DeltaflüglerNach Russland baut nun auch US-Firma iranische Drohnen nach

Weltweit bauen immer mehr Staaten optisch ähnliche Kamikazedrohnen. Deren Ursprung liegt im Deutschland der 1980er-Jahre. Zunächst hatte nur Israel das Konzept weiterverfolgt.

Eine Drohne, die von vielen Menschen umringt wird.
Die „Lucas“ der US-Firma SpektreWorks ohne Sprengkopf. – Public Domain US-Verteidigungsministerium

Das US-Verteidigungsministerium hat vor wenigen Tagen eine neue Kampfdrohne namens Lucas vorgestellt. Lucas steht für „Low-Cost Unmanned Combat Attack System“ und ist eine kostengünstige Nurflügler-Drohne. Sie wurde als Konkurrenz zur iranischen Shahed 136 entwickelt.

Das von dem Unternehmen SpektreWorks entwickelte System ähnelt der bekannten Kamikaze-Drohne: Beide verfügen über eine dreieckige Deltaflügelform und nutzen für den Propellerantrieb einen Kolbenmotor.

Die Lucas-Drohne hat ein Startgewicht von bis zu 100 Kilogramm und fliegt bis zu 5.500 Meter hoch. Sie unterstützt wie die Shahed den schnellen Start von Lkw-Plattformen und soll analog zur iranischen Mini-Kampfdrohne in großen Stückzahlen zum Einsatz kommen.

Auch die Lucas ist eine Einwegwaffe: Der Aufprall und die Explosion des mitgeführten Sprengkopfes zerstören auch das Luftfahrzeug. Jede Einheit kostet rund 100.000 US-Dollar.

700 Kamikaze-Drohnen in einer Nacht

Die Shahed-Drohnen wurden im Ukraine-Krieg durch Lieferungen aus dem Iran an Russland sowie dortige Nachbauten bekannt. In Russland tragen die Drohnen die Bezeichnung „Geran-2“. In nächtlichen Schwärmen attackieren sie systematisch zivile Infrastruktur und Wohngebiete in der Ukraine. Innerhalb des vergangenen Jahres hat das russische Militär die Angriffe von zunächst rund 200 auf über 1.000 Angriffe gesteigert. Am 8. Juli dieses Jahres hat kamen sogar mehr als 700 Drohnen in einer einzigen Nacht zum Einsatz.

Eine iranische Drohe, die auf einer Messe vorgestellt wird.
Ein Modell der iranischen Shahed-136. - CC-BY 4.0 Fars Media Corporation

Russland hat die Shahed-136 zunächst direkt aus dem Iran importiert. Die ersten dokumentierten Lieferungen erfolgten bereits im September 2022. Das iranische Regime hatte den Verkauf zunächst geleugnet und später behauptet, die Geschäfte seien schon vor dem russischen Angriff auf die Ukraine erfolgt. Die russischen Nachbauten werden inzwischen in eigenen Fabriken gefertigt, Berichten zufolge soll Russland derzeit 1.000 Geran-2 pro Monat produzieren können.

Nun arbeitet Russland an der Modernisierung der Deltaflügler. Dazu soll auch eine von einem Strahlentriebwerk angetriebene und damit deutlich schnellere Variante gehören. Sie wurde Berichten zufolge bereits eingesetzt und basiert auf einem Nachfolger der Shahed-136. Zukünftige Modelle sollen über SIM-Karten oder russisches Satelliten-Internet gesteuert werden, um Störungen der Funkverbindungen durch das ukrainische Militär zu verhindern.

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Ein Konzept aus Deutschland

Die Wurzeln der besatzungslosen Nurflügler-Revolution liegen in Deutschland der 1980er-Jahre. Damals hatten das deutsche Heer und die USA ein Projekt gestartet, das Drohnen entwickeln sollte, die sich zum Angriff auf sowjetische Radaranlagen eignen.

Der ehemalige deutsche Flugzeughersteller Dornier entwickelte dazu die 110 Kilogramm schwere Drohne Anti-Radar (DAR), die über eine Reichweite von etwa 600 Kilometern verfügte. DAR sollte von speziellen LKWs gestartet werden, die jeweils sechs Waffensysteme transportieren konnten.

Technologisch war die DAR für ihre Zeit vergleichsweise fortschrittlich. Sie konnte feindliche Radaremissionen erkennen und sich autonom in ein Ziel stürzen. Damit ist sie ein Vorläufer der heute zunehmend populären Kamikazedrohnen.

Anders als bei der Shahed ließen sich bei der DAR jedoch keine Ziele einprogrammieren. Die Ähnlichkeiten betreffen also eher das Design als die Elektronik, die in den vergangenen vierzig Jahren bis hin zu KI-Systemen disruptive Sprünge gemacht hat.

Israelische Firma übernimmt DAR-Konzept

Die DAR sollte in den 1990er-Jahren in den Dienst der Bundeswehr gestellt werden. Mit dem Ende des Kalten Krieges wurde das Projekt aber eingestellt.

Die Geschichte des Nurflüglers endete damit nicht: Die im Staatsbesitz befindliche israelische Firma IAI übernahm das Konzept und entwickelte daraus die bis heute erfolgreiche Harpy-Drohne, die wie ihr Nachfolgemodell Harop immer noch hergestellt und exportiert wird.

Zwischenzeitlich hatte die Bundeswehr ihre Pläne mit Kamikazedrohnen auch wieder aufgewärmt: Sie entwickelte in den 2010er-Jahren gemeinsam mit Rheinmetall das sogenannte Wirksystem zur Abstandsbekämpfung im Einsatzgebiet (WABEP). Es ähnelte DAR, sollte allerdings aus zwei Systemen bestehen: Die bereits im Dienst des Heeres stehende Kleindrohne Zielortung (KZO) sollte Ziele aufspüren, die dann eine Kamikazedrohne des israelischen Rüstungskonzern IAI angreift.

Eine Drohe, die unter einem Hallendach hängt.
Die Drohne „Anti-Radar“ aus den 1980er-Jahren. - CC-BY-SA 4.0 Freunde und Förderer der Wehrtechnischen Studiensammlung Koblenz e. V.

Deutsches Heer holt Entwicklung nach

Dem Bundeswehrplan 2009 zufolge wollte das Verteidigungsministerium zwei WABEP-Systeme mit jeweils 42 Drohnen plus Bodenstationen beschaffen. Das System wurde erfolgreich getestet, aber nicht weiterentwickelt, da die Bundeswehr die Indienststellung erst für 2019 projektierte und diesen Zeitpunkt für zu spät hielt.

Das war jedoch ein Irrtum, wie sich spätestens im Krieg um Berg-Karabach im Jahr 2020 herausstellte. In dem Krieg haben mutmaßlich israelische Kamikazedrohnen die aserbaidschanische Offensive äußerst erfolgreich unterstützt.

Nun will das deutsche Heer die Entwicklung nachholen. Bevor über die Beschaffung entschieden wird, werden derzeit Kamikazedrohnen deutscher Hersteller im Ukraine-Krieg getestet. Allerdings handelt es sich dabei nicht um Deltaflügler.

Helsing, Quantum Systems und Donaustahl produzieren für die Ukraine

Das Münchner KI-Unternehmen Helsing hat angekündigt, nach einem ersten Auftrag von mehr als 4.000 kleinen Kamikaze-Drohnen weitere 6.000 Einheiten seiner elektrisch angetriebenen HX-2 an das ukrainische Militär zu liefern. Einzelne Soldat*innen können die HX-2 im Schwarm steuern.

Auch der Konkurrent Quantum Systems verstärkt sein militärisches Engagement in der Ukraine. Das Rüstungs-Start-up will in diesem Jahr seine Produktionskapazität für Aufklärungsdrohnen verdoppeln. Quantum-Firmenchef Florian Seibel gründete zudem eine Firma namens Stark, das unter anderem Kamikaze-Drohnen in der Ukraine produzieren soll.

Die niederbayerische Unternehmen Donaustahl stellt für den Krieg kleine Gefechtsköpfe her, die ukrainische Einheiten an beliebige Quadrokopter montieren können. Und erst kürzlich stellte Donaustahl eine eigene senkrecht startende Kamikaze-Drohne vor, die für den Einsatz in der Ukraine bestimmt ist.

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5 Ergänzungen

  1. > Jede Einheit kostet rund 100.000 US-Dollar.
    Völlig überteuerte Abzocke. Da mal die Preise aus IRN oder RUS danebenstellen.

    Die viel interessantere Fragestellung in Fachkreisen ist: Wie holt man diese Drohnen möglichst kostengünstig vom Himmel?

    Die Flugabwehr wird auch zu Friedenszeiten, falls es diese überhaupt noch mal geben wird, zum Dauer-Problem, denn auch nicht-staatliche Akteure werden diese Technologie für Terroranschläge nutzen, weil die Hürden immer niedriger werden.

    1. FYI

      >> Die viel interessantere Fragestellung in Fachkreisen ist: Wie holt man diese Drohnen möglichst kostengünstig vom Himmel?

      https://united24media.com/latest-news/ukraines-secret-weapon-against-shaheds-a-jet-drone-that-fires-a-shotgun-10432

      Ukrainian defense developer “Technari” has introduced a new reusable drone interceptor designed to neutralize Iranian-made Shahed drones used by Russia in its attacks on Ukraine.

      The new unmanned aerial vehicle, named “Mongoose”, was developed as a response to frontline demands from Ukrainian air defense brigades.

      According to Defender Media on July 30, citing CEO Hennadii Suldin, the Mongoose is a jet-powered, fixed-wing UAV equipped with a heat-seeking guidance system and a multi-barrel shotgun designed to disable enemy drones by targeting their engines or propellers.

    2. > Die viel interessantere Fragestellung in Fachkreisen ist: Wie holt man diese Drohnen möglichst kostengünstig vom Himmel?

      Insbesondere, wenn die Flugabwehr mittels billiger „Fake“-Drohnen gesättigt wird, um dann in einer nächsten Angriffswelle „scharfe“ Drohnen, Raketen oder Marschflugkörper einzusetzen. Zudem kommen Drohnen jetzt aus größerer Höhe (derzeit ca. 3000m), die außerhalb der Reichweite von gängigen Abwehrgeschützen liegt.

      Will man nicht nur einzelne militärische Objekte oder kritische Infrastruktur vor Drohnen schützen, sondern auch zivile Wohngebiete, dann muss man die Abwehr in der Fläche ausrollen.

      Die Abwehr sollte nicht wesentlich mehr kosten als das angreifende Material. Derzeit greift RUS mit bis zu 800 Drohnen pro Tag an, Tendenz steigend. „Shoot the bowman not the bow“, wäre eine andere Strategie, welche die Produktionsstätten und Abschussrampen von Drohnen ins Visier nimmt. Dazu aber sind weitreichende Marschflugkörper und/oder Raketen notwendig, denn Drohen richten anders als bei (brennbaren) Raffinerien/Tanklagern zu wenig Schaden an Fabrikhallen an.

    3. > Völlig überteuerte Abzocke. Da mal die Preise aus IRN oder RUS danebenstellen.

      ”In 2022, Russia paid an average of $200,000 for one such drone,” a Ukrainian Defense Intelligence source told CNN. “In 2025, that number came down to approximately $70,000.”

      Quelle: https://www.jpost.com/international/article-863703
      (lesenswert auch im Hinblick auf das Verhältnis IRN/RUS und wo produziert wird.)

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