Angeblich gibt es ja keine dummen Fragen. Aber ich war doch etwas nervös, als im November das erste Interview mit einem Redaktionsmitglied anstand. Geplant waren einstündige Gespräche über die Kernthemen der Redaktion. Insgesamt acht Beiträge sollten daraus hervorgehen, so hatten wir es für unsere Spendenkampagne geplant. Die Texte sollten unseren Leser*innen nicht nur die Themen, sondern auch die Menschen bei netzpolitik.org näherbringen.
Auf netzpolitik.org schreiben wir seit fast zwei Jahrzehnten zu digital- und netzpolitischen Themen. Und natürlich kann nicht jeder neue Text die gesamte Entwicklung in diesem Feld neu erzählen. Dafür gibt es schließlich Links. Der Einstieg in ein neues Thema ist allerdings nie einfach. Und so hört man bei netzpolitischen Themen häufig die Frage: Was hat das mit mir zu tun? Warum ist das Thema wichtig? Diesen Fragen sollten die Gespräche nachgehen.
Mit allen Sinnen in unsere Kernthemen!
Nach fast sieben Jahren kenne ich die inhaltlichen Steckenpferde der Redaktion und ihre Standpunkte. Expertin bin ich deswegen noch lange nicht. Wer Interviews mit Expert*innen führt, muss alle Sinne zugleich nutzen. Auf relevante Punkte eingehen, Nebensätze herausfiltern, hinter denen eine ganze Geschichte stecken könnte, das Thema rasch in der Tiefe erfassen.
Entstanden sind acht zeitlose Texte und Videos über netzpolitische Kernthemen. Eine überraschende Erkenntnis kam noch hinzu: Wie stimulierend der Zugang zu einem anderen Menschen über ihre Überzeugungen ist.
Ingo
Das erste Interview führte ich mit Ingo. Ingo arbeitet ebenso lange bei netzpolitik.org wie ich. Wir kennen den Laden von innen also fast genauso lange. Ich wusste nicht mehr, dass einer seiner ersten Artikel den Datenschutz bei Pokémon Go behandelt. Aber Ingo ist unser Experte für Datenschutz – manchmal wider Willen. Datenschutz ist für ihn aber nicht nur Paragraphenreiterei, sondern eine Frage des Respekts und am Ende auch eine Frage der Kapitalismuskritik. Danke für diesen Einblick, der weit über Cookie-Banner hinausreicht!
Chris
Mit Chris sprach ich über Ausländerbehörden, die mit fragwürdigen Methoden versuchen, die Identität einer Person nachzuweisen. Auch das ist weit mehr als ein Sachthema. Dahinter stecken Überzeugungen, wie Menschen sich gegenüber Menschen verhalten sollten. Nur weil über eine Realität sachlich berichtet wird, heißt das nicht, dass diese Realität keine Emotionen auslöst. Chris kämpft für Grundrechte – und damit gegen die Ungerechtigkeit, die Menschen widerfährt.
Andre
Wer Andre schon einmal live erlebt hat, weiß, dass er nicht zum Spielen gekommen ist. Für Salamitaktik ist er nicht zu haben. Und gerade beim Thema staatliche Überwachung geht es ihm immer ums große Ganze. Und Andre will es genau wissen. Wenn IFG-Anfragen nicht beantwortet werden, klagt er Informationen vor Gericht ein. Und er hat es geschafft, dass ein Hersteller von Staatstrojanern nun Geschichte ist. Wer ihm einmal gegenüber saß, wird merken, dass Andre im wahrsten Sinne des Wortes unbestechlich ist.
Constanze
Eine Stunde Gespräch war vergangen, als wir bemerken, dass das Aufnahmegerät nicht eingeschaltet war. Aber mit Constanze kann man tausend Stunden lang und zwölfmal über das gleiche Thema reden – es wird nicht langweilig. Sie begleitet das Thema Massenüberwachung von Anfang an. Schon bei der ersten Verfassungsbeschwerde gegen die anlasslose Massenüberwachung war Constanze dabei. Und Constanze wird niemals mürbe. Auch wenn es das Thema zum drölfsten Mal in die Koalitionsverträge schafft.
Markus
Eigentlich könnte man den Ton auch ausschalten, wenn Markus über das Thema Chatkontrolle redet. Seine Überzeugung und Leidenschaft ist ihm so ins Gesicht geschrieben, dass Mimik und Gestik ausreichen, um in mir den Wunsch auszulösen, mit ihm auf die nächste Demo zu gehen. Vielleicht machen wir das bald wieder einmal – denn wenn irgendjemand bei uns Demo-Experte ist, dann ist das Markus. Bis dahin lese ich mit Gewinn und Freude seine Texte.
Sebastian
Sebastian ist ein perfekter und zugleich kein einfacher Interviewpartner. Er antwortet fokussiert, bedacht und sprachlich auf den Punkt auf Fragen rund um das Thema Gesichtserkennungssuchmaschinen. Sebastians Tonaufnahme brauchte die geringste Nachbearbeitung. Gespräche mit ihm kann man fast ein zu eins als Text abdrucken. Umso schwieriger ist es, an die Geschichten hinter seinen Antworten heranzukommen. Am Ende sprachen wir dann aber doch über die unterschiedliche Sensibilität von Menschen, darüber, wie es ist, Fotos von Fremden zu schießen, und über Party-Tourist*innen, vor denen man in Deckung gehen muss.
Tomas
Ich wusste, wenn ich mit Tomas über Infrastrukturausbau rede, wird es ein Ausflug in die Geschichte. In diesem Fall bis zur Kanzlerschaft von Helmut Schmidt. Wenn Tomas erzählt, was die 1970er Jahre mit dem Glasfaserausbau von heute zu tun haben, kann man sich nur zurücklehnen und versuchen, so viel aufzusaugen wie nur möglich. Niemand denkt so lange nach wie Tomas, um auf eine Frage zu antworten. Umso versierter ist seine Antwort. Kein Platz für Fehler und Widersprüche. Danke für die Reise durch die Zeit!
Alle
Und vielen Dank an all jene, die mit uns, dem Spenden-Team, ihr lang erarbeitetes Wissen geteilt und heruntergebrochen haben. Und Danke, dass ihr gezeigt habt, wofür ihr eintretet und aus welchen Motiven. Eine Spendenkampagne ist immer eine Gemeinschaftsaufgabe – vielen Dank auch an die fleißigen Menschen im Hintergrund, namentlich Ole, Daniel, Tina, Malte, Jakob, Jocca, Anna, Markus, Mark.
Und Dank auch an alle Spender*innen, die diese Arbeit zu schätzen wissen.
Die harten Zahlen
Die Spendenkampagne zum Jahresende beginnt und wir freuen uns über knapp 77.000 € an Spendeneinnahmen. Der Merchstore steuerte 650 € Erlöse bei und die Verlagsanteile spülten uns weitere 300 € aufs Konto. Die Lohnkosten beliefen sich wieder grob auf 75.000 €.
Der Posten Fremdleistungen betrug insgesamt 5.500 € und enthielt hier Kosten für die Moderation des Organisationsentwicklungs-Meetings, des Lohnabrechners sowie steuerliche Beratung und Artikel freier Mitarbeiter*innen. Verwaltung und Infrastruktur kosteten in diesem Monat mit knapp 4.900 € etwas mehr als in den meisten Monaten. Hier schlugen vor allem die jährliche Haftpflichtversicherung sowie eine etwas größere DATEV-Rechnung und die Jahrespauschale für eine arbeitsmedizinische Betreuung zu Buche.
Die Raumkosten enthielten mit 4.740 € wieder die Büromiete sowie die Location für das Organisationsentwicklungs-Meeting, das im November stattfand. Da wir das Merchlager länger nicht aufgefüllt haben, war es hierfür mal wieder Zeit. Für 2.500 € haben wir neue Kleidung für euch im Sortiment.
Für das Büro benötigten wir einen neuen Schwung Covid-Tests und allerlei andere Kleinigkeiten von Leuchtmitteln über Akkus bis zu einer Standheizung. (Da Stefanie mit den vielen Kleidungsschichten zunehmend dem Michelin-Männchen ähnelte, erscheint uns eine zusätzliche Wärmequelle als sinnvolle Investition.) Betriebsbedarf schlägt daher mit 1.000 € zu Buche.
Auch in diesem Monat fand ein Organisationsentwicklungs-Meeting statt, weshalb der Posten „Bewirtungen, Aufmerksamkeiten und Reisekosten“ 1.650 € beträgt. Enthalten sind auch die Reisekosten für Stefanies Besuch beim DATEV-Kongress. Da Tina sich keine zusätzliche Standheizung gegönnt hatte, lag sie leider flach und konnte nicht mit.
Somit ergab sich für den November ein Defizit von 18.000 €.
Danke für Eure Unterstützung!
Wenn ihr uns unterstützen wollt, findet ihr hier alle Möglichkeiten. Am besten ist ein Dauerauftrag. Er ermöglicht uns, langfristig zu planen:
Inhaber: netzpolitik.org e. V.
IBAN: DE62430609671149278400
BIC: GENODEM1GLS
Zweck: Spende netzpolitik.org
Wir freuen uns auch über Spenden via Paypal.
Wir sind glücklich, die besten Unterstützerinnen und Unterstützer zu haben.
Unseren Transparenzbericht aus dem Oktober findet ihr hier.
Vielen Dank an euch alle!
0 Ergänzungen
Dieser Artikel ist älter als ein Jahr, daher sind die Ergänzungen geschlossen.