Wenn man zwischen zwei unerfreulichen Optionen wählen muss – kann man dann noch von echtem Einverständnis sprechen? Diese Frage stellt sich bei den neuen Abo-Modellen von beispielsweise Facebook und Instagram. Die großen Plattformen geben Nutzer*innen seit November 2023 die Möglichkeit, sich von Tracking und personalisierter Werbung freizukaufen. Kostenpunkt aktuell: 9,99 Euro im Monat; also rund 120 Euro im Jahr.
Auf Englisch ist das Modell als „Pay or okay“ bekannt. Eine deutsche Übersetzung, die sich ebenso reimt, wäre: abonnieren oder akzeptieren.
Gegen das Modell gibt es seit der Einführung bei Meta und Instagram Widerstand von Datenschutzbehörden und Verbraucherschutz-Organisationen. Nun hat sich die Dachorganisation europäischer Datenschutzbehörden (Europäischer Datenschutzausschuss, kurz: EDSA) dazu geäußert. Er reagiert damit auf Anträge der Behörden aus den Niederlanden, Norwegen und Hamburg und bezieht sich nur auf große Plattformen.
Der Tenor: Für das Modell „abonnieren oder akzeptieren“ geben die EU-Datenschützer*innen einen Daumen runter. Personen sollten sich nicht durch eine Gebühr zur Zustimmung gezwungen fühlen, heißt es in der Pressemitteilung. Hierzu sagte die finnische EDSA-Vorsitzende Anu Talus:
Online-Plattformen sollten den Nutzern bei der Verwendung von ‚Zustimmungs- oder Bezahlmodellen‘ eine echte Wahl geben. Die Modelle, die wir heute haben, erfordern in der Regel von Einzelpersonen, entweder alle ihre Daten zu verschenken oder zu bezahlen. Infolgedessen stimmen die meisten Nutzer der Verarbeitung zu, um einen Dienst zu nutzen, und sie verstehen nicht die vollen Auswirkungen ihrer Entscheidungen.
Es braucht also Alternativen, wie aus der Stellungnahme hervorgeht. Konkret spricht die Dachorganisation etwa von einem kostenlosen, werbe-basierten Angebot, das weniger oder keine personenbezogenen Daten nutzt. Auf Anfrage von netzpolitik.org betont der Ausschuss, seine Stellungnahmen seien allgemein und würden sich nicht an spezifische Unternehmen richten.
Die rechtliche Grundlage für die Stellungnahme ist die Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO). Sie verlangt, dass Menschen freiwillig und informiert in die Verarbeitung ihrer Daten einwilligen. Einfach ausgedrückt: Sie müssen wirklich verstehen, was mit ihren Daten passiert – und sie müssen das wirklich wollen. Die Frage nach dem Einverständnis ist besonders für sehr große Plattformen drängend. Für viele Menschen ist ein Verzicht auf Plattformen wie Instagram keine Alternative, weil sie ansonsten auf gesellschaftliche Teilhabe verzichten müssten.
Abo-Modell als „Trick“
Die gemeinnützige Organisation noyb („none of your business“) aus Wien setzt sich für Datenschutz in der EU ein. Ihr Vorsitzender Max Schrems hält das Modell „Abonnieren oder akzeptieren“ für den neusten „Trick, um das EU-Recht zu untergraben oder zumindest die Einhaltung um ein paar Jahre zu verzögern“.
Die EDPS-Stellungnahme folge laut noyb dem „einzig logischen Verständnis von freiwilliger Einwilligung“. Gerade eine dritte Option – also neben „abonnieren oder akzeptieren“ – ist ein Weg aus der Misere, wie aus einem Blogbeitrag von noyb hervorgeht.
In Wirklichkeit gibt es viele Möglichkeiten, eine Website zu monetarisieren, z. B. durch kontextbezogene Werbung, Produktplatzierung, bezahlte Inhalte oder Freemium-Modelle, bei denen bestimmte Inhalte nur gegen eine Gebühr verfügbar sind.
Kontextbezogene Werbung sind Anzeigen, die passend zu veröffentlichten Inhalten erscheinen. Ähnlich wie in einer gedruckten Zeitung, wo etwa Werbung für teure Uhren im Börsenteil erscheint. Der Konflikt zwischen Datenschutzbehörden und Meta könnte also verändern, wie kommerzielle Dienste im Internet für viele Millionen Nutzer*innen aussehen – oder zumindest, wie die zugrunde liegenden Geschäftsmodelle funktionieren.
Irische Behörde am Zug
Lob für die EDSA-Entscheidung kommt auch von Patrick Breyer, der für die Piraten ins Europa-Parlament gewählt wurde. Er bezeichnet das Abo-Modell als „Datenschutzgebühr“, die den Schutz der Privatsphäre untergrabe, indem sie wirtschaftlichen Zwang ausübe. „Meta muss jetzt einlenken, sein ‘Pay or okay’-System aufgeben und endlich unser Grundrecht auf anonyme Internetnutzung respektieren“, fordert der Abgeordnete.
Die EDSA-Entscheidung ist jedoch nicht bindend. Auf ihrer Grundlage werden nun die nationalen Datenschutzbehörden ihre eigenen Verfahren fortsetzen. Es steht wohl ein längeres Prozedere bevor.
„Die Stellungnahme ist nur eine Antwort auf Fragen verschiedener Datenschutzbehörden. In den Verfahren gegen Meta wird dagegen die irische Datenschutzbehörde (DPC) entscheiden“, erklärt noyb-Datenschutzjurist Felix Mikolasch auf Anfrage von netzpolitik.org. Es sei jedoch nicht auszuschließen, dass sich die irische Behörde auf die Seite von Meta stelle, weil dies in der Vergangenheit bereits der Fall war.
In diesem Szenario könnte es wiederum Streit mit anderen EU-Datenschutzbehörden geben, bis der EDSA einen verbindlichen Beschluss trifft, schätzt Mikolasch. Langfristig werde wohl der Europäische Gerichtshof das letzte Wort sprechen.
Korrektur:
„Pay or okay“
->
„Pay or prey“
Es wird immer nur über Meta gesprochen, dabei machen deutsche Zeitungen und News Portale mit ihren Betrugsabos genau das gleiche. Gibt es eine Einschätzung dazu, ob eine Entscheidung gegen Meta auch den „PUR Abo“ Quatsch von Spiegel online, heise und co betreffen würde?
Ist ne andere Baustelle. Die EDSA-Äußerungen betreffen rechtlich betrachtet nur den Teilbereich der großen Online-Plattformen.
Sehr große Onlineplattformen, die in den Anwendungsbereich des Digital Markets Act fallen sind davon nicht erfasst.
Für Pur-Abo Modelle in Deutschland gilt wiederum weiter der DSK Beschluss vom 22.3.23, der diese weithin für zulässig hält.
Müsste diese Entscheidung dann nicht genauso für viele andere Internetangebote gelten, die ein ähnliches Modell fahren. Mir fällt vor allem bei journalistischen Inhalten oft auf, dass man als Nutzer alle Trackingmaßnahmen akzeptieren soll oder alternativ ein kostenpflichtiges Abo (‚PUR-Abo‘ o.ä.) abschließen muss.
Die Alternativen heißen:
bezahle ich genau den Dienst mit meinen Daten in dem Umfang in dem ich ihn nutze und bleibe weiterhin weitergehend anonym, oder bezahle ich pauschal, leistungsunabhängig den Dienst, egal wie sehr ich ihn nutze mit meinem Geld und muss mich obendrein mit meinen, durch die Zahlung verifizierten, ermittelbaren Namen anmelden.
Natürlich verleitet das Erste manchen Autor oder Verlag zu „click bait“.
Das würde mit einem erwachsenen „Micropayment“ nicht geschehen:
Wer seine Leser veräppelt, bekommt auch kein Geld.
Schöne, Neue, Welt…
Interessant, dass wieder Facebook und Co als „die Bösen“ dastehen, während deutsche (und bestimmt auch internationale) Verlage seit Jahren eine noch datenschutzunfreundlichere Art praktizieren. —- Während Facebook anbietet: „Bezahle, dann tracken wir nicht mehr“, schreiben „seriöse“ deutsche Verlage: „Bezahle, dann tracken wir ein bisschen weniger“. — Ich begreife nicht, warum die beworbene Unabhängigkeit und deutliche Kritik immer endet, sobald deutsche Verlage betroffen sind.
Vielleicht weil deutsche Verlage darüber berichten und den eigenen Vorteil sehen?
Wettbewerb ist anstrengend.
Ich verschenke meine Daten doch nicht. Ich bezahle mit meinen Daten den Dienst den ich nutze.
Die Alternativen heißen also:
bezahle ich den Dienst mit meinen Daten und bleibe weiterhin anonym, oder bezahle ich den Dienst mit meinem Geld und muss mich mit meinen, durch die Zahlung verifizierten, ermittelbaren Namen anmelden.
Liefere also noch bessere Daten, da exakt „ich“ es bin, und bin so doof und zahle dafür auch noch.
Warum sieht niemand das Problem, dass man sich ja anmelden muss, will man seinen Account nutzen, und damit kein anonymer Konsum mehr möglich ist? (Wenn ich ein Bildzeitungs-Nicht-leser war, konnte mir niemand das nachweisen…)
Zu trivial?
Dreist und wenig demokratisch finde ich allerdings diese Abomodell sowie so.
Einst gab es z.B. „flattr“, micropayment.
Damit zahlte ich pauschal eine Summe an einen Verwalter. Gefiel mir ein Artikel oder war der besonders wertvoll, so konnte ich dem Verlag/Autor mit einem kleinen Klick eine kleine Summe zukommen lassen.
Anonym!
Wie zu erwarten würde das Modell von den Verlagen getötet.
Zum einen konnten so ja nur gute Autoren zu Geld kommen. Zum anderen bestimmten die Leser,wer das Geld bekam. Weit schlimmer war allerdings, das so keine Oligopole mehr möglich wären. Ich kann die 30 Euro für den Focus nur einmal ausgeben, und nicht noch einmal 30 Euro für das Spiegel-Abo und 50 Euro für das Handelsblatt-Abo.
Bin ich nicht reich, muss ich mich auf ein Quelle beschränken.
Für den Verlag hätte Glatte Nachtverlust bedeutet, wenn jeder Leser nicht mehr exklusive bei ihm lesen würde.
Zusätzlich entfiele bei Flattr die Möglichkeit, das Leseverhalten exact dieses Kunden zu beobachten.
Es ist komplett seltsam, das seitens der EU diese Möglichkeit „Micropayment“ gar nicht mehr.
erwähnt wird. Ist die Verlagslobby so stark?
Mich erinnert diese Diskussion ein wenig an den Kellner, der gerade bei der VHS den Kurs: „Grundlagen der Rabulistik“ belegt hat und seine Gäste nun linkisch fragt:
„Darf ich Ihnen Bier oder Wein zum Essen bringen?“
Dass dem Gast nun ein „Danke, Nichts“ schwerer fällt ist klar…
Moin,
Pay or OK ist ja eins, aber dort fehlt immer noch der Butten oder „lösche alle meine Daten und vergessen mich“.
Man muss bei FB bezahlen oder OK sagen um seinen Account zu löschen!
Zu dem Verlagsgebaren „lass mich trecken oder bezahle“ wäre eigentlich ja noch OK kann man ja im Anschluss löschen oder direkt den Privacymode verwenden. Aber das gebaren „Lass mich trecken oder bezahle“, man erlaubt das Trecking und bekommt seinen Artikel trotzdem nicht ist meines erachtens hochgradig illegal und gehört abgemahnt!