BKA-GesetzWenn Polizisten zu Einbrechern mutieren

Innenministerin Faeser will der Polizei erlauben, heimlich in Wohnungen einzubrechen, auch um Staatstrojaner zu installieren. Hendrik Zörner vom Deutschen Journalisten-Verband erinnert das an die Watergate-Affäre in den USA. Das Gesetz würde den Informantenschutz aushöhlen und die Pressefreiheit schwächen.

Einbrecher bei Nacht
Einbrecher oder Polizei? CC-BY 2.0 Tim Reckmann

Hendrik Zörner ist Pressesprecher des Deutschen Journalisten-Verbands. Die Gewerkschaft hat den Gesetzentwurf zum BKA-Gesetz bereits in zwei Pressemitteilungen kritisiert: „Hände weg vom BKA-Gesetz.“

Der 17. Juni 1972 hat Geschichte geschrieben. In den frühen Morgenstunden überraschte die Polizei in der US-Hauptstadt Washington mehrere Männer bei einem Einbruch in die Parteizentrale der Demokratischen Partei im Watergate-Bürokomplex.

Wie sich später herausstellte, gehörten die Einbrecher zu den sogenannten Klempnern, die die undichten Stellen stopfen sollten, durch die nach Meinung des paranoid-misstrauischen US-Präsidenten Richard Nixon Informationen aus seiner Regierung zu den oppositionellen Demokraten flossen.

52 Jahre später tritt die deutsche Bundesinnenministerin Nancy Faeser in die Fußstapfen des für seine kriminellen Machenschaften berüchtigten Ex-Präsidenten.

Wer schützt Journalist:innen?

Vor sieben Jahren hat die Große Koalition beschlossen, dass Polizei und Geheimdienste sogenannte Staatstrojaner einsetzen dürfen, um die Geräte von Verdächtigen zu hacken und ihnen Überwachungssoftware unterzuschieben. Ziel der Maßnahmen ist nicht nur, Straftaten aufzuklären, sondern auch Kommunikation präventiv zu überwachen, bevor eine Straftat begangen wird.

Das darf das BKA zur Abwehr „einer dringenden Gefahr für den Bestand oder die Sicherheit des Bundes oder eines Landes oder für Leib, Leben oder Freiheit einer Person oder Sachen von bedeutendem Wert, deren Erhaltung im öffentlichen Interesse liegt“. Unter Umständen dürfen dazu auch Kontaktpersonen der Verdächtigen gehackt werden.

Soweit, so schlecht. Denn wer gehört zu den Kontaktpersonen? Und wer entscheidet über die „dringende Gefahr“, die es abzuwehren gilt? Wie kann ausgeschlossen werden, dass etwa die Kommunikation zwischen recherchierenden Journalisten und Tatverdächtigen abgeschöpft und ausgewertet wird? Und wer schützt Journalistinnen und Journalisten vor übereifrigen Ermittlern?

Bundespräsident mischt sich ein

Deutsche Polizisten haben 2022 bereits 53 Mal Geräte mit Staatstrojanern infiziert. Die Erlaubnis dazu haben sie 109 Mal erhalten. Obwohl die Polizei eine ganze Reihe an Trojaner-Produkten besitzt, kann sie nicht alle Geräte erfolgreich aus der Ferne infizieren.

Deshalb will die Bundesinnenministerin jetzt nachschärfen. Damit die Smartphones und Tablets von Verdächtigen mit der staatlichen Spähsoftware infiziert werden können, sollen Polizisten künftig in die Wohnungen der Verdächtigen einbrechen dürfen. Das zumindest sieht die Änderung des BKA-Gesetzes vor, die netzpolitik.org Mitte August veröffentlicht hat. Die Klempner lassen grüßen.

Mit Verve schoss Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) dagegen. Mit dieser Maßnahme werde es das BKA-Gesetz nicht bis ins Bundeskabinett schaffen, kündigte er an.

Der Liberale hatte seine Rechnung ohne den Messerangriff von Solingen und ohne den Bundespräsidenten gemacht. Denn Frank-Walter Steinmeier mischte sich unmittelbar nach der grausamen Bluttat ins politische Tagesgeschäft ein und brachte die Änderung des BKA-Gesetzes erneut ins Spiel.

Pressefreiheit massiv unter Druck

Was würde sich ändern, wenn Polizisten Wohnungen heimlich aufbrechen und Staatstrojaner installieren dürften? Der Informantenschutz, den Journalisten ihren Tippgebern garantieren müssen, würde ausgehöhlt, das Redaktionsgeheimnis auch. Die Pressefreiheit, in Deutschland wegen der Übergriffe von Rechtsextremisten auf Medienschaffende eh schon massiv unter Druck, würde weiter an Bedeutung verlieren. Wie viele Straftaten sich so verhindern ließen, steht in den Sternen.

Und wer garantiert, dass die fürsorglichen Besuche der Hacker in Uniform nicht auch dann erfolgen, wenn gegen besonders renitente Klimaaktivisten mit weitreichenden Pressekontakten ermittelt wird? Das Pressetelefon der Letzten Generation hat die Polizei bereits abgehört.

Ob sich Polizisten eigentlich gern als Einbrecher im Staatsauftrag einsetzen lassen? Im Fall Watergate waren die Klempner Kriminelle und keine Polizisten. Aber das ist auch schon über ein halbes Jahrhundert her.

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