EU-Kommission legt Entwurf der Vorratsdatenspecherungs-Richtlinien vor

Huete ist mal wieder Tag der Vorratsdatenspeicherung. Die EU-Kommission hat sich auf einen offiziellen Richtlinienentwurf geeinigt und diesen heute präsentiert.

Heise geht, wie immer, recht ausführlich auf die Thematik ein: EU-Kommission legt Entwurf zur Speicherung von Telefon- und Internetdaten vor

Ansonsten umfassen die zwei Seiten langen Anforderungswünsche nach wie vor sämtliche Daten, welche die Quelle, das Ziel, die Art und im Mobilfunk den Ort einer Kommunikation bestimmen. Dies können etwa dynamische oder feste IP-Adressen sein, aber auch nähere Angaben zu verschickten SMS. Dabei würden auch die Kommunikationsinhalte erfasst, die laut des Papiers eigentlich nicht gespeichert werden sollen. Bei den zu identifizierenden Kommunikationsgeräten liegen die Interessen nicht nur bei IMSI- und IMEI-Nummern von Handys, sondern auch bei den MAC-Adressen von Netzwerkkarten in Computern. Insgesamt könnten die Daten bei entsprechender Auswertung ein komplettes Profil der elektronischen Kommunikationsnetzwerke eines Nutzers ergeben und somit auch einen begehrten Angriffspunkt für Cybergangster bilden.


Golem zitiert Thilo Weichert
, den Leiter des unabhängigen Landeszentrums für Datenschutz Schleswig-Holstein:

„Die umfassende Verbindungsdatenerfassung ist ebenso wie die längerfristige Speicherung dieser Daten nach deutschem Recht verfassungswidrig. Es würde sich um eine Rundumüberwachung ins Blaue hinein handeln. Diese kann nicht damit gerechtfertigt werden, dass im Glücksfall hierdurch vielleicht einmal ein Terroranschlag aufgeklärt werden kann. Selbst das Ziel der Bekämpfung schrecklicher Verbrechen kann es nicht rechtfertigen, das Kommunikationsverhalten der europäischen Bevölkerung zu 100 Prozent elektronisch zu erfassen und zur Rasterung bereit zu halten.“

Die Futurezone weiss über noch weitergehende Pläne zu berichten: Parallel-Duell um Datenspeicherpflicht

Manch anderen Staaten geht der Ratsentwurf – der vom Ansatz her im Widerspruch zur EU–Richtlinie zum Datenschutz und zu bestehenden nationalen Datenschutzgesetzen steht – noch nicht weit genug.

Neben Verkehrsdaten von E-Mail – wer hat wann wem eine Mail geschickt bzw. eine erhalten – und VoIP-Telefonaten verlangt eine nordische Allianz von Dänemark, Schweden, Litauen und Estland sowie Belgien auch die Speicherpflicht von Web-Logfiles, Chat, FTP-Übertragungen und Peer-to-Peer-Verbindungen.

Und auchd ie Deutsche Welle berichtet heute: Heißt Daten speichern Terroristen fassen?

Der Europa-Abgeordnete Alexander Alvaro sieht das Papier der Kommssion mit gemischten Gefühlen. Auf Anfrage von DW-WORLD erklärte der FDP-Politiker und Berichterstatter des Parlaments zur Datenspeicherung im Vorfeld der Entscheidung, dass die Kommission noch mehr Daten speichern wolle als im ursprünglichen Vorschlag der britischen Ratspräsidentschaft vorgesehen. Er bemängelte darüber hinaus die Schaffung eines neuen Expertengremiums bei der Europäischen Kommission, das entscheiden soll, ob künftig mehr oder weniger Daten gespeichert werden: Es unterliege keinerlei parlamentarischer Kontrolle. Der Kommissionsvorschlag enthalte aber auch einige positive Punkte. Erstmalig werde festgelegt, dass die Wirtschaft eventuelle Mehrkosten erstattet bekomme, auch wenn die Regelung den Mitgliedstaaten überlassen werde. Zudem wolle die Kommission eine regelmäßige Evaluierung durchführen, ob die Erfassung der Daten nützlich sei.

Lustig ist die Tagesschau: Die liefert gleich ein paar skurriler Argumente mit, weshalb wir jetzt die komplette Überwachung brauchen: Telefon- und E-Mail-Daten sollen gespeichert werden

Die EU-Kommission in Büssel hat einen Gesetzentwurf zur höchst umstrittenen Speicherung aller Telefon- und E-Mail-Verbindungen beschlossen. Die Daten sollen der besseren Terror-Bekämpfung dienen. Jugendliche sollen vor Radikalisierung geschützt, Hasspropaganda über Internet oder Satellit verhindert werden. „Wir können nicht erlauben, dass junge Leute im Fernsehen Aufrufe zum Hass sehen“, sagte Justizkommissar Franco Frattini. Zugleich betonte er, dass die Meinungsfreiheit aber nicht eingeschränkt werden solle.

Kann es sein, dass die Herren und Damen in ihrem Übereifer, die Welt vor dem Bösen zu retten, ein klein wenig durchdrehen? Mit der Argumentation müsste man das Fernsehen verbieten. Auf dem Weg dahin erstmal noch die Berichterstattung über Bekenner-Videos unter Strafe stellen und nicht alle Kommunikationsdaten der europäischen Bürger speichern.

Jetzt gibt es auch einen Kommentar der Frankfurter Rundschau: Brüsseler Zauberlehrlinge

Aber auch in der Polizei gibt es Stimmen, die vor der Datenflut warnen, die hier aufgestaut werden soll, wobei der prinzipielle Nutzen für die Fahndung herausgestrichen wird. Das ist ein Argument, das gewichtig ist. Allerdings gerät dabei leicht aus dem Blick, dass den Brüsseler Zauberlehrlingen die Bändigung der technischen Möglichkeiten, derer sie sich bedienen wollen, auch entgleiten kann. Bank-, Telefon-, Internet-, Versicherungs-, Passagier- und Gesundheitsdaten, biometrische Daten in Pässen, Videoüberwachung und Bewegungsprofile: Die Sammelwut braucht Grenzen.

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