Dem Bundeskartellamt wachsen immer mehr und immer schärfere Zähne. Das zeigt sich insbesondere im Digitalbereich, in den die Wettbewerbsbehörde zunehmend eingreift und sicherzustellen versucht, dass faire Bedingungen herrschen. Kaum eines der großen IT-Unternehmen wie Google, Apple oder Amazon konnte sich zudem den neuen Befugnissen entziehen, mit denen die Bonner Behörde seit der Novelle des Wettbewerbsrechts im Jahr 2021 ausgestattet ist. Das geht aus dem heute vorgestellten Jahresbericht 2023/24 des Bundeskartellamts hervor.
„Die Macht der großen Tech-Konzerne ist nach wie vor das Thema Nummer eins für uns Wettbewerbsbehörden weltweit“, sagte Andreas Mundt, Präsident des Bundeskartellamtes, bei der Vorstellung des Berichts. „Alleine beim Bundeskartellamt laufen derzeit insgesamt sieben Verfahren gegen Amazon, Google, Meta, Apple und Microsoft.“ Zudem gelte seit diesem Jahr der Digital Markets Act (DMA), und auch die US-amerikanischen Behörden hätten wichtige Verfahren eingeleitet.
Gleichzeitig wappne sich das Bundeskartellamt für die wettbewerblichen Auswirkungen der sogenannten Künstlichen Intelligenz, so Mundt: „Es besteht die große Gefahr, dass hier eine noch weitergehende Konzentration der digitalen Märkte und ein Machtzuwachs auf unterschiedlichen Stufen der Wertschöpfung, von den Chips bis zum Front-End, Einzug hält.“
Neue Gesetze zeigen Wirkung
Vor allem bemerkbar hat sich in den vergangenen Jahren die Novelle des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB-Novelle) gemacht. Mit Hilfe des Instruments kann die Behörde etwa überprüfen, ob bestimmte Anbieter ausreichend groß sind, um einer erweiterten Missbrauchsaufsicht zu unterliegen. Stellt die Behörde – und stellen gegebenenfalls Gerichte im Nachgang – fest, dass sie tatsächlich eine überragende marktübergreifende Bedeutung für den Wettbewerb haben, kann sie unter anderem wettbewerbsgefährdende Praktiken untersagen.
Bei Meta (Facebook), Alphabet (Google), Amazon und Apple hat die Behörde eine solche marktbeherrschende Stellung festgestellt. Bei Apple ist die Entscheidung noch vor Gericht anhängig, bei Microsoft prüft das Amt noch eine mögliche überragende marktübergreifende Bedeutung. In den anderen Fällen hat sich das Bundeskartellamt bislang vollumfänglich durchgesetzt – nicht zuletzt vor dem Bundesgerichtshof (BGH) im April, der in letzter Instanz die überragende marktübergreifende Bedeutung von Amazon für den Wettbewerb bestätigte. „Es handelt sich um die erste und damit umso bedeutendere Entscheidung des BGH zur Aufsicht über große Digitalkonzerne nach § 19a GWB“, heißt es im Jahresbericht.
Änderungen bei Alphabet und Meta
Einige Verfahren wegen wettbewerbsgefährdenden Verhaltens von Alphabet sind bereits abgeschlossen. So konnte das Bundeskartellamt beim Google News Showcase gewisse Verbesserungen für Verlage erwirken. Auch hat es bessere Kontrollmöglichkeiten für Nutzer:innen über ihre Daten bei Google durchgesetzt. Noch nicht abgeschlossen ist eine Prüfung möglicher Wettbewerbsbeschränkungen bei Google Maps und deren Automotive Services.
Ebenfalls noch nicht vollständig abgeschlossen ist eine Prüfung der Virtual-Reality-Brille Ocolus von Facebook. Hier interessiert sich die Behörde insbesondere für die im Rahmen der unterschiedlichen Meta-Dienste verarbeiteten Daten. Gebeugt hat sich Facebook hingegen schon bei der Frage, ob sich die VR-Brillen auch ohne Facebook-Account nutzen lassen: Dies ist seit Ende 2022 möglich.
Ferner untersucht das Bundeskartellamt das „App Tracking Transparency Framework“ von Apple und ob sich das Unternehmen hierbei selbst bevorzugt. Um eine mögliche Benachteiligung der Konkurrenz geht es auch bei der laufenden Prüfung von Amazon und seinem Onlineshop. Ausständig ist gleichermaßen eine Prüfung von Amazons möglicher Einflussnahme auf die Preise der Marktplatzhändler durch Preiskontrollmechanismen oder Algorithmen.
DMA zeigt Wirkung
In enger Kooperation mit der EU-Kommission hat das Bundeskartellamt weitere Verfahren begleitet, da inzwischen einige Dienste – etwa von Google – von den EU-Vorschriften des DMA erfasst werden. Dazu gehört auch die dienstübergreifende Datenverarbeitung, bei der Google bereits nachbessern musste. „Die Sammlung, Aufbereitung und Kombination von Daten gehören zum Fundament der Marktmacht großer Digitalunternehmen“, beschreibt der Bericht diesen zentralen Punkt.
Konkurrenten von Google verfügten nicht über diese Daten und hätten daher gravierende Wettbewerbsnachteile. Das hat auch Auswirkungen auf anderer Seite: „Über die Auswahlmöglichkeiten der Nutzerinnen und Nutzer begrenzt das Bundeskartellamt die datengetriebene Marktmacht von Google und schützt das Selbstbestimmungsrecht der Nutzerinnen und Nutzer über ihre Daten“, schreiben die Marktwächter:innen.
Grundsatzurteil des Europäischen Gerichtshofs
Einen Erfolg konnte das Bundeskartellamt vor dem Europäischen Gerichtshof verbuchen. Dieser hatte sich im Vorjahr hinter die Behörde gestellt und in einer Vorabentscheidung bestätigt, dass Wettbewerbsbehörden bei ihren Untersuchungen auch Datenschutzbestimmungen berücksichtigen dürfen. Der ursprünglich aus dem Jahr 2019 stammende Fall rund um Metas Datenpraxis ist noch nicht vollständig abgeschlossen, das Grundsatzurteil dürfte jedoch weitreichende Auswirkungen auf die Geschäftsmodelle der Datenwirtschaft haben. Schon jetzt hat Meta etwa eine neue Kontenübersicht eingeführt und seine Dateninfrastruktur überarbeitet – „obgleich im Detail noch Optimierungspotenzial besteht“, wie der Jahresbericht feststellt.
Zumindest zeigt der Fall, wie lange solche Untersuchungen dauern können und was in den nächsten Jahren auf die Digitalwirtschaft zukommt, sowohl auf nationaler als auch auf europäischer Ebene. Seit der DMA im März in Kraft getreten ist, hat die EU-Kommission bereits eine Reihe an Verfahren gegen übermächtige IT-Konzerne eingeleitet. Auch in Deutschland laufen noch diverse Prüfungen, die solche Unternehmen empfindlich treffen könnten. Darunter fällt etwa der Bezahldienstleister Paypal, der möglicher Behinderung von Wettbewerbern und Beschränkungen des Preiswettbewerbs verdächtigt wird.
Ungleichgewicht in Online-Werbemärkten
Vergleichsweise am Anfang befindet sich noch ein umfassendes Verständnis der Online-Werbemärkte, trotz seiner herausragenden Bedeutung für das kommerzielle Internet, wie wir es heute kennen. „Onlinewerbung ist eine zentrale Quelle der Finanzierung zahlreicher Anbieter bzw. Dienste in der Internetwirtschaft und ist heute in Deutschland insgesamt geschätzte 10-11 Mrd. Euro wert“, macht das Bundeskartellamt deutlich.
Im Vorjahr hat das Bundeskartellamt den Abschlussbericht seiner Sektoruntersuchung im Bereich der nicht-suchgebundenen Online-Werbung veröffentlicht – und dabei durchblicken lassen, dass es in diesem Bereich noch viel zu tun gibt. Dieser „hochgradig komplexe“ und notorisch intransparente „automatisierte[..] Handel mit Werbeflächen sowie die damit verbundene Ausspielung und Messung der Werbung“ sei schwer zu durchschauen und dürfte für zahlreiche Marktteilnehmer und Nutzer:innen Nachteile mit sich bringen.
Dennoch lässt sich bereits jetzt sagen, dass Alphabet eine bedeutende Marktposition einnimmt, so der Jahresbericht: „Das Unternehmen ist auf nahezu allen Stufen der Wertschöpfungskette der nicht suchgebundenen Onlinewerbung vertreten und verfügt bei praktisch allen relevanten Dienstleistungen über eine außerordentlich starke Marktposition.“ Es steht zu erwarten, dass dies auf Dauer so nicht bleiben wird – sofern die rechtlichen Instrumente ausreichend stark sind.
Wie steht es mit der Reform des GWB vom letzten Jahres aus? Was hat er (schon) bewirkt?
Danke an netzpolitik.org für die gelegentlichen Artikel über die überaus wichtigen Wächter des Wettbewerbs. Ich würde mich freuen, auch öfter über die Erfolge des Bundeskartellamts hier lesen zu können.
Gebührlichen Dank vor allem an die Mitarbeiter des Bundeskartellamts, die neue technologische Herausforderungen beherzt angehen und meistern können.
Mögen die Zähne stets glänzen und scharf sein, denn kaum ein Bundesamt beißt effektiver.
Na ja, Kartellamt hin oder her.
Das Problem mit dem Internet ist der Betrug! Und das hat massiv zugenommen! Wobei Paypal,
KLARNA, Otto auch betrügen. Bin selber Opfer.
Die Konzerne haben einfach zu viel Macht!! Denn die Qualität
ist auch noch oft unterirdisch.
Und was im Osten abgeht, ist einfach skandalös. Auch seitens der Politik.
> Denn die Qualität ist auch noch oft unterirdisch.
Welche? Deine Textqualität lässt auch zu wünschen übrig. Skandalös!