KlarnamenpflichtWir alle brauchen anonyme Orte im Netz

Die Forderung nach einer Klarnamenpflicht im Netz hat wieder Konjunktur. Dabei ist sie brandgefährlich für gleich mehrere Grundrechte. In einer Demokratie brauchen wir Orte, an denen wir wirklich frei kommunizieren können. Ein Kommentar.

Personen mit Masken
Pseudonymität hat viele Gesichter – und Gründe. – Gemeinfrei-ähnlich freigegeben durch unsplash.com Wazaer Shadman / Sara Ghasemi / Thiago Rebouças /

Nach dem Amoklauf von Graz wird in Österreich über eine Ausweispflicht im Netz diskutiert und die CDU in Schleswig-Holstein hat gerade gegen Hass und Hetze eine Klarnamenpflicht in sozialen Medien gefordert. Die Idee hinter der Forderung ist die Annahme, dass Menschen „mit offenem Visier“ weniger gewaltsam kommunizieren würden. Dafür gibt es jedoch wenig Belege, im Gegenteil hetzen Rassisten ganz offen.

Eine Klarnamenpflicht im Internet oder in sozialen Medien ist keine gute Idee. Nicht nur das: Sie gefährdet die Pressefreiheit, die freie Entfaltung der Persönlichkeit, die Meinungsfreiheit, die Freiheit der Kunst, die informationelle Selbstbestimmung und die Religionsfreiheit. Und sie gefährdet insbesondere Minderheiten und verletzliche Gruppen.

Anonymität und Pseudonymität sind notwendig für freie, demokratische Diskurse. Die Anonymität im Netz ist durch Ausweispflicht bei SIM-Karten oder durch IP-Speicherung schon heute stark eingeschränkt. Wer Anonymität und Pseudonymität im Netz weiter angreift, sägt an einem Grundpfeiler der Demokratie.

Wir alle brauchen Orte ohne Klarnamen

Es gibt bemerkenswert viele praktische Beispiele dafür, warum Pseudonyme unverzichtbar für eine freie Gesellschaft sind. In einem Artikel aus dem Jahr 2018, der (leider) immer noch aktuell ist, haben wir sechzehn besonders eindrückliche Beispiele ausgeführt. Hier kommen noch mehr:

  • Stellen Sie sich vor, Sie sind dick und haben von ihrer Ärztin gerade die Abnehmspritze verschrieben bekommen. Auf der Plattform Reddit möchten sie sich mit Gleichgesinnten über Ihre Gesundheit, Nebenwirkungen, die Reaktionen ihres Umfelds oder das neue wunderbare Gefühl beim Blick in den Spiegel austauschen. Nun ist ihr Name aber nicht zufällig Christian Müller, sondern so außergewöhnlich, dass Suchmaschinen mühelos jegliches ihrer Reddit-Gespräche aufspüren und ihnen direkt zuordnen können. Wie fänden Sie es, wenn das auch Jahre später noch Menschen lesen, die neugierig ihren Namen googeln? Die neue Kollegin auf der Arbeit; der nervige Onkel, der findet, Dünnsein sei nur eine Frage der Selbstdisziplin; die tratschenden Nachbarn im Dorf?
  • Oder stellen Sie sich vor, sie sind gerade 15 Jahre alt und bisexuell. Sie leben in erzkonservativen Familie in einem erzkatholischen Dorf und kennen im direkten Umfeld niemanden, mit dem sie darüber sprechen können. Aber in einem Online-Forum haben Sie endlich einen Ort gefunden, wo Sie Freude und Anerkennung finden – statt Ablehnung und Scham. Endlich können sie offen darüber reden, welche Menschen sie attraktiv finden und lieben. Ob und wann Sie sich outen, das wollen Sie selbst entscheiden. Wie würde sich ein unfreiwilliges Outing anfühlen, ausgelöst durch die Google-Anfrage eines queerfeindlichen Familienmitglieds?
  • Oder stellen Sie sich vor, Sie wohnen in einer bürgerlichen Kleinstadt und erleben, wie Ihre Kommune immer weiter nach rechts kippt. Nazis brüllen auf dem Marktplatz; Kinder auf dem Schulhof zeigen den Hitlergruß; demokratische Parteien können nur auf den letzten Drücker noch einen AfD-Bürgermeister verhindern. Die Lokalzeitung ist schon lange pleite; deshalb berichten Sie eben auf eigene Faust mit einem pseudonymen Account auf Bluesky und Instagram, was in ihrer Stadt passiert. Sie decken Skandale auf, die überregionale Medien aufgreifen; der lokale AfD-Mann landet im Verfassungsschutzbericht. Fieberhaft suchen die Rechtsradikalen nach dem Menschen hinter Ihrem Account, um Rache zu üben. Mit einer Klarnamenpflicht, wären Sie jetzt in Lebensgefahr – oder hätten sich gar nicht erst getraut, zu berichten.

16 Beispiele, warum Pseudonymität im Netz unverzichtbar ist

Die Feinde der Demokratie hetzen mit Klarnamen

Solche Beispiele zeigen: Orte, an denen wir unter einem erfundenen Namen kommunizieren können, sind für eine vielfältige Gesellschaft zwingend notwendig. Die Gesellschaft profitiert davon. Nicht nur ein paar Datenschutz-Freaks, sondern wir alle benötigen solche anonymen Orte im Netz, damit wir frei sind.

In den Parlamenten sitzen zunehmend mehr Rechtsextreme. In manchen Bundesländern könnte die AfD bald die größte Fraktion stellen. Wenn der Aufwind der AfD nicht gestoppt wird, dann droht auch im Bund eine Regierung mit deren Beteiligung. Auch wenn diese Partei gerne so tut, als verteidige sie die Meinungsfreiheit – am Ende werden Faschisten immer alles tun, um die Freiheit von Meinungen einzuschränken, die nicht in ihr menschenfeindliches Weltbild passen. Anfangen werden sie mit den Freiheiten von Marginalisierten und Minderheiten. Am Ende werden sie allen die Freiheit nehmen, um ihre Macht zu sichern.

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Wer Hass und Hetze bekämpfen will, sollte sich den Menschen widmen, die täglich – mit Klarnamen! – in Parlamenten und Talkshows gegen Minderheiten wettern und ihre Verachtung für Menschenrechte und Demokratie propagieren.

Eine Klarnamenpflicht ist schon in der Demokratie brandgefährlich, in den Händen von Autoritären ist sie ein mächtiges Instrument der Unterdrückung. Nicht umsonst gibt es solche Pflichten in China und Russland. Klarnamenpflicht ist eines der mächtigsten Werkzeuge, um Meinungsfreiheit zu bekämpfen, Menschen einzuschüchtern und Informationen zu kontrollieren. Selbst wenn eine Demokratie gerade nicht bedroht ist, sollte sie ein solches Werkzeug nicht einführen. Und gerade wenn eine Demokratie – wie unsere – ernsthaft bedroht ist, dann sollte sie alles daran setzen, dieses Werkzeug nicht auch noch freiwillig jenen zu überlassen, die gerade die Macht an sich reißen wollen.

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33 Ergänzungen

  1. Eine Klarnamenpflicht ist lustigerweise fatal für die jenigen, die sie schützen soll.

    Auf MSN-Nachrichten posten täglich Personen mit Klarnamen und Profilbild die größte Hetze und es interessiert sie nicht. Gleichzeitig hetzen Politiker öffentlich gegen Minderheiten und veröffentlichen zum Teil sogar indirekt private Daten.

    Was einmal im Interner isr, bleibt ewig. Wenn also über dich gehetzt wird und dank dieser Pflicht dein Klarname genutzt wird, dann ist es für immer im Umlauf. Da nützen strafen nichts. Das Internet vergisst nicht.

    1. „und veröffentlichen zum Teil sogar indirekt private Daten.“

      Meinst du damit AfD-Politikern Vanessa Behrendt? Es ist interessant das die Staatsanwaltschaft mittlerweile auch wegen Volksverhetzung gegen Pädophile ermittelt, so wie gefährdendes verbreiten privater Daten. Das Verfahren wurde an das „Regenbogenfahne“-Verfahren angeknüpft, die Aufhebung der Immunität ist also nur stärker geworden.

      https://www.ndr.de/nachrichten/niedersachsen/braunschweig_harz_goettingen/erneut-ermittlungen-gegen-afd-politikerin-aus-niedersachsen,behrendt-100.html

  2. Das Internet ist kein rechtsfreier Raum. Es braucht nicht einmal neue Regeln. Es müssen „einfach“ die der echten Welt gelten.

    Beispiel:
    Ich gehe zur Demo und bin anonym. OK. Ich werfe ein Molli und die Polizei zieht mich raus und identifiziert mich. Auch OK. Genau das muß auch im Netz möglich sein.

    Lösung:
    Klarname ist bei einer vertrauenswürdigen Stelle hinterlegt. Der kann bei begründeten Fällen nach demokratisch vereinbarten Regeln für Strafverfolgung angefordert werden.

    Das wäre mMn ein Weg für demokratische Staaten. Staatliche Regeln in einem Internet durchzusetzen ist nicht trivial. Aber mit DSGVO etc. versuchen wir es ja auch.

    1. „Klarname ist bei einer vertrauenswürdigen Stelle hinterlegt.“

      Zum einen gibt es keine solche dauerhaft vertrauenswürdige Stelle. Wenn es die gäbe, wäre alles viel einfacher.

      Zum anderen wäre das eine Pseudonymlösung, die auch alle Pseudonyme speichern müsste, während alle anderen die Pseudonyme beweisbar authentifizieren und auch das speichern müssten.

      1. „Zum einen gibt es keine solche dauerhaft vertrauenswürdige Stelle.“ – dann muß man sie schaffen. Den Zertifikaten im Netz vertraust du auch. Weil es etwas noch nicht gibt, muß man doch nicht aufgeben.

          1. Selbst wenn, änderte das nichts am zweiten Punkt: man erzwingt eine vollständig authentifizierte und attributierbare Infrastruktur, das Weglassen der Pseudonymisierung ist jederzeit trivial machbar.

            Man braucht dann allerdings keine Vorratsdatenspeicherung mehr, denn man speichert ohnehin alles 8)

          2. Ja, bei Impressumspflicht kann man Dienste buchen, vom ladungsfähigen Briefkasten durch Anwaltskanzlei, bis zu allen möglichen Extras. Das ist ein real gangbarer Weg für die Impressumspflicht.

            Ich bin aber nicht sicher, ob das bei Klarnamenpflicht funktioniert. 1. Rechtlich, aber vor allem 2. von den AGB her.

            Für einen Entwickler wäre das sinnvoll z.B. auf einer Plattform wie Steam, wenn man sich als Person raushalten will. Mir auch unklar (noch zu prüfen).

        1. „„Zum einen gibt es keine solche dauerhaft vertrauenswürdige Stelle.“ – dann muß man sie schaffen.“

          Frühstens nächste Woche, heute ist erstmal Weltfrieden und Kernfusion dran.

          „Den Zertifikaten im Netz vertraust du auch.“

          So pauschal nein, und schon gar nicht dauerhaft. Und ich habe mal eine CA aufgebaut.

    2. „Beispiel:
      Ich gehe zur Demo und bin anonym.“

      Sind Sie nicht, wir haben ein Vermummungsverbot…

      „[…] und die Polizei zieht mich raus“

      …weswegen die Polizei Sie auch rausziehen kann: die haben Sie als Täter identifiziert und gefasst. Ihre Personalien sind letztlich Formalitäten, man könnte Sie für die Straftat des Molliwurfes auch ohne anklagen und verurteilen.

  3. In meinem Beruf muss ich mich dezidiert neutral geben und das aus gutem Grund.

    Ich hätte kaum noch eine Chance, mich zwecks politischer Meinungsbildung mit Anderen auszutauschen, wenn das offen erfolgen müsste.

    Mir ist beides wichtig und Pseudonyme sind die einzig vernünftige Möglichkeit, das zusammenzubringen, wenn ich nicht völlig auf das Internet verzichten will.

  4. „Die Feinde der Demokratie hetzen mit Klarnamen“ – ist Wunschdenken.

    Es gibt einige (dokumentierte) Fällen in denen Personen, Beleidigungen, Hass und Morddrohungen von Pseudonymen und Anonymen bekamen.

    Ich erwarte nicht, das die Realnamenspflicht kommt, aber Veröffentlichungen werden irgendwie an realen Personen auflösbar sein (für die Strafverfolgung).

    (letzendlich ist mein Pseudo über die email Adresse auflösbar – vielen Dank an Google für die Nötigung zur Angabe eine Mobilrufnummer)

    1. „(letzendlich ist mein Pseudo über die email Adresse auflösbar – vielen Dank an Google für die Nötigung zur Angabe eine Mobilrufnummer)“

      einfach mal einen besseren und sicheren mailanbieter nehmen statt google. und letztes in pension schicken.

      1. Vielen Dank für den Ratschlag, ich wäre selber nicht draufgekommen (ich hab‘ tatsächlich nur noch diese gmail Adresse, alle andern sind weitergewandert).

        Wer sich in der Geschichte noch auskennt: Google war mal die sichere und bessere Alternative und fing dann an schlechter zu werden. Ich hab‘ die Pflicht zur Rufnummer immer ausschließen können, bis dann Google aus Vereinfachungsgründen die „Fassen Sie doch alle Accounts zusammen“-Aktion startete und das für mich, der >5 Accounts dort hatte, gleichmal mittels Dark Pattern selbst erledigte.

    2. Da möchte ich Ihnen mal etwas zum Thema gmail und hinterlegter Mobiltelefonnummer schreiben. Ich bin vor einiger Zeit mal ein einen Betrugsfall geraten und hatte damals auch eine gmail Adresse von demjenigen vorliegen der mich über das Ohr gehauen hat. Ich hab natürlich Anzeige erstattet und die gmail Adresse als Beweismittel angegeben. Das Ende der Geschichte. Es konnte lt. Staatsanwaltschaft kein Täter ermittelt werden. So viel zum Thema hinterlegte Emailadresse.

      Sie wissen schon das es auch Wegwerfemailadressen gibt wodurch man die Registrierung umgehen kann.

    3. Die einfachste Lösung wäre ja along the lines of….
      – Bagatellkram entregeln. (Keine Hausdurchsuchung und Namensnennungen bei Blödsinn, zzgl. hohen Entschädigungen bei Behördenversagen bzw. Repression. EU vorwärts!)
      – Ähnlich wie bei Impressumspflicht, Treuhand Namensverwalter erlauben, also z.B. Kanzleien u.ä., die deine Pseudonyme ladungsfähig machen.
      – Zwang diese statt klarnamen zu akzeptieren (EU-weit für alle Dienste).
      – Auch bei Shops.
      – (Ausnahmen für informierte Nutzer, aber nur nach Beratung oder bei Nachweis von hinreichenden IT-Fähigkeiten.)
      – (Ernstzunehmende Referenzimplementierungen für alle Seiten inklusive Kanzleien, die unentgeldlich zur Verfügung gestellt werden. In die Registry für erlaubte Treuhänder kann man sich allerdings nicht selbst mal kurz eintragen. Da muss leider ein bischen Vertrauen in die Registry implementiert werden.)

      Eine kurze überschaubare Liste, so eine Art Plan für ein Konzept.

      1. > zzgl. hohen Entschädigungen bei Behördenversagen bzw. Repression. EU vorwärts!)

        Das ist eigentlich bereits geregelt: gesetze-im-internet.de/streg/__7.html

        > – Auch bei Shops.

        Beim Abschluss von Kaufverträgen ist die Identität des Käufers wichtig für so Dinge wie Rechnungsstellung und Gewährleistung, für digitale Güter ohne Lieferpflicht (also z. B. das Kommentieren auf netzpolitik.org) eher nicht.

        > – (Ausnahmen für informierte Nutzer, aber nur nach Beratung oder bei Nachweis von hinreichenden IT-Fähigkeiten.)

        Da stünde aber der Gleichheitsgrundsatz gemäß Artikel 3 GG im Weg.

        1. „Das ist eigentlich bereits geregelt: gesetze-im-internet.de/streg/__7.html“

          Entschädigungen in Deutschland „geregelt“? Auf quasi Null. Irrelevant. Wir reden eher von Hundertausenden bis zu Millionen für verfassungswidrige Hausdurchsuchungen, wenn das Sinn ergeben soll. Vielleicht ist „Entschädigung“ auch fachlich gesehen das falsche Wort.

          „Beim Abschluss von Kaufverträgen ist die Identität des Käufers wichtig für so Dinge wie Rechnungsstellung und Gewährleistung, für digitale Güter ohne Lieferpflicht (also z. B. das Kommentieren auf netzpolitik.org) eher nicht.“
          Alles Wurst. Es geht hier um eine Transformation mit begleitender Gesetzgebung, im Kontext ladungsfähiger, von Treuhand verwalteter Pseudonyme. Das gesellschaftliche Schutzziel wäre, dass Internetdienste inklusive Shops keine Klarnamen sehen, und Tracking somit reduziert wird. Paketdienste könnten bis zur letzten Meile blind sein (mit Risiken).

          „Da stünde aber der Gleichheitsgrundsatz gemäß Artikel 3 GG im Weg.“
          Eigentlich nicht. Einen Führerschein muss man auch haben, wenn man entsprechende Gefährte führen will. Wie gesagt: gesetzgeberisch begleitete Transformation. Nicht nur in den Wald rufen, dass es jetzt so und so sein soll. Ob dieser Punkt wirklich sonderlich viel Sinn ergibt, ist eine andere Frage.

          1. > Das gesellschaftliche Schutzziel wäre, dass Internetdienste inklusive Shops keine Klarnamen sehen, und Tracking somit reduziert wird. Paketdienste könnten bis zur letzten Meile blind sein (mit Risiken).

            Die Risiken bei der Zustellung und der Betrugsprävention lassen es mir eher unrealistisch erscheinen, dass das jemals umgesetzt wird. Paketdienste und Polizeigewerkschaften würden völlig zurecht dagegen Sturm laufen.

          2. Warum Polizeigewerkschaften und warum zurecht?

            Wir sind nicht mehr in den 80ern. Und Attribution wird systemisch weiterhin möglich sein (müssen). Es bedeutet allerdings eine Technisierung von Postboten, Paketboten, Polizei u.a., was auch wiederum Risiken bedeutet.

            Die scannen heutzutage jedes Paken, falls das jemandem entgangen sein sollte. Die letzte Meile kann auch einen Aufkleber vor Ort bekommen. Bzw. jede Meile weiter vom Start zum Ziel bekommt einen immer genauer werdenden.

            Es ist nicht sonderlich realistisch, dass sowas umgesetzt wird. Aber weil Polizeigewerkschaften kommerzielles Tracking wollen, laufen sie Sturm? Das würde so einiges erklären. Da würde ich mit dem Hammer drauf. Behörden haben nicht zu lobbyieren.

          3. „Die Risiken bei der Zustellung und der Betrugsprävention lassen es mir eher unrealistisch erscheinen“

            Welche Risiken genau? Das Konzept ist vielleicht auch nicht vollständig beschrieben, aber nehmen wir mal an, dass wir als Land allmählich beginnen Fähigkeiten in der Breite aufzubauen? Es kann auch eine Datenbhörde geben, bei der die Paketdienste u.a. dann die Zuordnungen registrieren. Die muss natürlich, Gruß an die Polizeigewerkschaft, tatsächlich unabhängig sein, und Schutzziele umsetzen, sowie Herausgabe verweigern können. Behörde nenne ich es, dort würde recht hohe Kompetenz (und Bezahlung) vor Ort sein.

      2. Zum einen ist das alles andere als „einfach“.

        Zum anderen ändert es nichts daran, dass damit völlig problemlos attributiert werden kann. Siehe Einwohnermeldeämter: es gibt keine zentrale Datenbank, aber man kann per API eine Anfrage dezentral überall durchführen.

        1. „Zum einen ist das alles andere als „einfach“.

          Zum anderen ändert es nichts daran, dass damit völlig problemlos attributiert werden kann. Siehe Einwohnermeldeämter: es gibt keine zentrale Datenbank, aber man kann per API eine Anfrage dezentral überall durchführen.“

          Völlig richtig. Aber es wäre ein Ansatz für die geforderte Verfolgbarkeit. Tatsächlich wäre eine Loginfalle da wohl noch grundrechtsschonender. Ändert auch nichts daran, dass man für diese Maßnahmen eigentlich ein kompetent aufgestelltes, nahezu ideales System als Voraussetzung braucht. Politisch gesehen, jetzt. Man könnte mit Imperfektion leben, wenn die Richtung grundrechtsartig klar umrissen ist, sicher verfolgt und verbessert, und nicht ständig dran herumgerissen würde. Nur wenn da eben nicht die ständigen Zugriffsschnittstellen gebaut werden, kann sowas funktionieren. Beim föderalen System könnte ein Land theoretisch allerdings dicht machen, oder sollte es können, wenn ein anderes Bundesland oder eine Behörde die Verfassung bei ihren Anfragen nicht mehr so vor Augen hätte. Wieder das Idealproblem, vgl. Richtervorbehalt. Entsprechend kritisch sehe ich die Verfügbarmachung von Emailanbietern u.a. für europäische Ermittlingen. Das Digitale wird einfach nicht verstanden, was Risiken betrifft.

          Die quasi pseudonymisierende Treuhand (die Identifikation ermöglicht) wäre architekturell auch für Shops denkbar. Klar, zu viel Transformation für die Denkunfähigkeitswüste, in der alle anbetoniert werden (sollen).

          Das schaffen freierer und damit potentiell gefährlicherer Räume bedarf eines ähnlichen Idealzustandes. So bleibt realistisch nur, sich an jedem Stück Anonymität festzuhalten. Gestaltet wird nicht wirklich, stattdessen Bestandspimmeleien und Transformation in ein Untertanennetz. Wie soll das erst in den Tiefen des Weltalls werden?

        2. Naja problemlos ist relativ. Attributierung ist allerdings hier das Feature und nicht der Bug. Frage ist in der Tat, was dann einfach wäre.

          Z.B. Schutz des Individuums bei Vorratsdatenspeicherung gegenüber Schutz des Pseudonyms durch Anwaltskanzlei.

          Bei der Kanzlei sitzen definitiv Profis mit einem Interesse daran, ihre Kunden zu schützen, beim Provider und Internetdienst… mal so mal so?

          Frage ist, was realistisch ist, und was im derzeitigen Klima (zu verhindern) möglich ist.

  5. Hallo,
    wie sieht das bei reichweitenstarken Accounts z.B. bei YouTube aus? War Jan Böhmermanns Aktion falsch? Sollen auch Rechte anonym bleiben dürfen, wenn sie so viele Follower haben?
    BG

    1. Informationelle Selbstbestimmung ist ein Grundrecht (vgl. Europäische Menschenrechtskonvention Art. 8 (https://dejure.org/gesetze/MRK/8.html) und Volkszählungsurteil erster Satz (https://www.bundesverfassungsgericht.de/SharedDocs/Entscheidungen/DE/1983/12/rs19831215_1bvr020983.html))

      Ich fände es sehr beängstigend, wenn man, wie sie vorschlagen, Grundrechte auf Basis von Reichweite entzieht. Der Kern der Grundrechte ist, dass sie eben nicht aus taktischer Erwägung oder Staatsnutzen abgeschafft werden dürfen, wenn es nicht zwingend notwendig ist.

  6. FYI

    https://edition.cnn.com/2025/06/20/tech/china-censorship-internet-id-hnk-intl

    China tightens internet controls with new centralized form of virtual ID

    China has mastered the craft of policing the internet, operating one of the world’s most extensive online censorship and surveillance regimes. With mandatory identity checks on every online platform, it has become almost impossible for users to stay anonymous.

    But this rigidly moderated online environment is about to face even stricter controls with the introduction of a state-issued national internet ID.

    Instead of requiring individuals to submit their personal information for identity checks separately on each platform, the government now seeks to centralize the process by issuing a virtual ID that will allow users to sign in across different social media apps and websites.

    1. Das klingt doch sehr nach einer Idee, die in naher Zukunft auch in den USA und in Europa kommen wird.
      Eine Bürger-ID, die du mit deinem neuen Personalausweises automatisch erstellt bekommst, und mit der du dich auf Facebook, Reddit, YouTube und Disney Plus anmelden kannst. Und selbstverständlich deine E-Mails abrufen kannst.
      Google oder Microsoft unterstützt den deutschen Staat bei diesem schweren Unterfangen. Wetten?

    2. Wirklich „mastered“? Das würde ich nicht sagen. Es handelt sich eigentlich um „hammered“. Das ist, was es ist.

      Das ist allen klar, dass man das so machen kann. Man kann das Internet auch abschalten oder Facebook nennen, bzw. umgekehrt. Das ist alles allen klar. Gemeistert wird da nichts.

  7. > Aber weil Polizeigewerkschaften kommerzielles Tracking wollen, laufen sie Sturm? Das würde so einiges erklären. Da würde ich mit dem Hammer drauf. Behörden haben nicht zu lobbyieren.

    Bei dem Teil, dass die Polizeigewerkschaften zu gefühlt 99% diktatorische Dinge fordern, hast du selbstredend Recht. Doch ihre Mitglieder müssten die ganzen daraus erwachsenden Betrugsfälle bearbeiten, wären davon nur mäßig begeistert und der Protest der Polizeigewerkschaften dagegen würde zu dem einen übrigen Prozent gehören, in dem die Polizeigewerkschaften mal etwas Sinnvolles anstreben.

  8. „Selbst wenn, änderte das nichts am zweiten Punkt: man erzwingt eine vollständig authentifizierte und attributierbare Infrastruktur, das Weglassen der Pseudonymisierung ist jederzeit trivial machbar.

    Man braucht dann allerdings keine Vorratsdatenspeicherung mehr, denn man speichert ohnehin alles 8)“

    Das ist allerdings ein guter Punkt, vor allem um die Dinge prinzipiell, bzw. ad absurdum zu verstehen. Es sollte allerdings nicht implizit, im leichtfertigen Sinne, das Szenario der „vollständigen Pseudonympflicht mit Treuhänder“ mit dem heutigen Zustand verglichen werden. Idealerweise würden Veröffentlichungen, die geeignet sind dauerhaft Publikum zu binden, d.h. also pseudonymes, irgendwie medienhaftes Auftreten, der Tendenz nach also für Social Media, und da auch eher große Plattformen, sowie gedacht vielleicht auch bei Shops u.a., mittels Treuhändern pseudonym gemacht werden, bei gegebener Attributierungsmöglichkeit.

    Auch quasi pseudonym-anonyme Posts bei netzpolitik.org könnten heute schon mittels „Klebefalle mit Gag-Order“ zu einer Identifikation führen. Oder Staatstrojaner on the Server. Aber bei dem Treuhandansatz ist ja erst mal gemeint, Klarnamenzwang durch Pseudonymzwang (andersherum: hier die Plattform), also eher bei Social Media (und im Gedankenspiel auch Shops) zu ersetzen.

    Geht man von dem Griff nach Allem aus, was nicht mal so unrealistisch ist, stellt sich das Spiel allerdings noch mal aus einem anderen Blickwinkel. Wenn Arztgeheimnis und Schutz von Presse und Anwälten nichts gelten, nützen auch verwaltete Pseudonyme nichts. ALLERDINGS hindert dann auch niemand die Gesetzgebung an Vorratsdatenspeicherung und irgendwelcher einlaufbasierter Schnüffelei. Man sollte also klären, worüber ungefähr man eigentlich sprechen will.

    Bei (US-) Social Media kann passieren, dass man breitbandigen wildcardmäßigen Zugriff für 12 US-Behörden fordern wird. Letztlich müsste man bereit sein, die Dinger abzuschalten?

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