Dieser Gastbeitrag von David Pachali erschien zunächst auf irights.info. Wir crossposten ihn hier mit freundlicher Genehmigung.
Die jetzt veröffentlichte Dokumentation „The Internet’s Own Boy“ erzählt die Geschichte des Entwicklers und Aktivisten Aaron Swartz, der sich für ein offenes Internet und den freien Zugang zu Informationen einsetzte, angeklagt worden war und mit 26 Jahren Selbstmord beging.
Der Dokumentarfilmer und Regisseur Brian Knappenberger zeichnet in „The Internet’s Own Boy“ Swartz’ Leben nach: Ein dreijähriges Kind, das den Computer entdeckt und seinem Bruder später Algebra beibringt; ein Startup-Mitgründer und Entwickler bei „Reddit“, der sich dem Internet-Aktivismus zuwendet. Und der schließlich angeklagt wird, weil er am Massachusetts Institute of Technology große Teile des JSTOR-Archivs heruntergeladen hatte. Laut Anklage soll er dabei gegen den „Computer Fraud and Abuse Act“ verstoßen haben haben. Am 11. Januar 2013 wurde er erhängt in seiner Wohnung in Brooklyn aufgefunden.
„The Internet’s Own Boy“ macht vor allem deutlich, wie stark Swartz auf die Menschen gewirkt hat, die ihm begegnet sind: Ein 14-jähriger, unbekannter Entwickler namens Aaron taucht im Web auf, arbeitet am RSS-Format mit und verblüfft damit den Autor Cory Doctorow. Auf einer Konferenz trifft er einmal den Berkman-Forscher Stephen Shultze, mit dem er kurzerhand Millionen amtlicher Dokumente aus dem staatlichen, unbenutzbaren und teuren PACER-System befreit. Mit Demand Progress, der Electronic Frontier Foundation und anderen Organisationen schiebt er eine Kampagne gegen das zunächst unaufhaltbar scheinende, schließlich aber gescheiterte Antipirateriegesetz SOPA an.
In seinem Film lässt Knappenberger kaum Zweifel daran, dass er die US-Behörden für mitverantwortlich am Selbstmord von Swartz hält, dem bis zu 35 Jahre Haft drohten. Er schildert wie Swartz, aber auch Quinn Norton ins Visier eines im „Kampf gegen den Terror“ verselbständigten Sicherheitsapparats geraten, der sich auf vage Hackerparagrafen berufen konnte. Ebenso zeigt er, wie Swartz auf den Staatsanwalt Stephen Heymann trifft, dem Ermittlungserfolge gegen „Computerkriminalität“ scheinbar entgegenkamen und der nach Ansicht von Swartz’ Eltern ein Exempel statuieren wollte.
Familie und Freunde erzählen, US-Beamte nicht
Von Vertretern der US-Justizbehörden gibt es im Film allerdings ebensowenig Neues zu hören wie von Seiten der MIT-Verwaltung, die sich aus dem Fall noch dann heraushalten wollte, als das JSTOR-Archiv bereits kein Interesse an einer Strafverfolgung mehr zeigte. Von den Einrichtungen wollte sich niemand vor der Kamera zum Fall Swartz äußern, so Knappenberger. Vor allem Swartz’ Familie und Weggefährten erzählen in Interviewpassagen: seine Eltern Robert und Susan Swartz, seine Brüder Noah und Ben, Ex-Freundin Quinn Norton, Mitstreiter wie Gabriella Coleman, Lawrence Lessig oder Alec Resnick, seine Partnerin Taren Stinebrickner-Kaufman.
Deutlich wird in der Dokumentation aber auch, dass Knappenberger Swartz’ Leben in erster Linie als Stoff für eine politische Erzählung sieht. Andere Farben seines Lebens wie die dunklen Seiten seiner Depression kommen nur kurz vor. In seiner Schilderung ist Aaron Swartz vor allem eine Art digitaler Robin Hood – als würden weitere Perspektiven und Erzählstränge die Story schmälern, statt sein dennoch beeindruckendes und sehenswertes Porträt über Aaron Swartz zu bereichern.
„The Internet’s Own Boy“ ist unter anderem bei Vimeo zum Kauf erhältlich (DRM-frei, nur mit IP-Adresse aus den USA), weltweit und kostenlos beim Internet Archive und anderen Plattformen. Der Film ist unter Creative Commons BY-NC-SA erschienen.
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