AusländerzentralregisterEin Datentrog wächst weiter

Fast jedes Jahr erweitert die Regierung das Ausländerzentralregister, eine der größten Datensammlungen des Bundes. Nun sollen Volltext-Dokumente in der Sammlung landen, die zur Identitätsklärung beitragen könnten – egal ob Heiratsurkunde oder Arbeitsvertrag. Außerdem will die schwarz-rote Regierung Fingerabdrücke länger speichern.

Ein schwarz-weiß Bild, das ein Gesicht zeigt, das wie ein Fingerabdruck gemalt ist.
Fingerabdrücke, Fotos, Unterschriften – darauf beziehen sich geplante Änderungen des AZR-Gesetzes. – Gemeinfrei-ähnlich freigegeben durch unsplash.com Noelle Rebekah

Fehlzeiten beim Integrationskurs, Tuberkulose-Untersuchungen, Asylentscheidungen – all das sind Informationen, die im Ausländerzentralregister (AZR) gespeichert werden können. 26 Millionen personenbezogene Datensätze enthalte das AZR derzeit, zu allen Menschen ohne deutsche Staatsangehörigkeit, die mindestens drei Monate in Deutschland leben oder gelebt haben.

Wie viele Daten dort abgelegt werden, hängt davon ab, welchen Status eine Person hat: Geht es um eine Person aus der EU? Dann sind es weniger Informationen. Geht es um Asylantragstellende, sind es besonders viele.

Nach dem Willen der schwarz-roten Bundesregierung sollen es künftig noch wesentlich mehr werden, so steht es in einem Gesetzentwurf zur „Weiterentwicklung der Digitalisierung in der Migrationsverwaltung“ oder auch: Migrationsverwaltungsdigitalisierungsweiterentwicklungsgesetz, MDWG. Auf diesen Entwurf hatte sich das Bundeskabinett am 17. Dezember geeinigt. Damit reiht sich eine weitere Ausdehnung des Riesendatenspeichers in eine Liste fast jährlicher gesetzlicher Aufwüchse ein.

Heiratsurkunde und Arbeitsvertrag ins AZR?

Das AZR soll dem aktuellen Entwurf zufolge unter anderem bald amtliche und nichtamtliche Dokumente zur Identitätsklärung im Volltext enthalten können, wenn eine Person keine amtlichen Ausweisdokumente vorlegen konnte. Damit soll laut Gesetzesbegründung vermieden werden, dass Unterlagen etwa bei einem Zuständigkeitswechsel mehrfach vorgelegt werden müssen. Derartige Dokumente – seien es Heiratsurkunden oder alte Arbeitsverträge – können eine Menge zusätzlicher Informationen enthalten. „Vor einer Speicherung ist sicherzustellen, dass nur diejenigen Angaben enthalten sind, die für die Identitätsklärung erforderlich sind“, heißt es daher in der Gesetzesbegründung.

Der Bundeszuwanderungs- und Integrationsrat (BZI) mahnt in seiner Stellungnahme an, dass unter anderem diese Speicherung „das Risiko einer Übererfassung sensibler Informationen“ berge und fordert eine „klare Zweckbindung, die Begrenzung der Speicherung auf das Notwendige sowie transparente Auskunfts- und Korrekturmöglichkeiten für Betroffene“.

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Die Bundesvereinigung der kommunalen Spitzenverbände begrüßt die Regelung zwar, aber bemängelt, dass ungeklärt sei, „welche nichtamtlichen Dokumente als ein Nachweis für die Identität einer Person dienen können sollten“. Es bedürfe hier einer Klarstellung durch das Innenministerium, schreibt die Bundesvereinigung, die die Interessen von Landkreisen, Städten und Kommunen vertritt.

Passfotos, Fingerabdrücke und Unterschriften

Deutlich ausgeweitet werden soll die Speicherung und Nutzung biometrischer Daten im AZR. Schon heute enthält das AZR Lichtbilder und zu bestimmten Personengruppen auch Fingerabdrücke. Letztere sollen nun standardmäßig gemeinsam mit der Unterschrift einer Person gespeichert werden, wenn damit ein Aufenthaltstitel beantragt wurde.

Damit sollen Behörden diese biometrischen Merkmale wiederholt nutzen dürfen, wenn eine Person einen erneuten elektronischen Aufenthaltstitel beantragt. Das soll verhindern, dass Antragsstellende erneut persönlich vorsprechen müssen. Bei Minderjährigen sollen die Daten bis zu fünf, bei Erwachsenen bis zu sieben Jahre gespeichert werden.

Der BZI äußert Bedenken, „dass mit der geplanten Langzeitspeicherung tiefe Eingriffe in die Persönlichkeitsrechte von Erwachsenen und Minderjährigen einhergehen“. Databund, eine Interessensvertretung mittelständischer IT-Dienstleister für die öffentliche Verwaltung, argumentiert noch deutlicher. Die Speicherung werde „zu einer Ungleichbehandlung von Deutschen und ausländischen Staatsbürgern führen“. Databund schreibt: „Generell sehen wir die Speicherung von hochsensiblen Daten in großen zentralen Registern sehr kritisch.“

Die vorgeworfene Ungleichbehandlung versucht die Bundesregierung in der Gesetzesbegründung zu rechtfertigen. Bei Menschen mit deutscher Staatsangehörigkeit regele das Passgesetz die Ausstellung eines Ausweisdokuments, „dessen Zweck mit der einmaligen Identitätsprüfung und Aushändigung erfüllt ist“. Bei Angehörigen von Drittstaaten müssten hingegen „Identität und Aufenthaltsstatus fortlaufend geprüft“ werden. „Der Vollzug des Aufenthaltsrechts ist strukturell von wiederkehrenden Verwaltungsverfahren geprägt“, so die Bundesregierung weiter.

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Millionen Nutzer:innen, kaum Kontrollen

Zur Identitäts- und Aufenthaltsstatusprüfung sollen die Daten jedoch nicht explizit genutzt werden. Die Speicherung erfolge „ausschließlich zur erneuten Ausstellung eines befristeten elektronischen Aufenthaltstitels“, eine weitere Nutzung sei „ausgeschlossen“.

Diesen Ausschluss hält Databund offenbar für nicht überzeugend. Zum einen führten die wertvollen Daten in einem zentralen Register „zu einem großen Interesse ganz neuer (staatlicher) Angreifer, die aufgrund ihres professionellen Vorgehens auf Dauer kaum fernzuhalten sind“. Zum anderen sei „der Zugriff auf die AZR-Daten für Millionen Nutzer geplant, bei denen kaum zu kontrollieren sein wird, ob diese Personen missbräuchlich Daten abrufen“.

Laut einer Evaluation aus dem Jahr 2024 zu einer früheren AZR-Erweiterung waren damals bereits „16.000 öffentliche Stellen und Organisationen mit mehr als 150.000 Einzelnutzern“ zugriffsberechtigt. 3.056 Stellen waren Mitte 2023 zu einem automatisierten Abruf berechtigt. Das bedeutet: Wer automatisiert Daten aus dem AZR abrufen darf, muss nicht für jede Auskunft einen gesonderten Antrag stellen. Es reicht dann, über eine Schnittstelle die Daten abzurufen. Bei Daten, die über Grunddaten wie Name oder aktuelle Anschrift hinausgehen, muss der Grund der Abfrage vermerkt werden. Missbrauch soll durch eine Protokollierung der Zugriffe in Verbindung mit Stichprobenkontrollen verhindert werden.

Die Zahl der Behörden mit automatisiertem Zugriff dürfte sich gegenüber 2024 mittlerweile weiter erhöht haben und wird sich weiter erhöhen, denn die Voraussetzungen für eine Zulassung zum automatisierten Abruf wurden im vergangenen Jahr weiter gesenkt. Die Teilnahme am automatisierten Verfahren ist für alle dazu berechtigten Behörden wie beispielsweise Polizeien, Arbeits- oder Jugendämter ab dem 1. August 2026 verpflichtend.

Das vorgelegte Gesetz ist nicht das einzige, das Änderungen am AZR-Gesetz vornehmen soll. Bereits im Herbst legte die Bundesregierung einen Entwurf für das GEAS-Anpassungsfolgegesetz vor. Dabei soll das AZR so geändert werden, dass es den Vorgaben aus dem sogenannten Gemeinsamen Europäischen Asylsystem entspricht. Dazu soll ein Personendatensatz künftig auch Informationen zum Status des GEAS-Screenings enthalten. Bei diesem Screening sollen bereits an den EU-Außengrenzen Personen registriert und überprüft werden, damit sie entweder direkt abgewiesen, in ein Asylgrenzverfahren oder ein reguläres Asylverfahren überführt werden können. Gab es kein Screening an einer Außengrenze, muss es im Inland nachgeholt werden.

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