Google Street View: Deutschland droht kein Blackout!

Ok, ich mache es kurz: Google hat uns weiterhin lieb. Also, vielleicht nicht gerade uns hier bei Netzpolitik.org (obwohl wir fraglos Deutschlands liebenswertestes Netzpolitik-Blog sind!), sondern mehr so im Allgemeinen. Allerdings gibt es ein paar Missverständnisse aufzuklären.

Worum geht es überhaupt? Gestern machte ein Blogeintrag von „Search Engine Land“ die Runde, dass Google die Aufnahmen für Street View in Deutschland gestoppt habe:

In diesem Fenster soll der Inhalt eines Drittanbieters wiedergegeben werden. Hierbei fließen personenbezogene Daten von Dir an diesen Anbieter. Aus technischen Gründen muss zum Beispiel Deine IP-Adresse übermittelt werden. Viele Unternehmen nutzen die Möglichkeit jedoch auch, um Dein Nutzungsverhalten mithilfe von Cookies oder anderen Tracking-Technologien zu Marktforschungs- und Marketingzwecken zu analysieren.

Wir verhindern mit dem WordPress-Plugin „Embed Privacy“ einen Abfluss deiner Daten an den Drittanbieter so lange, bis Du aktiv auf diesen Hinweis klickst. Technisch gesehen wird der Inhalt erst nach dem Klick eingebunden. Der Drittanbieter betrachtet Deinen Klick möglicherweise als Einwilligung die Nutzung deiner Daten. Weitere Informationen stellt der Drittanbieter hoffentlich in der Datenschutzerklärung bereit.

Zur Datenschutzerklärung von Google Maps

Zur Datenschutzerklärung von netzpolitik.org

Street View website explains.

But that’s not happening in Germany.

Despite the recent German court ruling that declared photography from streets legal in Germany, Google has stopped Street View photography there and says it has “no plans to launch new imagery on Street View in Germany.” […]

Im Wesentlichen behauptet McGee also drei Dinge:

  • Google schickt seine Autos wiederholt raus, um Informationen aktuell zu halten. Nur nicht in Deutschland.
  • Google hat die Aufnahmen in Deutschland gestoppt
  • Es gäbe keine Pläne, weiteres Bildmaterial aus Deutschland bei Street View zu veröffentlichen.

Punkt 1: Anders, als McGee behauptet, erklärt die von ihm(!) verlinkte(!) Webseite lediglich, wo die Street-View-Autos gerade unterwegs sind (Hervorhebung von mir). Eben diese Information will Google möglichst aktuell halten:

This information shows a sample of the areas in which our cars are currently operating. We try to make sure the information is accurate and kept up to date, but because of factors outside our control (weather, road closures, etc), it is always possible that our cars may not be operating, or be operating in areas that are not listed. In these circumstances, we’ll try to update the list as soon as we can.

Es geht an dieser Stelle also gar nicht um die Aktualisierung des Datenbestandes (dazu später). Vor allem aber geht es nicht darum, Bildmaterial zu aktualisieren. Eine Aktualisierung veralteter Bilder ist zur Zeit schlicht nicht geplant. Das hat weniger mit dem Ärger zu tun, den Google in Deutschland hatte, sondern schlicht mit der Tatsache, dass der Rest der Welt ja auch noch fotografiert und nachbearbeitet werden muss. Man muss halt Prioritäten setzen. Und das vielleicht nicht gerade in Wanne-Eickel.

Das ist soweit nicht einmal eine neue Information. Bereits im Oktober schrieb ich in einem Kommentar hier bei Netzpolitik zur Frage, wie es denn im Fall von neuen Aufnahmen mit den Widersprüchen (werden nach Bearbeitung gelöscht) aussehen würde:

Zu den Updates: Gute Frage. Soweit ich Stefan Keuchel verstanden habe (ich letztens für meine FAS-Kolumne kurz mit ihm telefoniert) sind erst einmal keine Updates geplant. Da allerdings wohl auch die Widerspruchsanträge gelöscht werden, spätestens “im Rahmen der gesetzlichen Verjährung etwaiger Ansprüche”, müssten die Anträge wohl neu gestellt werden.

Punkt 2: Google hat die Bilder für Street View Deutschland längst im Kasten. Die wurden nämlich schon im Sommer 2008 und 2009 gemacht. Und das nicht nur für die 20 Städte, die wir schon jetzt auf Street View sehen können, sondern auch für den Rest der Republik (Der ein oder andere wird sich erinnern, ein Bekannter von mir hat in der heimatlichen Provinz damals gar ein Foto geschossen …).

Punkt 3: Bleibt die Frage, wann wir denn nun mit der Veröffentlichung weiterer Städte rechnen dürfen. Und da ist es tatsächlich so, wie McGee schreibt: Es gibt zur Zeit einfach keine konkreten Pläne, wann weiteres Material aus Deutschland veröffentlicht wird. Das hat mir Google-Sprecherin Lena Wagner gerade noch einmal telefonisch bestätigt. Kein Rückzug, kein Stopp, einfach keine konkrete Pläne. Und somit eigentlich keine News.

War’s das? Fast. Kaum weniger missverständlich als McGee’s Blogeintrag ist nämlich eine Meldung im Newsbereich von T-Online, die in den letzten Wochen die Runde durch das Netz gemacht hat. Dort hieß es bereits am 23.03.:

Google hat den Ausbau von Street View in Deutschland gestoppt. „Weitere Städte in Google Street View aufzunehmen, ist nicht geplant“, erklärte die Pressestelle von Google Deutschland auf Anfrage von t-online.de. Eine Aktualisierung der teilweise veralteten Bilder gebe es auch nicht. Das vorhandene Material „bleibt auf altem Stand“. Die Daten der Kamerawagen, die in diesen Tagen durch die Straßen fahren, „dienen der Verbesserung des Kartenmaterials“, zum Beispiel für Google Maps oder für das eigene Angebot an Navigationsdiensten.

Die Aussage, dass Google den Ausbau gestoppt habe, ist einfach falsch, mindestens aber missverständlich. Es gibt, wie gesagt, derzeit keine konkreten Pläne, wann/ob neues Material erscheinen soll. Dass das Material „auf dem alten Stand“ bleibt, ist, siehe oben, ebenfalls keine „News“.

Interessant ist allenfalls noch der Hinweis, dass derzeit (bzw. vor 3 Wochen) Kamerawagen „zur Verbesserung des Kartenmaterials“ durch Deutschland fahren (Ihr ahnt es: Auch das ist keine News …). Die hat übrigens auch McGee am Wickel:

A Google spokesperson says the company’s priorities have changed:
Our business priority is to use our Google cars to collect data such as street names and road signs to improve our basic maps for our users in a similar way that other mapping companies do.

Auch hier: Der Kommentar, dass sich die Prioritäten geändert haben, ist im Kontext wenigstens missverständlich. Richtig ist, dass Google derzeit unterwegs ist (bzw. war), um Daten für Google Maps zu sammeln. Auch das war  bekannt. Raphael Leiteritz, Produkt Manager Google Maps, hat die Fahrten im Januar in einem Blogbeitrag angekündigt. Bei diesen Touren werden allerdings weder WLAN-Netze kartiert (Die WLAN-Scanner wurden ausgebaut), noch dienen sie dazu veraltetes Bildmaterial zu aktualisieren. Kurz: Alles ist gut.

PS: Letzte Woche ist die Informationsseite zu Microsofts Konkurrenzangebot Streetside gestartet. Microsoft will auf seinen Kamerafahrten auch WLAN-Netze scannen:

Zur Verbesserung der Dienste, die Geolokalisierung einsetzen, wird Microsoft Daten von verfügbaren Funknetzen erheben. Im Rahmen dieser Erhebung werden ausschließlich Daten wie BSSID (auch MAC Adresse genannt), die Signal-Stärke und der Funktyp des WLAN gesammelt.

Aber hee, keine Sorge:

EXPLIZIT VON DER ERFASSUNG AUSGESCHLOSSEN sind Andere andere Daten von Funknetzen, die Rückschlüsse auf private Informationen Einzelner ermöglichen könnten, wie über offene Funknetze übertragene Daten, Verschlüsselungstypen von WLAN-Netzen sowie SSID (Name des WLAN-Netzes).

Nun, von der Erfasssung werden sich diese Daten wohl kaum ausschließen lassen, hoffentlich aber von einer (dauerhaften) Speicherung.

Siehe auch: Google: Kein Stopp von Street View in Deutschland (heise online, 11.04.)

17 Ergänzungen

  1. @Jörg-Olaf:
    >Google hat uns weiterhin lieb.

    Bist du sicher, das Google nicht viel mehr unser Geld liebt?

  2. ,,heimatlichen Provinz damals gar ein Foto geschossen …).“, Ah, so ein Auto fuhr auch bei uns an der Schule vorbei. Wars also doch Google…

  3. @DMS: Ach, ich mache mir da wenig Illusionen ,) Andererseits sehe ich Street View auch nicht als Gefahr, oder als etwas, wovor man Angst haben muss.

    Problematisch wird SV überall dort, wo tatsächlich private Interessen tangiert werden. Bei einer Hausansicht frontal von der Straße ist das regelmäßig nicht der Fall. Sobald über einen Zaun oder in Wohnungen fotografiert wird, wird es hingegen problematisch:

    Siehe auch (Achtung, schon etwas älter …):
    http://www.netzpolitik.org/2010/wie-ich-lernte-sondersicherzeitszonen-zu-lieben/

    Vgl. auch diese aktuelle Entscheidung in der Schweiz:
    http://www.heise.de/newsticker/meldung/Schlappe-fuer-Street-View-in-der-Schweiz-1221426.html

    1. GSV ist jedenfalls gut geeignet für digitales Stalking. Und die Leute können unkompliziert im Netz an den Pranger gestellt werden mit genauer Angabe der Wohnverhältnisse inklusive Bilder. Flächendeckend gibt es sowas bei „Rotten Neighbours“. Das Opfer ahnt bestenfalls, aus welcher Ecke auf ihn geschossen wird.

      GSV macht aus deiner Adresse eine höchst schützenswerte Information, ähnlich wie es mittlerweile mit dem Geburtsdatum passiert ist.

      Niemand wird daran gehindert, durch die Städte zu ziehen und historisch oder künstlerisch wertvolle Häuser zu fotografieren. Für Dienste wie GSV jedenfalls war die Panoramafreiheit nicht gedacht.

      Mit Google ist es ähnlich wie mit der Kernkraft. Es braucht erst einen „Super-Gau“, bis die Leute kapieren, das Informationstechnik ihre Risiken birgt.

      Die sichersten Daten sind die, die nicht erhoben werden.

      Es ist Zeit, die kindlich-naiven Apologeten des Informationsnudismus zu stoppen. Ich will mir auch von diesen Leuten nicht vorschreiben lassen, wie ich zu leben habe.

      1. Schwierig. Für Stalking braucht es ja nicht zwingend reales Bildmaterial. Das geht bei ihood (rotten neighbours gibt es nicht mehr) ja auch ganz gut auf Basis eines Kartenmashups. Gut, Bilder von der Wohnsituation bringen für Stalker evtl. noch einen Mehrwert. Ich glaube aber nicht, dass das wirklich relevant ist.

        Für Dienste wie GSV jedenfalls war die Panoramafreiheit nicht gedacht.

        Stimmt (Ich schreibe ja gerne „Ein Gesetz, dass vor 100 Jahren für einzelne Postkartenfotografen gemacht wurde, lässt sich nur bedingt in die Zeit der Megapixelkameras und des Internets übertragen“). Die Panoramafreiheit Ist jetzt aber nicht zwingend ein Argument gegen Street View. Da gibt es Ansätze, die zumindest mir wichtiger sind.

        Mit Google ist es ähnlich wie mit der Kernkraft. Es braucht erst einen “Super-Gau”, bis die Leute kapieren, das Informationstechnik ihre Risiken birgt.

        Ich würde es nicht ganz so hoch aufhängen. Zumindest aber würde ich mir wünsche, dass die Menschen wissen, wo die Probleme liegen – und dann eigenveranwortlich entscheiden, statt sich, von wem auch immer, aufhetzen zu lassen. Bis dahin ist es aber noch ein weiter weg.

        Die sichersten Daten sind die, die nicht erhoben werden.

        Klar, aber nicht alle Daten, die jemand von dir hat, rauben dir gleich die Seele.

        Es ist Zeit, die kindlich-naiven Apologeten des Informationsnudismus zu stoppen.

        Da bin ich bei dir ,)

      2. Stimmt (Ich schreibe ja gerne “Ein Gesetz, dass vor 100 Jahren für einzelne Postkartenfotografen gemacht wurde, lässt sich nur bedingt in die Zeit der Megapixelkameras und des Internets übertragen”). Die Panoramafreiheit Ist jetzt aber nicht zwingend ein Argument gegen Street View. Da gibt es Ansätze, die zumindest mir wichtiger sind.

        Das Gesetz scheint sich allerdings bewährt zu haben, sonst würde man es ja ändern.

  4. Ich verstehe sowieso nicht warum google damals so eingeknickt ist. In Deutschland gilt die Panoramafreiheit und das ist auch gut so. Aber mal erlich, warum haben sie bisher keine konkreten Pläne für weitere Städte? Vor allem wenn man das eh schon alles Fotografiert hat? Die Bilder im Datenkeller alt werden lassen ist ja schon unsinnig. Warum sollte man zum Beispiel die Bilder erst in 5 Jahren veröffentlichen, wenn man dann viel aktuellere aufnehmen könnte?

    1. Warum Google eingeknickt ist?

      Sie treiben es immer bis zum Äußersten bis die öffentliche Wahrnehmung zu ihren Ungunsten umkippt. Dann rudern sie ein wenig zurück und du die Protesler geben wieder Ruhe. Bisher funktioniert das recht gut.

    2. @Jan:

      Ich verstehe sowieso nicht warum google damals so eingeknickt ist.

      Die Alternative wäre wohl ein „lex google“ gewesen, das Street View stärker reglemententiert hätte, als die gemachten Zugeständnisse (PDF). Die Zugeständnisse sind soweit ja auch im Rahmen, bzw. akzeptabel.

      Das Problem war die vergiftete Debatte und die Zu- bzw. Überspitzung in den Medien (Da haben sich imo gerade die Befürworter keinen Gefallen getan. Sturheit schlägt Arroganz.)

      In Deutschland gilt die Panoramafreiheit und das ist auch gut so.

      Nunja, es gibt neben der Panoramafreiheit schon noch ein paar weitere rechtliche Normen, die Street View tangiert ,)

      Die Bilder im Datenkeller alt werden lassen ist ja schon unsinnig.

      Nicht zwingend. Entscheidend sind/waren wohl die 20 großen Städte. Der Rest ist quasi der „long tail“ und von eher regionale Relevanz. Warum sollte man sich dieses Material ohne Not wegpixeln lassen, wenn man die Arbeitszeit woanders besser investieren kann? Um Restdeutschland kann man sich notfalls auch 2012 noch kümmern (oder schauen, wie es Microsoft ergeht). Ist ja nicht so, dass da ein Notstand bestünde.

      Wer weiß, evtl. arbeitet man auch längst an weiteren Veröffentlichung, man muss ja keine Rehe scheu machen.

      1. Ja das mit der lex google ist mir bewusst. Ich bin mir nur nicht sicher ob es auch wirklich dazu gekommen wäre. Das wäre ja schwer umsetzbar gewesen, ohne dabei den Betrieb der normalen Presse einzuschränken. Spätestens dann hätte die Regierung auch eine Menge Gegenwind bekommen.

        Abe ich gebe zu, im Nachhinhein sagt sich sowas immer recht einfach ;-)

      2. Die Arbeit der Presse hätte ein „lex google“ vsl. nicht tangiert. Du denkst wieder an die Panoramafreiheit, stimmts?

        Auf die muss die Presse aber regelmäßig nicht zurückgreifen, da (bzw. wenn!) sie für ihre Berichterstattung ein öffentliches Interesse beanspruchen kann.

        In einem „lex google“ hingegen wäre es wohl vor allem um datenschutzrechtliche Aspekte gegangen. Und zwar nicht nur um Persönlichkeitsrechte (Gesichter, Nummernschilder), sondern vor allem auch um die Verknüpfung und Weiterverarbeitung von Daten.

        Und genau in dem Bereich dürften Google & Microsoft wenig Interesse haben, Steine in den Weg gelegt zu bekommen. Das ist nämlich der Bereich, wo in Zukunft das Geld verdient wird.

        Es ist ja kein Zufall, dass bei Microsoft jemand wie Blaise Aguera y Arcas als „Bing Maps-Architekt“ die Zukunft erklärt. Schau dir mal seine TED-Vorträge an, da wird schnell klar, wohin die Reise geht:
        http://www.ted.com/talks/lang/eng/blaise_aguera.html
        http://www.ted.com/talks/lang/eng/blaise_aguera_y_arcas_demos_photosynth.html

  5. Aber mal erlich, warum haben sie bisher keine konkreten Pläne für weitere Städte? Vor allem wenn man das eh schon alles Fotografiert hat? Die Bilder im Datenkeller alt werden lassen ist ja schon unsinnig. Warum sollte man zum Beispiel die Bilder erst in 5 Jahren veröffentlichen, wenn man dann viel aktuellere aufnehmen könnte?

    Das sehe ich genauso. Wenn ich mir auch Streetview in Deutschland ansehe bin ich total enttäuscht. Ich hätte nie damit gerechnet, das soviele Gebäude gepixelt werden. Vielleicht ist dies ein Grund das Streetview in Deutschland zumindest auf der Kippe steht. Schade das sich soviele Bürger wie eine Herde Schafe treiben lassen.

Dieser Artikel ist älter als ein Jahr, daher sind die Ergänzungen geschlossen.