Über China, Phishing, den CCC und Nutzwerk

Ganz verwundert habe ich mir heute morgen die Augen gerieben, als ich durch Zufall über einen Artikel der Leipziger Volkszeitung gestolpert bin: Online-Angriffe aus China. Thema des Artikels ist eigentlich Phishing, aber auch Nutzwerk (bekannt durch Filtersoftware und Klagen gegen den FFII) kommt prominent darin vor, der Chaos Computer Club und die Chinesische Regierung.

Aber mal von vorne. Dass Phishing ein Problem ist, dürfte ja allgemein bekannt sein. Schon in der Einleitung wird deutlich: „Neue Spuren deuten darauf hin, dass die digitalen Attacken aus China kommen.“ Dann werden die Schäden aufgezählt,welche durch Phishing in Sachsen entstanden sind (Nur drei Fälle – dachte eigentlich, das sei ein grösseres Problem), ein Sprecher der Dresdner Bank wird zitiert und dann startet die Schleichwerbung für Nutzwerk. Der nächste Abschnitt ist jedoch wieder so konfus, dass ich ihn mal quoten muss:

Doch Nutzwerk hat sich nicht nur der Prävention verschrieben, sondern auch der Verfolgung der Täter. „Wir sind zwei Fällen nachgegangen, in denen Kunden der Sparkasse und der Dresdner Bank angeschrieben wurden.“ Die digitale Spur führte in beiden Fällen nach China. Die dortige Regierung nimmt großen Einfluss auf die Internetarchitektur ihres Landes. Bereits Anfang des Jahres deckte der Chaos Computer Club Zensursysteme jenseits der virtuellen Chinesischen Mauer auf. Die Leipziger Ermittler hatten die Phisher bisher in Osteuropa vermutet: „Aber das kann man technisch leicht manipulieren“, so Thomas.

Verwundert reibe ich mir die Augen, welche Zensursysteme der CCC Anfang des Jahres in China aufgedeckt hat. Klar gibt es in China massiv Zensur, aber das weiß man schon seit längerer Zeit, nicht erst seit Anfang des Jahres und zu dem Zeitpunkt hat der CCC auch nichts in diese Richtung aufgedeckt, vielleicht mal drauf hingewiesen. Allerdings hat dieses Thema hier und jetzt in diesem Artikel nichts zu tun, sondern es klingt eher, als ob der Name CCC mal schnell herangezogen werden müsste. Andererseits suggeriert dieser Absatz, dass China durch seine grosse Zensurtechnologie jetzt auch noch als Staat im Organisierten Verbrechen mitspielt, um die westliche Welt durch Phishing-Attacken auszunehmen.

Einerseits wird argumentiert, digitale Spuren seien leicht zu manipulieren, dann wiederum vermutet man die Phisher in Osteuropa, aber es ist dann ganz klar, dass diese aus China kommen müssen, weil (nächster Absatz):

Nutzwerks Recherchen indes rücken die Rolle der Volksrepublik in ein neues Licht. „Wir sind sicher, dass die Regierung den Versand von Spam und damit auch von Phishing-Mails deckt“, meint Holzer, bei dessen Untersuchungen unter anderem Sinopec, Asiens größte Ölraffinerie, auftauchte. Diese sei zu 55 Prozent in staatlicher Hand. Eine Mitwirkung bei der Aussendung von Massenmails liege nahe. „Inwiefern Sinopec wirklich verwickelt ist, konnten wir nicht zweifelsfrei herausfinden.“

SPAM aus China ist ein grosses Problem, aber diese Argumentation ist genauso komisch, wie wenn man die US-Regierung bezichtigen würde, Phishing-Mails und SPAM zu decken. Zuerst ist man „sicher“, nur drei Zeilen später können sie es „nicht zweifelsfrei herausfinden.“ Ja, was denn jetzt?

Hier wird einfach mal für eine Regionalzeitung alles zusammengeworfen, was gerade aktuell ist, die Angst vor Phishing, Zensur, China und die grosse Rettung aus Leipzig, die Firma Nutzwerk.

Echt komische Story, klingt eher nach einem eingekauften PR-Artikel, Schleichwerbung oder sonstwas. Aber nicht wie ein gut recherchierter Artikel mit einer vernünftigen Argumentation. Dabei haben gleich zwei „Journalisten“ diesen zusammen geschrieben.

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