Klarnamenpflicht: China verbietet anonyme Kommentare

Chinesische Nutzer müssen bald ihre Identität bestätigen, um auf Online-Plattformen kommentieren zu können. Ihre Kommentare werden dann bewertet, was „illegale Informationen“ im Internet bekämpfen soll.

Im chinesischen Internet wird es bald nur noch wenig anonyme Kommentare geben CC-BY 2.0 Tom Thai

Chinesische Nutzer werden von Anfang Oktober an keine Möglichkeit mehr haben, anonyme Kommentare auf den meisten Websites zu hinterlassen. Dies berichtet das Aktivistennetzwerk Global Voices. Die Verordnung wurde von Chinas oberster Internet-Behörde erlassen und richtet sich an alle Plattformen, auf denen Nutzer Kommentare hinterlassen können.

Demnach müssen die Betreiber einen Mechanismus zur Identitätsfeststellung einrichten oder die Kommentarfunktion ihrer Website abschalten. Solche Authentifizierungsdienste seien aber mit hohen Kosten verbunden und daher insbesondere für kleinere Anbieter nicht zu finanzieren, zitieren Global Voices den Tech-Blogger William Long. Zu befürchten sei daher, dass die Anzahl an Kommentaren insgesamt abnehmen werde.

Betreiber sollen Nutzer bewerten

Die Plattformen werden angewiesen, ihre registrierten Nutzer auf Basis ihrer Kommentare zu bewerten und Nutzer zu sperren, die negativ auffallen. Das soll laut der regierungsnahen Global Times „Gerüchte, schmutzige Sprache und illegale Informationen“ aus dem chinesischen Internet verbannen. Zudem sollen die Bewertungen offenbar gesammelt und den Behörden zur Einstufung der Unternehmen dienen. Dies könnte ein Anreiz für Plattformbetreiber sein, kritische Kommentare schnell zu löschen und Nutzer zu blockieren.

China arbeitet bereits seit 2014 an der Implementierung eines Einstufungsprogramms für Bürger, Unternehmen und Behörden. Ziel ist es, bis 2020 eine Datenbank aufzubauen, die umfassende Informationen zu sozialem Verhalten sowie der Kreditwürdigkeit enthalten soll. Gut bewerteten Bürgern winken Annehmlichkeiten wie mehr Karrieremöglichkeiten oder einfachere Reisen, schlecht eingestufte hingegen müssen damit rechnen, etwa Zugang zu Sozialleistungen zu verlieren.

Welche Daten genau in dieses „Social Credit“-System einfließen werden, ist derzeit noch unbekannt. Pilotprojekte wie „Honest Shanghai“ oder auch „Sesame Credit“ der Handelsplattform Alibaba zeigen aber, in welche Richtung sich das System entwickelt. Auf lange Sicht ist die jetzige Maßnahme also wohl nur ein Zwischenschritt. Die individuellen Bewertungen über das Kommentarverhalten der Nutzer dürften schlussendlich in das „Social Scoring“-System einfließen.

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14 Ergänzungen

  1. …ich zähle schon die Tage, bis diMisere oder der Maaslose gleichartige Forderungen der Klarnamenpflicht auch für Deutschland erheben werden. Bis hin zur Vorlage eines bereits fix- und fertigen Gesetzespaketes.

    Ganz klar verbunden mit den Blödsinnsaussagen, „Es darf keinen rechtsfreien Raum geben!“, „Terrorristen dürfen keine blinde Flecken der Sicherheitsbehörden nutzen dürfen“ und dem Klassiker „Denkt doch an die Kinder!“…

    *hüstel*

    1. Das hatten diverse „Politiker“ in D schon vor Jahren gefordert. Wobei das im Zeitalter von Facebook, Google, Twitter und Win 10 nicht nötig wäre. Das sieht bei den Chinesen anders aus, weil diese Dienste dort mehrheitlich und nicht grundlos verboten sind. Die Chinesen stehen halt auf dem Standpunkt, hier spioniert und bewertet nur einer und das ist „Papa Staat“.

  2. Na ja bei uns setzt die Wirtschaft es aus „Sicherheitsgründen“ schon jetzt freiwillig um.

    Schon mal versucht, ein anonymes Kommentar auf Youtube zu posten bzw. dort in einem ersten Schritt ein anonymes Konto zu erstellen?

    1. „Schon mal versucht, ein anonymes Kommentar auf Youtube zu posten..“
      Erstmal: Wie kommen sie auf die Idee es würde „das Kommentar“ heißen?
      Es heißt „der Kommentar“ http://www.duden.de/rechtschreibung/Kommentar
      meine Fresse, irgendwas läuft echt in der Bildung schief …

      Und ja, es ist leicht einenen anonyme Kommentar auf Youtube zu verfassen.
      Niemand legt einen Account auf seinen Klarnamen an. Es ist ein leichtes sich in Sekunden einen Account mit ausgedachten Angaben zu erstellen.
      Auch bei Fake-News Seiten wie FAZ oder Welt ist man zwar zu einem Account gezwungen,
      kann aber selbst „Trash-Mail.com“ als email Adresse angeben.
      Dazu einen Namen wie „Dieter Thomas“ – voila, schon kannst du deinen anonymen Kommentar verfassen

    2. Frage mich doch sehr, was für Kommentare Harry veröffentlichen will, wenn er dafür ein anonymes Konto braucht. Auf einen Großteil der Kommentare, beispielsweise eben auf YouTube, verzichte ich liebend gern, besonders dann, wenn sie beleidigend und auch noch anonym sind!

      1. Ja, was soll auch diese Meinungsfreiheit… Ich bin auch dafür, dass Meinungen, welche mir persönlich nicht gefallen, einfach verboten werden!

        1. Jeder darf eine eigene Meinung haben, auch in China!

          Das unkontrollierte Teilen dieser eigenen Meinung ist doch das wirkliche Problem, das auch unseren Herrlichen langsam über den Kopf wächst!
          Würden die Bürger ihre Meinung für sich behalten und nicht andere mit ihrer Meinung infizieren, müssten diese Bürger auch nicht entsprechend Behandelt werden!

  3. Man kann China’s Politik für vieles kritisieren, die Idee Kommentare authentisch zu gestalten dient aber einem guten Grundsatz. Sachen wir in einem Rechtsstaat wie der BRD, sollte es zum guten Ton gehören sich bei öffentlichen Kommentaren zu erkennen zu geben. Ist das FunkyMonkey87 oder Max Mustermann der hier etwas sagt? Bin ich auf FB befreundet mit JensiWA_ oder Jens Wagner? (der name ist nur ein Beispiel)?

    Wer sich in einem Rechtsstaat nach dem kategorischen Imperativ nach Kant verhält wird auch keine Konsequenzen fürchten müssen, in China klingt das leider nach einem weiteren Schritt der Überwachung.

    Nutzt die Regierung Master Data Management um den „Citizen“ und sein Verhalten zu registrieren? ;-)

    1. Gut, dass du vorbildlich vorangehst und deinen vollständigen Namen benutzt, Ben. Pseudonyme für Schriftsteller und Künstler gehören auch verboten.

  4. Manchmal wäre es vielleicht doch schön festzustellen, wieviele Sockenpuppen sich (gerade) hier tummeln und wieviele Selbstgespräche in den Kommentarzeilen der FAZ geführt werden.

  5. sobald Social Scoring bei uns auch eingeführt wird, gibt es für mich dann wohl leider nur noch abgelaufene Lebensmittel, Rabattmarken als Kreditrahmen, 10-tägige Fahrradtouren um den örtlichen Baggersee und eine Karte, wo die besten Heilpflanzen zu finden sind als Gesundheitsversorgung. Links sein hat halt seinen Preis. ^^

Dieser Artikel ist älter als ein Jahr, daher sind die Ergänzungen geschlossen.