Das EU-Parlament möchte Journalist:innen und ihre Quellen besser vor Überwachung schützen, doch die EU-Länder im Ministerrat drücken auf die Bremse. Sie fordern weitreichende Ausnahmen für die „nationale Sicherheit“. Eskalieren dürfte dieser Konflikt nun in den bevorstehenden Verhandlungen rund um das Europäische Medienfreiheitsgesetz (European Media Freedom Act).
Den Vorschlag für die neue Verordnung hatte die EU-Kommission im Vorjahr auf den Weg gebracht. Sie reagiert damit auch auf die Entwicklungen in Polen und Ungarn, wo Medien zunehmend ihre Unabhängigkeit verlieren und politisch instrumentalisiert werden. Eine Rolle gespielt haben auch die Enthüllungen über den Staatstrojaner Pegasus. Damit wurden in mehreren EU-Staaten auch Journalist:innen und Oppositionspolitiker:innen in Visier genommen. Wenn Regierungen selbst Journalist:innen hacken und aushorchen, dann stehen freie Berichterstattung und der Schutz von Quellen auf dem Spiel.
„Wir mussten in den vergangenen Jahren in mehreren Ländern der EU immer wieder beobachten, dass heftig in die Pressefreiheit eingegriffen wurde“, schreibt der deutsche EU-Abgeordnete Daniel Freund (Grüne) an netzpolitik.org. „Unter fadenscheinigen Vorwänden wurden Journalisten einfach abgehört. Das müssen wir verhindern.“ So brauche die EU deutlich strengere Regeln für Spionagesoftware. Einsicht in verschlüsselte Daten journalistischer Arbeit gehört verboten, fordert Freund.
EU-Staaten wollen Lücke ins Gesetz reißen
Zumindest das EU-Parlament kommt diesem Ziel ein wenig näher. Vergangene Woche haben sich die federführenden Ausschüsse auf eine gemeinsame Position zu dem geplanten Regelwerk verständigt. Darin setzen sie der Überwachung von Journalist:innen, ihres Umfelds und ihrer Quellen enge Grenzen. Anfang Oktober soll dann das Plenum des Parlaments über diese Position abstimmen. Dabei kann sich etwas ändern: Obwohl die Position im hauptverantwortlichen Ausschuss für Kultur und Bildung (CULT) mit einer breiten Mehrheit angenommen wurde, könnten sich noch Änderungen ergeben. Danach ist der Weg frei für die sogenannten Trilog-Verhandlungen über das finale Gesetz, dafür kommen Parlament, Ministerrat und EU-Kommission zusammen.
Wie sich die EU-Staaten zum Vorschlag der Kommission verhalten, steht bereits fest. Auf Drängen von Frankreich, Deutschland und weiteren Staaten pochen sie auf einen Blanko-Scheck für Überwachungsmaßnahmen, sofern die „nationale Sicherheit“ berührt wird. Freilich hebelt das die guten Absichten des Gesetzes aus, schließlich führen betroffene Staaten längst „nationale Sicherheitsinteressen“ für den Einsatz von Pegasus an – und verweigerten mit der gleichen Begründung die Zusammenarbeit mit dem Untersuchungsausschuss des EU-Parlaments.
Dabei gibt es überwältigende Hinweise darauf, dass die Spionage in vielen Fällen reichlich wenig mit nationaler Sicherheit zu tun hatte. Erst letzte Woche kam eine von der Opposition kontrollierte Sonderkommission des polnisches Senats zu dem Schluss, der Einsatz von Pegasus sei illegal gewesen und habe die vergangene Parlamentswahl manipuliert.
Sippel pocht auf „unerlässliche Eckpunkte“
Ähnliche Vorfälle will das EU-Parlament eigentlich mit dem neuen Gesetz verhindern. Manchen grünen, linken und sozialdemokratischen Abgeordneten fällt der vorgesehene Schutz allerdings nicht stark genug aus. Denn auch der Kompromisstext des Parlaments enthält Ausnahmen: Beim Verdacht auf schwere Straftaten, etwa Terrorismus oder Mord, könnten in Einzelfällen und nach einer richterlichen Genehmigung die Geräte von Journalist:innen dennoch abgehört oder beschlagnahmt werden. Das geht aus der konsolidierten, nicht-offiziellen Fassung der Parlamentsposition hervor. Sie folgt dem Vorschlag des LIBE (Ausschuss für bürgerliche Freiheiten, Justiz und Inneres), der für die entsprechenden Passage zuständig ist.
Es ist möglich, dass zur kommenden Abstimmung im EU-Parlament noch Änderungsanträge eingereicht werden, die das Überwachungsverbot für Journalist:innen nachschärfen. Einigermaßen fest steht für das Parlament jedoch, dass es keine breiten Ausnahmen für die Überwachung von Journalist:innen geben soll, wie sie der EU-Rat fordert.
Nur dann könnte das Gesetz ein „Meilenstein in der Gesetzgebung zum Schutz der Medienfreiheit und des Medienpluralismus“ werden, mahnt die deutsche EU-Abgeordnete Birgit Sippel (SPD) . „Das Verbot des Einsatzes von Spähsoftware und der Schutz journalistischer Quellen und verschlüsselter Kommunikation sind unerlässliche Eckpunkte, die es in den Verhandlungen mit dem Rat unermüdlich zu verteidigen gilt“, schreibt Sippel.
Update, 18.09.: Seit heute steht der finale Text des im CULT-Ausschuss beschlossenen Berichts auf der Website des EU-Parlaments zur Verfügung.
> Das EU-Parlament möchte Journalist:innen und ihre Quellen besser vor Überwachung schützen, doch die EU-Länder im Ministerrat drücken auf die Bremse.
Welche Länder genau, bitte? Das die unten genannten Länder Polen und Ungarn dazu zählen dürften, wäre keine Überraschung. Überaus interessant jedoch wäre es, ob und welche EU-Mitgliedstaaten keine Verbesserung wollen.
1. „Auch den Artikel, der die Medieneigentümer verpflichtet „die redaktionelle Freiheit“ zu respektieren, wollen die Mitgliedsstaaten stark abschwächen, indem sie – auf Druck der deutschen Regierung – diese Freiheit nur „innerhalb der redaktionellen Linie“ zugestehen, die der Eigentümer festlegen darf. “
(Quelle: https://www.tagesspiegel.de/internationales/investigate-europe-wie-sich-manche-eu-lander-gegen-ein-geplantes-eu-gesetz-zur-medienfreiheit-sperren-10409830.html.
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2. Antwort der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien zu der Einschränkung mit der „nationalen Sicherheit“:
„Zutreffend ist, dass der fragliche Artikel 4 des EMFA in der Fassung des Rates in Abs. 4 einen pauschalen Hinweis enthält, dass die Kompetenzen der Mitgliedstaaten für die nationale Sicherheit nach dem EU-Vertrag von Lissabon unberührt bleiben. Dort wird die Kompetenz im Bereich der nationalen Sicherheit allein bei den Mitgliedstaaten verortet. Eine Ermächtigungsgrundlage für Überwachungsmaßnahmen o.Ä. stellt dies nicht dar. Vielmehr soll diese Regelung die Kollision mit der Regelung zur Kompetenzverteilung im EU-Vertrag als höherrangigem Primärrecht verhindern und so die Rechtmäßigkeit des EMFA insgesamt absichern. Sie wurde als Kompromiss in das Verhandlungsmandat des Rates für den Trilog aufgenommen. Diesem Kompromiss haben Bund und Länder gemeinsam zugestimmt, um der schwedischen Ratspräsidentschaft zu ermöglichen, einen noch viel weiterreichenden Vorschlag zur nationalen Sicherheit – nämlich mit Blick auf die gesamte Verordnung – zu verhindern.“
( Antwort stammt aus der frag-den-Staat-Anfrage https://fragdenstaat.de/anfrage/verhandlungsgrundlage-der-dt-regierung-im-rat-medienfreiheitsgesetz-eu/#nachricht-818544 )
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=> Birgit Sippel, Daniel Freund, Hannah Neumann müssen die deutsche Regierung zuhause überzeugen, damit dieses Mal Reporter-ohne-Grenzen gewinnt, bitte.
Zitat taz: Cyber-Attacke gegen Presse-Institut
Das International Press Institute in Wien wird von Hackern attackiert.
Das IPI hat Hinweise darauf, dass es sich bei den Angreifenden um einen oder mehrere Hacker aus Ungarn handeln könnte. Es sieht einen Zusammenhang zu ähnlichen Attacken, die in den letzten Monaten regierungskritische Medien in Ungarn trafen.
https://taz.de/Hacker-mit-Spuren-nach-Ungarn/!5960140/
Ellsberg vs. Nixon
Elliott Richardson vs. Nixon
Augstein vs. Strauß
Manning vs. Bush ff
Assange vs. Bush ff
Snowden vs. Bush ff
Drake vs. Bush ff
usw.
Überall spielt hier der Aspekt der „Nationalen Sicherheit“ mit hinein, um Illegalitäten vor Strafverfolgung zu schützen. So verhalten sich autokratische Strukturen.
In Demokratien besteht die „nationale Sicherheit“ darin, daß das Volk Bescheid weiß. Ein aufdeckender Beitrag eines Whistleblowers (m/w/d) ist also ein Beitrag zur „nationalen Sicherheit“, wenn Illegalitäten seitens eines demokratischen Staates beleuchtet werden.
Dies zu wollen bedeutet Demokrat zu sein, auch wenn es für viele Abgestumpfte naiv klingt.