Der Netzpolitik-Podcast 068 ist ein Interview mit Leonard Dobusch. Er ist derzeit Wissenschaftler am Max-Planck Institut für Gesellschaftsforschung in Köln und untersucht dort den „Streit ums Urheberrecht“.
Seine Doktorarbeit hat Dobusch zum Thema „Windows vs. Linux – Markt – Organisation – Pfad“ gemacht. Dafür hat er sich angesehen, wie und warum grosse Stadtverwaltungen ihre Desktop-Software-Umgebung von Microsoft Windows auf Freie und Open Source Software umstellen, bzw. warum nicht. Untersucht hat er konkret München, Frankfurt, Berlin und Wien und sich aus Sicht eines Organisationswissenschaftlers angeschaut, was jeweils die technischen und politischen Gründe gewesen sind.
In dem Gespräch gehen wir konkret auf alle vier untersuchten Städte ein. Dabei kommen interessante Details heraus, die mir teilweise noch unbekannt waren. Frankfurt hat z.B. parallel zu München ein Microsoft Enterprise Agreement abgeschlossen. Das liegt u.a. daran, dass Frankfurt früher Wildwuchs in der kommunalen IT hatte und sich verschiedene Behörden Microsoft-Raubkopien andrehen liessen. Hier hatte Microsoft ein gutes Druckmittel in der Hand, um eine Diskussion über den Wechsel auf Linux zu unterbinden. Dobusch spricht bei Frankfurt auch von einer „Nicht-Entscheidung“, es stand nie zur Debatte, dass man über Alternativen nachdenkt. Dummerweise kam auch der erste Antrag auf einen Wechsel im Stadtparlament von einem Republikaner, so dass man sich dort gar nicht mit dem Thema auseinandersetzte.
Leonard Dobusch erklärt ausführlich, welche Vorteile eine Kommune aus einem Wechsel zu Freier Software erlangen kann. Mit „Innovation ist oft nicht dort, wo man sie erwartet“, beschreibt er die Vorreiterrolle von Kommunen wie München bei einer Umstellung der kompletten IT auf Freie Software. Einer der Vorteile von Kommunen sei, dass diese in einem „politischen Markt“ agieren.
Im zweiten Teil sprechen wir ab Minute 26 über sein aktuelles Projekt beim Max-Planck-Institut für Gesellschaftsforschung, was über „Der Streit ums Urheberrecht“ forscht. Hier untersucht er die unterschiedlichen Blöcke und schauen sich das aus einer soziologisch-politikwissenschaftlichen Ebene an, wie der Streit transnational ausgefochten wird. Er sieht zwei grosse Blöcke: Auf der einen Seite die Rechteinhaber, die ihre alten Geschäftsmodelle ins digitale Zeitalter retten wollen und dies politisch durch Lobbying und markttechnisch durch Kopierschutzsysteme durchsetzen wollen. Auf der anderen Seite stehen die Kritiker des traditionellen Systems, die über neue Möglichkeiten des digitalen Zeitalters nachdenken. Das sind wir, oder wissenschaftlich auch die „Zivilgesellschafts-Koalition genannt“. Das Projekt ist noch am Anfang und Dobusch erzählt, was sie bisher erforscht haben und wie das Projekt weitergeht. Eines der ersten Ergebnisse ist eine Untersuchung von Creative Commons als transnationale Organisation.
Ab Minute 40 sprechen wir über die neue soziale Bewegung mit Namen wie „Access to knowledge“, „Free Culture Movement“, „Digital Environmentalists“ oder „Commons-Bewegung“ und wie das Modell der „Commons-based-Peer-Production“ als breites Bündnis sowohl Libertäre wie auch Marxisten begeistern kann. Wir wissen aber auch nicht, welcher der verschiedenen Namen für de „Digitale Freiheitsbewegung“ (5. Name) der passende ist.
Das Interview ist 47 Minuten lang und liegt als MP3 (43 MB) und OGG (40MB) auf dem Server. Viel Spass beim hören.
„Windows vs. Linux – Markt – Organisation – Pfad“ von Leonard Dobusch ist aktuell als Buch im VS-Verlag erschienen und kann zum Preis von 39,00 € gekauft werden.
Sind Verwaltungsbürokratien als Vorreiter technologischer Innovation vorstellbar? Können einzelne, große Organisationen als Nachfrager in einem Markt Monopole überwinden helfen, wo Wettbewerbsbehörden hilflos sind? Stadtverwaltungen wie jene in München und Wien werfen mit ihrem Wechsel von Windows auf Linux am Desktop genau diese Fragen auf. Ein Vergleich von Berlin, Frankfurt am Main, München und Wien zeigt, wie Organisation und Technologie erst im Zusammenspiel zu einem „Lock-in“ auf Windows führen – und wie und warum Akteure trotz aller Umstellungshürden (Diskurs-)Koalitionen für einen Wechsel zu Freier Software oder Open-Source-Software stimmen. Dabei dokumentiert der Band, dass und was auch Unternehmen von Stadtverwaltungen im IT-Bereich lernen können.
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