Die geplante Verlängerung der freiwilligen Chatkontrolle dürfe nicht zur „Formsache“ werden, mahnt der Europäische Datenschutzbeauftragte (EDSB) Wojciech Wiewiórowski. Die Praxis würde bereits bestehende Risiken für die Privatsphäre weiter festschreiben und dürfe keinesfalls zur Norm werden, warnt Wiewiórowski in einem aktuellen Bericht zu dem Gesetzentwurf. Daraus folgt für den Datenschützer: „Die vorgeschlagene Verordnung sollte nicht angenommen werden, solange die erforderlichen Schutzmaßnahmen nicht eingerichtet wurden.“
Eigentlich ist es Online-Diensten verboten, die privaten Inhalte ihrer Nutzer:innen zu durchleuchten. Damit sie das trotzdem freiwillig machen und in diesem Fall automatisiert nach Darstellungen von Kindesmissbrauch suchen können, setzt die EU schon seit Jahren auf eine Ausnahmeregelung von der Datenschutzrichtlinie für elektronische Kommunikation. Doch die Regelung läuft im August aus. Bis dahin wollen sich EU-Kommission, EU-Länder und das Parlament auf die Details einer Verlängerung einigen.
In seiner Einschätzung bemängelt Wiewiórowski, dass trotz der „allgemeinen und wahllosen Überwachung der privaten Kommunikation“ keine wirksamen Schutzmaßnahmen vorgesehen sind. Insbesondere zeigt sich seine Behörde besorgt über die „relativ hohen Fehlerraten der aktuellen Erkennungstechnologien“, insbesondere wenn es um die Erkennung neuen Materials oder um die Kontaktanbahnung Erwachsener zu Minderjährigen (sogenanntes „Grooming“) gehe. Zudem macht der Datenschutzbeauftragte erneut auf das „erhebliche Risiko“ aufmerksam, dass Technologien zur Erkennung von Missbrauchsdarstellungen auch gemeinsam und einvernehmlich produzierte Bilder fälschlicherweise als illegal einstufen können.
Gefährliche Verpflichtung
Die Warnungen erinnern an Probleme, mit denen auch die ebenfalls geplante, aber in dem Fall verpflichtende Chatkontrolle gleichermaßen zu kämpfen hat. Im Unterschied zu freiwilligen Maßnahmen wären Online-Dienste nach einer entsprechenden Anordnung gezwungen, sämtliche Inhalte auf ihrem Angebot zu scannen – mit offenkundig unausgereiften Werkzeugen. Und die Scan-Pflicht würde auch für eigentlich verschlüsselte Inhalte gelten, etwa in Messengern wie WhatsApp oder Signal. Solche Inhalte würden vor ihrer Verschlüsselung beispielsweise mittels Client-Side-Scanning durchleuchtet werden. Angesichts der Brisanz dieses Vorschlags liegt die EU-Verordnung bis auf Weiteres auf Eis.
Doch selbst die freiwilligen Pläne gehen Wiewiórowski in dieser Form zu weit. Während er das Ziel unterstütze, gegen Kindesmissbrauch vorzugehen, sei die EU-Verordnung „nicht die Lösung“, so der Jurist aus Polen. „Das Ziel, sexuellen Missbrauch von Kindern zu bekämpfen, muss mit den notwendigen Schutzmaßnahmen für die private Kommunikation von Einzelpersonen und damit ihrer Grundrechte auf Privatsphäre verfolgt werden.“
Eine „freiwillige Chatkontrolle“ klingt recht harmlos, weil man dabei aus der Perspektive der Diensteanbieter auf die Sache blickt. Man könnte es aber auch „Freibrief zur Grundrechtsverletzung“ nennen, denn nichts anderes ist es aus Sicht der EU-Bürger:innen!
Um diese Aussage noch einmal hervorzuheben: NP deutete das auch an mit: „Eigentlich ist es Online-Diensten verboten, die privaten Inhalte ihrer Nutzer:innen zu durchleuchten…“ und die Chatkontrolle soll das dennoch ermöglichen.
Wenn man bedenkt, dass die Sammelung von Daten die Basis des Geschäftsmodells von Facebook, Google usw. ist, dann macht man also so den Bock zum Gärtner.
„Freiwilligkeit“ ist bekanntlich ein dehnbarer Begriff. Die Mafia würde bestimmt auch sagen, dass die Schutzgeldzahlungen an sie alle „auf freiwilliger Basis“ erfolgen, denn schließlich könne ja jeder frei wählen, ob seine Unterschrift oder sein Gehirn auf den Vertrag kommt.
Das so etwas wie die Chatkontrolle überhaupt in Spiel gebracht wird ist das Letzte!
Wie kann man damit politisch überleben?
In einem Rechtsstaat.