Die EU-Agentur für die Sicherheit des Seeverkehrs (EMSA) hat eine neue Ausschreibung zur unbemannten Überwachung europäischer Meeresgebiete veröffentlicht. Über die europäische Vergabeplattform „Ted“ wird eine Firma gesucht, die für 20 Millionen Euro zunächst 2.300 Flugstunden mit größeren Drohnen durchführt. Sie sollen in einem Radius von mindestens 500 Kilometern operieren und über zehn Stunden in der Luft bleiben. Den Plänen zufolge sollen die Drohnen ohne Start- und Landebahn auskommen. Dadurch soll ihre Verlegung in eine Einsatzgebiet schnell und flexibel entschieden werden können.
Mit dem neuen Auftrag hat die EU-Kommission seit 2017 mindestens 308 Millionen Euro für den Einsatz von Drohnen ausgegeben. Dabei sind viele Gelder nicht eingerechnet. Die britische Nichtregierungsorganisation Statewatch bezifferte etwa die Forschung und Entwicklung von unbemannten Systemen bis zum Jahr 2014 auf rund 500 Millionen Euro.
Überwachungstechnik und Echtzeit-Streaming
Mit über 200 Millionen Euro hat die EMSA mit Sitz in Lissabon die meisten Drohnendienste bezahlt. Sie werden in allen Seegebieten der Europäischen Union und der Europäischen Freihandelsassoziation geflogen. Dazu gehören auch Island und Norwegen.
Einsatzzwecke sind Missionen, die die EMSA in Kooperation mit Grenzagentur Frontex und der Fischereiagentur EFCA durchführt. Dies umfasst die Grenzüberwachung, die Erkennung von Verschmutzungen auf See oder die Verfolgung von illegaler Fischerei.
Die unbemannten Systeme ergänzen die Meeresüberwachung der drei Agenturen. Das gemeinsame Lagebild von Frontex, EMSA und EFCA enthält nach einem gemeinsamen Abkommen außerdem Satellitenbilder, Informationen zu Schiffsbewegungen und aus der Überwachung mit Charterflugzeugen. Bei Frontex können die Informationen in einer neuen „Bedrohungskarte“ verarbeitet werden.
Automatische Zählung von Personen auf Schlauchbooten
Der neue Vertrag umfasst auch den Aufbau eines Kommunikationsnetzes und mindestens zwei Bodenstationen, die zur Steuerung der Drohnen und zum Empfang der Aufklärungsdaten benötigt werden. Die EMSA vergibt außerdem 1,83 Millionen Euro für das Echtzeit-Streaming der Aufnahmen in die Hauptquartiere der Agenturen.
Die Drohnen sollen bei der Erkennung von ungewöhnlichem Schiffsverhalten automatische Warnmeldungen auslösen. Dabei werden unter anderem die Position, der Kurs, die Geschwindigkeit und die Entfernung eines Schiffes zur Küste verarbeitet. Als verdächtig gelten etwa eine auffällige Nähe zu anderen Schiffen, der Wechsel der Fahrspur, ein besonderer Tiefgang oder Umladungen auf hoher See. Ein Radargerät soll außerdem Schiffe identifizieren, die auf einer schwarzen Liste stehen. Zu den weiteren Anforderungen gehört die Erkennung von Treibgut oder von Einleitungen.
Mit den optischen und infrarotbasierten Kameras soll es außerdem möglich sein, aus höchstens zehn Kilometern Entfernung den klein geschriebenen Namen eines Schiffes zu lesen. Auch die Anzahl von Personen auf einem Schlauchboot soll bei Tag und Nacht aus der Ferne erkennbar sein. Gewünscht, aber nicht unbedingt erforderlich ist außerdem eine Technik zur Erkennung von Mobiltelefonen.
Totalschaden auf Kreta
Erstmals hatte die EMSA im Jahr 2016 Drohnendienste über 67 Millionen Euro ausgeschrieben. In drei Losen wurden große, mittlere und kleine Luftfahrzeuge gesucht. Sie sollten in verschiedenen Ländern für die allgemeine Meeresüberwachung eingesetzt werden. Ab 2017 flog dann die portugiesische Firma Tekever mit ihren inzwischen weltweit vermarkteten „AR5“ für die Agentur.
In einer weiteren Ausschreibung suchte die EMSA für zehn Millionen Euro unbemannte Luftfahrzeuge zur Messung von Schwefeloxiden, Kohlendioxid und Stickoxiden in den Abgasfahnen von Schiffen sowie zur Erkennung von Verschmutzungen der Meere. Ein Jahr später gab die Agentur weitere 310.000 Euro aus, unter anderem um das Echtzeitstreaming von Überwachungsdaten in Lagezentren der Agenturen zu verbessern.
Ab 2018 beauftragte die EMSA Flüge mit einer großen Drohne des Typs „Hermes 900“ der israelischen Firma Elbit Systems. Für über 59 Millionen Euro erledigte die Langstreckendrohne Einsätze für die griechische und isländische Küstenwache. Auf Kreta erlitt das Luftfahrzeug Totalschaden bei einem missglückten Start. Eigentlich auf zwei Jahre angelegt, wurde der Einsatz im vergangenen Jahr deshalb vorzeitig beendet. Es ist unklar, ob die EMSA Gelder aus dem abgebrochenen Projekt für andere Drohnenflüge verwendet.
Senkrechtstarts an Land oder von Schiffen
Ab 2018 vergab die EMSA weitere Verträge über insgesamt 38 Millionen Euro für Systeme, die entweder an Land oder von Schiffen starten. Verschiedene Hubschrauberdrohnen und Starrflügler flogen anschließend für durchschnittlich jeweils drei Monate in Portugal, Spanien, Dänemark, Griechenland, Kroatien und Italien. Es folgten Anforderungen für unterschiedliche Zwecke aus Frankreich, Großbritannien, Bulgarien, Litauen, Portugal und Rumänien. In Deutschland sollen die EMSA-Drohnen Schiffsemissionen in der Ostsee untersuchen.
Im gleichen Jahr finanzierte die EMSA für 2,86 Millionen Euro zudem Drohnendienste mit kleinen Quadrokoptern, die von Schiffen gestartet werden können. Für die Einrichtung eines satellitengestützten Kommunikationsnetzwerks gab die Agentur zusätzliche 3,4 Millionen Euro aus.
Im vergangenen Jahr wurden die Verträge abermals ergänzt. Für 20 Millionen Euro suchte die EMSA unbemannte Senkrechtstarter, die entweder an Land oder von Schiffen aus gestartet werden können und bis zu vier Stunden in der Luft bleiben können.
Auch Frontex vergibt neue Verträge
Die EU-Grenzagentur hat ihre Drohnendienste ebenfalls erweitert. Nach der EMSA hatte Frontex zunächst 2018 zwei Pilotprojekte im Mittelmeer durchgeführt. Von Kreta flog eine israelische „Heron 1“, der Rüstungskonzern Airbus erhielt dafür als Hauptauftragnehmer 4,75 Millionen Euro. Auf Sizilien stationierte Frontex für 1,7 Millionen Euro eine „Falco EVO“ der italienischen Firma Leonardo. Letztes Jahr hat Frontex schließlich Airbus für 50 Millionen Euro beauftragt, für die nächsten zwei Jahre Flüge mit einer „Heron 1“ im zentralen Mittelmeer durchzuführen.
Jetzt sucht Frontex Firmen, die für zwei Millionen Euro Flugstunden mit 20 Quadrokoptern zur Verfügung stellen. Die Nutzlast der kleinen Geräte soll rund sieben Kilogramm betragen. Die Ausschreibung passt auf Systeme, wie sie die chinesische Firma DJI inzwischen für Behörden mit Sicherheitsaufgaben anbietet.
In diesem Jahr verlängert die Grenzagentur außerdem ihre Tests mit einem unbemannten Zeppelin, der zur Steuerung und Energieversorgung an einem 1.000 Meter langen Kabel befestigt ist. Ein erstes Pilotprojekt kostete 482.000 Euro, für die Neuauflage gibt Frontex 3,01 Millionen Euro aus. Hauptauftragnehmerin ist wieder eine deutsche Firma in Kornwestheim.
Einsätze auf der „Balkanroute“ und im Ärmelkanal
Neben ihren Agenturen fördert die EU-Kommission Mitgliedstaaten bei der Beschaffung unbemannter Systeme zur Grenzüberwachung. Die Vergabe erfolgt über den Fonds für die innere Sicherheit (ISF). Den bisherigen Wert dieser Projekte bezeichnet die Kommission mit 15,8 Millionen Euro im Rahmen des ISF-Bereichs „Grenzen und Visa“ sowie 7,5 Millionen Euro im Bereich „Polizei“. Mittel gingen demnach an Deutschland, Bulgarien, Estland, Frankreich, Griechenland, Italien, Litauen, Malta und Polen.
Die Gelder unterstützen nationale Projekte wie in Italien, in denen das Innenministerium das zentrale Mittelmeer mit großen Drohnen überwacht. Kleine Drohnen kommen hingegen auf der sogenannten Balkanroute zum Einsatz. Das „Border Violence Monitoring Network“ hat jüngst einen Bericht veröffentlicht, wonach Grenztruppen in Kroatien immer öfter Mikrodrohnen zur Beobachtung der grünen Grenze nutzen.
Auch die Polizei in Österreich soll inzwischen über mehr als 40 chinesische Quadrokopter zur Grenzüberwachung verfügen. Es ist aber unbekannt, ob diese mit EU-Mitteln gekauft wurden.
Tests mit unbemanntem Patrouillenboot
Neben den alltäglichen Einsätzen finanziert die EU-Kommission millionenschwere Forschungsprogramme. In FOLDOUT testen die Beteiligten etwa das Zusammenspiel von kleinen und großen Drohnen mit Plattformen zur Beobachtung aus der Stratosphäre. Das Projekt ROBORDER untersucht, wie Flugdrohnen gemeinsam mit unbemannten Systemen an Land, über und unter Wasser operieren können.
Bislang verfügt noch keine Grenzbehörde eines EU-Mitgliedstaates über Schiffe, die aus der Ferne gesteuert werden. Erst kürzlich hat das Militär in Großbritannien ein solches Drohnenboot getestet. Es könnte die bemannte und unbemannte Aufklärung im Ärmelkanal ergänzen, die Polizei und Militär gemeinsam durchführen. Für die Verarbeitung der verschiedenen Informationsquellen haben die britischen Behörden ein neues Kommandozentrum in Dover eingerichtet.
Noch bis zum 30. April verfolgt die EU-Kommission mit COMPASS2020 ein ähnliches Ziel. Darin entwickeln Rüstungskonzerne und Behörden eine Plattform, die Aufklärungsdaten von Satelliten, Drohnen und Flugzeugen zusammenführt. Weitere Informationen stammen von unbemannten Über- und Unterwasserfahrzeugen. Das Projekt wird angeführt von der Seeverkehrsbehörde aus Portugal, trotz Brexit forscht auch die britische Grenzpolizei mit. An Bord sind außerdem Airbus und Tekever, mithin jene beiden Firmen, die in den vergangenen Jahren jeweils einen dreistelligen Millionenbetrag für die EU-Drohnenüberwachung einheimsen konnten.
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