser mir diese Frage beantworten.

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4 Ergänzungen

  1. Heute vom GRÜNEN Pressedienst verschickt:

    Nr. 208/05
    Datum: 14. September 2005

    Schwarzer SPAM
    ————————–

    Zur von der CSU angekündigten SPAM-Welle erklärt Katja Husen, Mitglied im Bundesvorstand von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN:

    „Die CDU/CSU hat unlängst das ,Anti-SPAM-Gesetz‘ der Bundesregierung als ,zu kurz greifend‘ bezeichnet. Jetzt will CSU-Generalsekretär
    Söder 300.000 Werbe-eMails an bundesdeutsche Haushalte verschicken. Wir fordern Markus Söder auf, eindeutig klarzustellen, woher die
    Adressen stammen. Sein Erklärungsversuch, sie stammten aus ,öffentlich zugänglichen Verzeichnissen‘, ist unglaubwürdig.

    Dass Markus Söder die Brisanz des Themas bewusst ist, zeigt sich am Löschen von kritischen Kommentaren zum Thema im CSU-Blog. Allen
    EmpfängerInnen von CSU-SPAM empfehlen wir, sich persönlich an Markus Söder zu wenden und um Aufklärung bezüglich der Versendung zu bitten.
    Das Verbraucherministerium schließen wollen und gleichzeitig die Geschäftspraktiken windiger Geschäftsleute im Internet zu übernehmen –
    das geht nicht. Effektiven digitalen Verbraucherschutz gibt es nur mit starken GRÜNEN.“

Dieser Artikel ist älter als ein Jahr, daher sind die Ergänzungen geschlossen.