Demoverbotszone GießenDGB legt Beschwerde gegen Beschluss des Verwaltungsgerichts ein

In der juristischen Auseinandersetzung um eine faktische „Demoverbotszone“ in Gießen hat das Verwaltungsgericht in einem Fall die Auflagen der Stadt bestätigt. Die möchte den Protest gegen die rechtsradikale AfD-Jugend auf die andere Seite der Stadt verlegen. Doch die Anmelder der Demos wehren sich weiter.

Große Demonstration gegen Rechtsradikalismus.
Die Gießener sind stabil gegen Rechts. An einer Demo im Februar 2025 nahmen mehr als 10.000 Menschen teil. – Alle Rechte vorbehalten IMAGO / Müller-Stauffenberg

Die Stadt Gießen hat für das kommende Wochenende mehrere Gegendemos in der Nähe der Gründungsveranstaltung der rechtsradikalen AfD-Jugend verboten und diese auf die andere Seite des Flusses Lahn verlegt. Die Anmelder:innen mehrerer Demonstrationen wehren sich dagegen vor dem Verwaltungsgericht und kritisieren massive Einschränkungen der Versammlungsfreiheit.

Das Verwaltungsgericht Gießen hatte am Mittwochnachmittag einen Eilantrag des Deutschen Gewerkschaftsbundes abgewiesen und die Verlegung des Versammlungsortes bestätigt. Dagegen zieht die Gewerkschaft nun in die nächste Instanz. Laut Informationen der Gießener Allgemeinen liegen dem Gießener Gericht zehn weitere Eilanträge vor, die es noch entscheiden muss. Das Verwaltungsgericht hat auf eine Presseanfrage zu diesen Eilanträgen noch nicht geantwortet.

Gericht sieht Platzmangel

Das Gericht begründet seine Entscheidung zur DGB-Demonstration unter anderem mit Platzmangel auf der Westseite der Stadt und rund um das Veranstaltungsgelände, das die rechtsradikale AfD-Jugend nutzt. Kritiker:innen sehen die Auflagen der Stadt vielmehr in polizeitaktischen Überlegungen begründet. Laut dem Grundrecht auf Versammlungsfreiheit müsse ein Protest aber in Hör- und Sichtweite des Adressaten möglich sein.

Der DGB Hessen-Thüringen hat nun in einer Pressemitteilung angekündigt, dass er gegen den am Mittwoch ergangenen Beschluss des Verwaltungsgerichts Gießen Beschwerde beim Hessischen Verwaltungsgerichtshof einlegen wird. Das Gericht in Gießen hatte die versammlungsrechtlichen Beschränkungen der Stadt Gießen weitgehend bestätigt, dem Eilantrag des DGB jedoch in einzelnen Punkten stattgegeben.

„Fatales Zeichen, wenn Protest verhindert werden soll“

„Hör- und Sichtweite von zentraler Bedeutung“

Michael Rudolph, Vorsitzender des DGB Hessen-Thüringen, sagt: „Für demokratische Gegenproteste ist die Möglichkeit, in Hör- und Sichtweite des Anlasses präsent zu sein, von zentraler Bedeutung.“ Die Kundgebungen des DGB seien frühzeitig, transparent und mit einem umfassenden Sicherheitskonzept angemeldet worden. „Deshalb wenden wir uns gegen die massive Einschränkung der von den Ordnungs- und Sicherheitsbehörden selbst vorgeschlagenen Versammlungsorte, die wir im Konsens übernommen und angemeldet haben.“

Ungeachtet des Ausgangs des Verfahrens kündigte der DGB an, dass man am kommenden Samstag „ein sichtbares, solidarisches und demokratisches Zeichen gegen Menschenfeindlichkeit und Spaltung setzen“ werde  – egal, wo die Kundgebungen am Ende stattfinden würden.


Updates:

  • 20:10 Uhr: Die Stadt legt Beschwerde gegen die Beschlüsse des Verwaltungsgerichts ein. Unsere Berichterstattung geht in diesem Artikel weiter.
  • 15:10 Uhr: Laut Nils Spörkel, dem Anwalt verschiedener Anmelder:innen, hat das Verwaltungsgericht nun auch entschieden, dass das Protestcamp der Anarchietage und die beiden Mahnwachen von Attac an der Krofdorfer Straße /Ecke Kropbacher Weg und an der Hardtallee dort stattfinden dürfen. Dies bestätigen auch Pressemitteilungen (1, 2) des Gießener Verwaltungsgerichts.
  • 11:37 Uhr: Gericht bestätigt in einer Pressemitteilung, dass die Kundgebung der Linkspartei auf der Westseite der Stadt stattfinden darf.
  • 10:20 Uhr: Laut Nils Spörkel, dem Anwalt verschiedener Anmelder:innen, hat das Verwaltungsgericht entschieden, dass auch die Versammlung der Linkspartei an der Rodheimer Str. / Hessenhalle dort stattfinden darf. Das Verwaltungsgericht wird später eine Pressemitteilung versenden, so eine Sprecherin des Gerichts gegenüber netzpolitik.org.
  • 07:50 Uhr: Nils Spörkel, der Anwalt verschiedener Anmelder:innen in Gießen, hat netzpolitik.org folgenden Stand bei den Eilanträgen vor dem Verwaltungsgericht Gießen zugeschickt. Es sei alles „sehr dynamisch“ und ändere sich stündlich.
    • Kundgebung Lehmweg: verlegt, Beschwerde läuft
    • Protestcamp: noch offen
    • Mahnwache Rodheimer Straße/Lidl: Eilantrag gewonnen / darf stattfinden
    • Mahnwache Lehmweg/An den Hessenhallen: Eilantrag gewonnen / darf stattfinden
    • zwei andere verlegte Mahnwachen: offen
    • Kundgebung der Linkspartei: Noch offen
    • Demo des DGB: verlegt, Beschwerde läuft
  • 07:10 Uhr: Zu weiteren Anmelder:innen gehören die Anarchietage Gießen, die drei Versammlungen in der Nähe der Veranstaltung der AfD-Jugend angemeldet haben. Sie berichten gegenüber netzpolitik.org, dass das Verwaltungsgericht die Verlegung der Mahnwache an der Rodheimer Straße aufgehoben, aber das Verbot der Kundgebung in der Lehmstraße bestätigt habe. Hier gehen die Anmelder:innen in die nächste Instanz. Über das Protestcamp, das auch auf der Westseite von Gießen liegt, habe das Gericht noch nicht entschieden. Das Verwaltungsgericht Gießen hat eine Presseanfrage nach dem Stand der verschiedenen Verfahren noch nicht beantwortet.

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