Werbearchive der großen PlattformenZu wenig Daten, kaum vergleichbar und schlecht zu bedienen

Wie setzen große Plattformen die neuen EU-Vorgaben für Transparenz bei Online-Werbung um? Schlecht, sagt eine Analyse der Mozilla Foundation. Die Plattformen würden Zivilgesellschaft, Journalismus und Forschung weiter Steine in den Weg legen.

Historisches Foto eines Platzes in Paris, an den Wänden sehr viele unterschiedliche Werbeaufschriften
Im Paris des 19. Jahrhunderts war das mit der Werbetransparenz ganz anders. – Alle Rechte vorbehalten IMAGO / Bridgeman Images

Schwer zu bedienen, kaum vergleichbar und zu wenig aussagekräftig: Das Zeugnis, das die Mozilla Foundation den Transparenzarchiven großer Plattformen ausstellt, ist verheerend. „Keines der von den elf größten Technologieunternehmen der Welt geschaffenen Tools zur Transparenz von Werbung funktioniert so effektiv wie nötig.“ So lautet das Fazit einer heute veröffentlichten Studie, die die Mozilla-Stiftung zusammen mit CheckFirst durchgeführt hat.

Das Digitale-Dienste-Gesetz der EU schreibt in Artikel 39 vor, dass Online-Plattformen und Suchmaschinen mit mehr als 45 Millionen Nutzer:innen über so genannte „Werbearchive“ verfügen müssen, die sie der Öffentlichkeit zur Verfügung stellen. Diese Archive sollen Einblick geben, welche Akteure welche Art von Werbung auf welchen Plattformen schalten – und so mehr Transparenz über Online-Werbung und politische Einflussnahme geben. Archiviert werden die Inhalte der Werbeanzeigen von Unternehmen, Verbänden oder politische Parteien. Außerdem enthalten die Archive Meta-Informationen zu Platzierung, Kosten oder Reichweite der Anzeigen.

Doch wie einfach sind diese Bibliotheken für Journalismus, Wissenschaft und Interessierte abrufbar? Wie gut und aussagekräftig sind die Daten selbst? Werden Sie in strukturierter, maschinenlesbarer und vergleichbarer Form angeboten? Die Mozilla Foundation untersucht diese für Werbearchive von folgenden Dienste: AliExpress, Apple App Store, Bing, Booking.com, Alphabet (Google Search und YouTube), LinkedIn, Meta (Facebook und Instagram), Pinterest, Snapchat, TikTok, X und Zalando.

Das Ergebnis ist mehr als ernüchternd. Die Analyse findet große Unterschiede zwischen den Plattformen, aber auch eine Gemeinsamkeit: „Kein Werbearchiv ist voll funktionsfähig“ und keines biete Forscher:innen und zivilgesellschaftlichen Gruppen die Werkzeuge und Daten, die sie benötigen, um die Auswirkungen zum Beispiel auf die bevorstehenden EU-Wahlen effektiv zu überwachen.

Alle Transparenzarchive fallen durch

Tools zur Werbetransparenz seien für die Rechenschaftspflicht von Plattformen unerlässlich – eine erste Verteidigungslinie, wie Rauchmelder, sagt Claire Pershan von Mozilla. „Unsere Untersuchungen haben jedoch gezeigt, dass die meisten der weltweit größten Plattformen keine funktional nützlichen Werbearchive bereitstellen. Die aktuellen Tools existieren, ja – aber in einigen Fällen ist das auch schon alles, was man über sie sagen kann“, so Pershan weiter.

Konkret untersucht die Studie Faktoren wie die Tiefe der bereitgestellten Informationen über die Werbung und ihre Inserenten, die verwendeten Targeting-Kriterien und die Reichweite der Werbung. „Außerdem bewerten wir die Vollständigkeit des Werbespeichers, die Verfügbarkeit historischer Daten sowie die Zugänglichkeit, Konsistenz und Dokumentation der bereitgestellten Tools“. Auch Schnittstellen für automatisierte Datenabrufe werden untersucht, sofern die Plattformen sie anbieten.

Vergleichstabelle
Der gesamte Vergleich ist in der Studie abrufbar. - Alle Rechte vorbehalten Mozilla Foundation

Grundsätzlich kritisiert die Studie, dass die Datenformate nicht vergleichbar seien, weil alle die gesetzlichen Anforderungen anders aufbereiten würden. Als Negativbeispiele nennt die Studie AliExpress, Twitter/X, Bing, Snapchat und Zalando, deren Angebote besonders schlecht seien. Ihnen fehlten aussagekräftige Daten und Funktionalität.

Die Mängel der Umsetzungen sind sehr verschiedenen: Während AliExpress keine Schnittstelle bietet, lässt sich bei Apple das Werbe-Targeting nicht auf Länderebene auslesen, bei Booking.com lässt sich schwer herausfinden, welche Werbung gemeint ist, bei Alphabet (Google) kann man nicht nach Schlagworten suchen, während Twitter/X gar keine Weboberfläche, sondern nur CSV-Dateien zum Download anbietet.

Die Studie kommt zum Schluss, dass keine der Plattformen die Werbedaten in zufriedenstellender Form bereitstelle. „Zwar sehen wir gegenüber unseren Bewertungen für 2019 deutliche Verbesserungen bei Google und Facebook, wie die kritische Einbeziehung von Targeting- und Engagement-Daten (wie sie im Rahmen des DSA vorgeschrieben sind), doch selbst diese sollten angesichts der anhaltenden Einschränkungen bei Funktionalität und Zugang nicht als Beispiel dafür dienen, was ein gutes Werbearchiv für Forscher oder die breite Öffentlichkeit ausmacht.“

Plattformen sollen nachbessern

Von den Plattformen fordert die Mozilla Foundation, dass diese Zugangshindernisse beseitigen. Grundsätzlich sollten umfassendere Daten über Werbekampagnen und detailliertere Informationen über Werbeabsichten und -wirksamkeit enthalten sein – und diese Daten auch besser durchsuchbar sein. Luft nach oben gäbe es auch bei der Dokumentation und der Bedienbarkeit, sowie bei einer Harmonisierung der genutzten Schnittstellen.

Dem Gesetzgeber schlägt die Studie vor, gemeinsam mit Wissenschaft und Zivilgesellschaft Leitlinien für die Ausgestaltung der Archive zu entwickeln, sowie standardisierte Schnittstellen verpflichtend einzuführen, damit eine Vergleichbarkeit hergestellt werden kann. Zudem müssten Offenlegungsregeln für Influencer-Werbung verschärft werden.

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