Gerade habe ich bei Heise Online gelesen, dass der Düsseldorfer Regierungspräsident Jürgen Büssow seinen Kampf gegen rechtextreme Webseiten für erfolgreich hält. Bisher habe man alle Klagen gewonnen. Das ist soweit durchaus richtig.
Allerdings ignoriert Büssow geflissentlich, dass es bisher erst zwei erstinstanzliche Entscheidungen in den Hauptsacheverfahren gab (4 stehen noch aus) und die betroffenen Providern noch Rechtsmittel einlegen können.
Ob eine – juristisch nach wie vor nicht abgesicherte – Zugangsblockade von 2 rechtsextremen Webseite durch ein paar (längst nicht mehr alle) Provider in NRW überhaupt als Erfolg gewertet werden kann, kann man wohl auch diskutieren.
Gefahrenabwehr mit 2 Promille
Der Bundesverfassungsschutz listet schließlich regelmäßig über 1000 ähnlich ausgerichtete Angebote auf, mit ein wenig Hintergrundwissen sind auch in NRW die beiden „gesperrten“ Naziseiten leicht zu erreichen.
Vor allem aber sollte man nicht ignorieren, dass die rechte Szene in ihrer Öffentlichkeitsarbeit längst nicht mehr auf martialische Webauftritte mit Hakenkreuzen und Runen setzt, denen man mit dem Strafgesetzbuch beikommen könnte.
Die neuen Rechten geben sich bürgerlich und volksnah. Keine Glatzen, keine Springerstiefel – sondern adrette Nachbarn mit populistischen Parolen.
(Quelle & Fernsehtipp: Die Dokumentation „Lauter nette Leute“ über die NPD in Sachsen, Wiederholung morgen um 10:00 Uhr auf WDR3.)
Kurz: Ein heldenhafter, aber soweit weitgehend sinnloser Kampf. Aber es geht ja nicht nur gegen Rechts[1], sondern ganz grundsätzlich um den Kampf gegen „Medienmissbrauch“.
Fangverbot im Aquarium
Laut Heise Online wurden inzwischen in 30 Fällen Zugangsanbieter aufgefordert, den Zugriff auf sogenannte Phishing-Seiten zu sperren.
Also auf Webseiten, deren Betreiber z.B. durch trickreich formulierte Mails dazu aufrufen, auf präparierten Webseiten Passwörter und Bankdaten einzugeben – um anschließend die zugehörigen Konten zu plündern oder für zweifelhafte Transaktionen zu benutzen.
Derzeit legen die Internet-Wächter besonderes Augenmerk auf das Phishing. „Wir haben 40 Ermittlungsverfahren eingeleitet mit einer Schadenssumme von rund 200.000 Euro“, sagte Peter Lichtenberg von der Düsseldorfer Staatsanwaltschaft. In 30 Fällen hat die Bezirksregierung die Zugangsanbieter aufgefordert, entsprechende Adressen einzufrieren. (Quelle: Heise Online, 22.11.2005)
Nun kann man es – wie auch bei den Naziseiten – zunächst für eine gute Idee halten, wenn der arglose Netzbürger vom Besuch betrügerischer Angebote abgehalten wird. Ich frage mich allerdings, ob eine behördliche Sperrungsverfügung überhaupt ein geeignetes Mittel gegen Phishing ist.
Schlicht, weil ich davon ausgehe, dass a) Phishing-Seiten auf Grund ihres strafbewehrten Charakters in den meisten Ländern dieser Welt recht schnell vom Netz genommen werden und b) ein Großteil des „Phishzuges“ bereits vollzogen ist (die ersten 48 Stunden dürften entscheidend sein), bevor eine Behörde wie die Bezirksregierung Düsseldorf überhaupt reagieren und ein formelles Verfahren einleiten kann.
Alle unzulässigen Inhalten?
Noch mehr frage ich mich allerdings, warum diese neuen Sperrungsverfügungen bisher nicht öffentlich diskutiert wurden. Was wohl als nächstes gesperrt wird?
Nach Ansicht der Bezirksregierung Düsseldorf erlaubt §12 des Mediendienstestaatsvertrag (MDStV) die Sperrung „aller unzulässigen Inhalte“ (mp3, 74kB).[2]
Nächster Punkt auf der Zensuragenda sind übrigens – da ist man ganz selbstlos, es geht schließlich um viel Geld – Sportwetten (und danach endlich die bösen „Killerspiele“, wetten?):
Mit Blick auf das staatliche Wettmonopol will die Bezirksregierung zudem private Anbieter von Sportwetten im Internet verfolgen. Zahlreiche Veranstalter hätten bereits gegen entsprechende Sperrverfügungen geklagt, sagte Büssow. (Quelle: Heise Online, 22.11.2005)
[1]Regierungspräsident Jürgen Büssow; bei einer Arbeitskreissitzung am 19. Dezember 2001
[2]Auschnitt aus einem Interview mit Regierungspräsident Jürgen Büssow aus der Dokumentation „Gegen alle illegalen Inhalte“ (2002) von Till Steinmetz und Ruben Malchow. Hat da evtl. zufällig jemand einen Link zum kompletten Video zur Hand?
0 Ergänzungen
Dieser Artikel ist älter als ein Jahr, daher sind die Ergänzungen geschlossen.