„Zu sehen sind eine Frau und ein Mann, wie sie zunächst einander küssen.“
Es beginnt wie eine romantische Geschichte. Aber es ist die Geschichte von Medienwächter*innen, die mit staatlichem Auftrag sexuelle Aufnahmen begutachten. Aufnahmen aus dem Internet, die Minderjährige nicht sehen sollen, und die nach Auffassung des Gesetzgebers allzu leicht abrufbar sind.
Zum Beispiel dieses Video von einer Frau und einem Mann, die „zunächst einander küssen“. Es ist auf dem Bildschirm der Behörde gelandet, wurde dort zuerst in Augenschein genommen und dann zu den Akten gelegt. Das Video kann die Entwicklung von Kindern und Jugendlichen beeinträchtigen, das hat die Medienaufsicht so feststellt. Und das liegt gewiss nicht am Kuss, sondern an dem, was folgt:
In der nächsten Szene liegt der Mann auf einem Bett und die Frau befriedigt ihn oral. Darauf folgen Szenen des Geschlechtsverkehrs. Die primären Geschlechtsteile sind im Fokus des Videos, aber durchgehend zensiert.
Die meisten Menschen dürften ein solches Video spontan für einen Porno halten. Aber weit gefehlt. Dieses Video ist kein Porno, sondern Erotik. In der Alltagssprache sind die Begriffe austauschbar. Aber im deutschen Recht ist der Unterschied zwischen Porno und Erotik eine ernste Sache. Er entscheidet darüber, ob Uploader*innen eine Straftat begehen oder nicht.
Pornos gehören zu den am strengsten regulierten Inhalten im Netz. Man darf sie in Deutschland nicht online verbreiten – außer mit rigorosen Alterskontrollen. Zum Beispiel sollen die Betreiber*innen von Pornoseiten die Ausweise aller Besucher*innen kontrollieren oder ihre Gesichter scannen, um sicherzustellen, dass sie über 18 Jahre alt sind. Wenn sie das nicht tun, drohen ihnen Netzsperren. Erotik dagegen ist viel weniger streng reguliert.
Zwar ist auch Erotik nicht für die Augen von Minderjährigen bestimmt, aber hier muss sich niemand Ausweise zeigen lassen. Bei Erotik genügt es, wenn auf einer Website eine Kennzeichnung steht, die ein Jugendschutz-Filter auslesen kann. Sind Erwachsene ohne Kindersicherung im Internet unterwegs, dann bekommen sie davon nichts mit.
Pornos machen mehr Probleme
Nun wimmelt es im Internet bekanntlich vor Erotik und Pornografie. In Abermillionen Videos finden sich „Szenen des Geschlechtsverkehrs“ und „primäre Geschlechtsteile“. Die Medienaufsicht geht deshalb nicht nur gegen große Plattformen wie Pornhub vor, sondern auch gegen einzelne Darsteller*innen und Sexarbeiter*innen. Auf ihren beruflichen Websites, Blogs und Social-Media-Accounts laden sie sexuelle Aufnahmen hoch, oft als Teaser zu ihren Bezahl-Inhalten oder für sexuelle Dienstleistungen. Sie bauen im Netz eine Community auf, ähnlich wie Influencer*innen. So finden sie Kundschaft und verdienen ihren Lebensunterhalt.
Die Ausweise aller vorbeischauenden Nutzer*innen zu kontrollieren, das kommt für die wenigsten in Frage. Umso wichtiger ist es für Sexarbeiter*innen, den Unterschied zwischen Erotik und Pornos abschätzen zu können. Ansonsten drohen ihnen Anzeigen und Geldstrafen. Im Strafgesetzbuch steht: :
Wer einen pornographischen Inhalt einer Person unter achtzehn Jahren […] zugänglich macht, […] wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft.
So hat die Medienaufsicht im vergangenen Winter mindestens 237 Twitter-Accounts wegen Verbreitung von Pornografie zur Anzeige gebracht. Es war eine Aktion zur „Sensibilisierung“, wie die Medienaufsicht erklärte. Die Betroffenen sahen darin eher „Zensur“ und Abschreckung; wir haben berichtet.
Hätten sie keine Pornos hochgeladen, sondern nur Erotik, dann wäre ihnen viel Ärger erspart geblieben. Damals wollten wir von der Medienaufsicht wissen: Wie kann man diese beiden Formen von sexuellen Inhalten eigentlich unterscheiden? Wo ist die Grenze zwischen Erotik und Porno? Was dürfen Sexarbeiter*innen ohne Alterskontrollen im Netz zeigen, wenn sie ihrem Beruf nachgehen wollen – ohne Angst vor einer Anzeige und Geldstrafen? Ist nacktes Schmusen schon Porno?
Die Antworten blieben vage. Es komme auf den Einzelfall an, lernten wir. „Porno ist Porno“, gab sich Deutschlands oberster Jugendschützer Marc Jan Eumann geheimnisvoll. Der ehemalige SPD-Politiker ist Vorsitzender der Kommission für Jugendmedienschutz.
Interne Dokumente schaffen Transparenz
Um der nebulösen Unterscheidung zwischen Erotik und Porno auf den Grund zu gehen, haben wir interne Dokumente angefragt. Dabei haben wir uns auf das Informationsfreiheitsgesetz (IFG) berufen, das Behörden zur Offenlegung von Dokumenten verpflichtet. Die Landesmedienanstalt Nordhein-Westfalen (NRW) hat uns daraufhin – gegen eine Gebühr – mehrere Hundert Seiten über Fälle von erotischen und pornografischen Inhalten geschickt, eine Stichprobe also.
Wer sich die Dokumente im Orignal duchlesen möchte, muss keinen Ausweis vorlegen. Dort gibt es keine pornografischen Bilder, sondern nur Beschreibungen. Die Medienwächter*innen haben hier in eigenen Worten festgehalten, was beim abgebildeten Blasen, Lecken und Ficken verwaltungsrechtlich relevant ist. Zum Beispiel: „Alle Geschlechtsteile sind vollständig zu sehen.“
Die Dokumente geben erstmals einen genauen Einblick, wie Medienwächter*innen in Deutschland sexuelle Aufnahmen auswerten und in Schubladen stecken. Wir haben insgesamt 174 Beispiel-Fälle untersucht, die zeigen: Es lassen sich durchaus simple Muster erkennen, welche Aufnahmen nur erotisch sind und welche bereits pornografisch. Das heißt, mehr Transparenz wäre möglich – auch für Menschen, die gerne selbst sexuelle Aufnahmen im Internet verbreiten möchten. Immerhin gehören solche Aufnahmen zu den meist abgerufenen Inhalten im Internet.
Als Reaktion auf unsere Recherche fordern Fachleute politische Konsequenzen: Sie sehen Nachholbedarf bei der Medienaufsicht und Schwächen im Strafrecht. Es geht auch darum, welche Rolle Sexualität und sexuelle Selbstbestimmung im Netz spielen soll; dazu später mehr.
Briefe an Menschen, die Ärger bekommen
Die von uns untersuchten Dokumente sind Briefe an Menschen, die gerade Ärger bekommen. Die Medienaufsicht schreibt ihnen, einfach ausgedrückt: Sie haben sexuelle Inhalte verbreitet, und sie haben sie nicht gut genug vor den Blicken Jugendlicher geschützt. Genau das sollen sie jetzt ändern. Bei Pornos müssten sie etwa Ausweise kontrollieren; bei Erotik eine Kennzeichnung für Jugendschutz-Programme hinterlassen. Außerdem sollen sie eine Verwaltungsgebühr zahlen, oft mehrere Hundert Euro.
Rechtsextreme Kräfte sind auf dem Vormarsch.
Wir halten mit unserer Arbeit dagegen.
In den Briefen beschreiben die Medienwächter*innen die angeprangerten Bilder und Videos. Sie notieren auch, wo sie hingeklickt haben und welche Texte dabei standen. Zum Beispiel:
Pfad:
Auf der Startseite des Angebots befinden sich Vorschaubilder zu Videos mit beschreibenden Texten. Das Bild unter dem Titel: „Sex in Public“ zeigt Folgendes:Bild:
Zu sehen ist eine Frau, die an einer Landstraße steht. Sie trägt einen kurzen Rock und hebt ihr Oberteil an, um ihre Brüste zu präsentieren. Unterhalb des Bildes ist zudem Folgendes zu lesen:Text:
„Mal schauen wer mich abschleppt und durchnimmt ;)“
Die Medienaufsicht begründet, ob der Inhalt unter Pornografie fällt, das heißt dann „nach den zu § 184 StGB von der Rechtsprechung entwickelten Kriterien als pornografisch zu bewerten“. Oder sie begründet, ob der Inhalt unter Erotik fällt – das heißt dann „entwicklungsbeeinträchtigend fur Kinder und Jugendliche“ unter 16 oder unter 18 Jahren.
Letzteres ist der Fall bei der Frau auf der Landstraße. Die Medienaufsicht hat festgestellt: Ihr Wunsch, abgeschleppt zu werden, kann die Entwicklung von Jugendlichen unter 18 Jahren beeinträchtigen.
87 Mal Porno, 87 Mal Erotik
Für unseren Vergleich haben wir aus den Dokumenten 87 erotische und 87 pornografische Darstellungen gesammelt. Unter „Darstellung“ fallen für die Medienaufsicht nicht nur Bilder und Videos, sondern auch Texte. Das heißt: Auch Worte können pornografisch sein; oder sie können dazu beitragen, dass eine Darstellung pornografisch ist. Wir haben für unseren Vergleich solche Fälle herausgesucht, bei denen Bilder und Videos im Vordergrund stehen. Dabei zeichnen sich deutliche Muster ab.
Bevor du weiterliest: Zu dieser Recherche haben wir ein interaktives Quiz bei dem Anbieter Genially erstellt. 15 amtliche Texte beschreiben entweder eine erotische oder eine pornografische Darstellung. Bloß, welches von beidem trifft zu? Teste jetzt, wie gut du spontan Erotik und Porno voneinander unterscheiden kannst. Oder lies hier zuerst die Ergebnisse unserer Auswertung.
Alle 87 untersuchen Fälle von Porno erfüllen mindestens eines der drei folgenden Kriterien:
- Penis und/oder Vulva werden unverdeckt und deutlich stimuliert (67 von 87 Fälle)
- erigierter Penis ist unverdeckt und deutlich dargestellt (62 von 87 Fälle)
- Vulva ist unverdeckt und deutlich dargestellt, etwa durch Spreizung (37 von 87 Fälle)
Bei der Mehrheit der Fälle von Erotik dagegen (79 von 87) ist keines dieser Kriterien erfüllt. Diese Aufnahmen zeigen beispielsweise Posen, mit Unterwäsche verdeckte Genitalien oder sie deuten die Stimulation nur an. Acht Fälle von Erotik fallen aus der Reihe: Hier sind laut Bildbeschreibung Vulven oder die Stimulation von Vulven sichtbar.
Die Auswertung dieser Stichprobe kann nur einen groben Eindruck vermitteln. Immerhin konnten wir die Bilder und Videos nicht selbst sehen, sondern nur die amtlichen Beschreibungen. Auch den sonstigen Kontext haben wir für den Vergleich ausgeblendet. Die Fälle aus den Dokumenten kommen vor allem von Websites, auf denen sexuelle Inhalte oder Dienstleistungen gezeigt werden. In anderen Zusammenhängen wie Gemälden oder Kinofilmen kann das Pendel zwischen Erotik und Pornografie nochmal anders ausschlagen.
Nicht auf Automatismen verlassen
Wie wichtig der Kontext ist, erklärt uns Jurist Stephan Dreyer im Gespräch. Er forscht am Leibniz-Institut für Medienforschung (Hans-Bredows-Institut) über Medienrecht und Media Governance. Wir haben ihm unsere Ergebnisse vorgelegt. Dreyer warnt, man könne sich nicht auf Automatismen verlassen – etwa „erigiertes Glied = Pornografie“ oder „keine Penetration = keine Pornografie“. Was ein Porno ist, habe sich „durch jahrzehntelange Rechtsprechung herausgebildet“.
Wann also ist ein Porno ein Porno? Dreyer hebt drei Kriterien hervor. Eines davon lautet, einfach ausgedrückt: Pornos sollen Menschen sexuell erregen. Dreyer schreibt hierzu: Die „Darstellung“ ziele „in ihrer Gesamtausrichtung auf die Aufreizung des Sexualtriebs“ ab.
Ein weiteres Kriterium: Pornos erzählen keine Story. Dreyer schreibt hierzu: Sexualität werde „losgelöst von jeden menschlichen, persönlichen und sozialen Bezügen dargestellt“, wobei „die Protagonisten nur als austauschbare Sexualobjekte erscheinen“.
Ein drittes Kriterium: Pornos gehen nah ran. Dreyer schreibt hierzu: Die Darstellungen erschienen „grob aufdringlich oder anreißerisch“, etwa durch „Fokus auf Geschlechtsteile oder Penetration“.
Allgemeine Kriterien für Pornos und Erotik lassen sich auch auf den Seiten der Medienaufsicht finden. Vieles davon deckt sich mit der herrschenden Rechtsmeinung, wie sie Dreyer beschreibt. Manche Details dagegen irritieren. Zum Beispiel könne laut Medienaufsicht auch „Dominanz von Stöhnlauten“ oder ein „derb-zotiger Wortschatz“ ein Faktor dafür sein, dass eine Darstellung als pornografisch gewertet wird.
Das heißt: Möchten Darsteller*innen nicht die Schwelle zur Strafbarkeit überschreiten, dann sollten sie möglichst leise kopulieren und sich dabei betont sachlich ausdrücken.
So viel zur Theorie. In der Praxis müssen Medienwächter*innen konkrete Entscheidungen treffen, wie die 174 von uns untersuchten Fälle zeigen. Wie nah muss die Kamera an eine Vulva rangehen, bis sie „grob aufdringlich“ im Fokus ist? Auf welche Weise müssen Menschen miteinander Sex haben, damit sie nicht „wie austauschbare Sexualobjekte erscheinen“?
Vielleicht möchtest du jetzt – mit neuem Fachwissen – dein Glück bei unserem interaktivem Quiz versuchen? Vollstrecke selbst den Jugendmedienschutz-Staatsvertrag und unterscheide zwischen Erotik und Porno.
Porno-Paragraf abschaffen?
Paulita Pappel ist Porno-Darstellerin, -Regisseurin und -Produzentin. Mit dem Verein Free Speech Coalition Europe vertritt sie die Interessen ihrer Branche. Wir haben ihr die Ergebnisse unserer Auswertung vorgelegt und um eine Einschätzung gebeten.
Pappel findet die Grenze zwischen Erotik und Porno „schwammig“, „subjektiv“ und „sozial konstruiert“, schreibt sie. Pornografie per Strafgesetzbuch zu kriminalisieren ist laut Pappel nicht mehr zeitgemäß. Dahinter stecke eine Zensur, über die man sich gesellschaftlich Gedanken machten sollte. Dass sich Erwachsene vor dem Besuch einer Pornoseite per Ausweis identifizieren müssen, sei ein „Angriff auf ihre sexuelle Selbstbestimmung“. Pappel fordert: „Wir müssen diese Richtlinien immer wieder in Frage stellen und überarbeiten, wenn wir an sozialen Fortschritt glauben.“
Auch Jurist Stephan Dreyer kritisiert, dass der Porno-Begriff schwammig ist, er spricht von „Unbestimmtheit“. Und das sei „aus verfassungsrechtlicher Sicht nicht unproblematisch“, erklärt er, insbesondere mit Blick auf das Bestimmtheitsgebot. Diesen Begriff muss man kurz erklären: Das Bestimmtheitsgebot ist ein wichtiges Prinzip im Rechtsstaat. Es besagt: Regeln müssen klar genug sein, damit Menschen überhaupt wissen können, was von ihnen erwartet wird.
Genau hier liegt das Problem beim Pornografie-Begriff. Dreyer warnt: Insbesondere wenn Creator*innen Fetischhandlungen zeigen oder künstlerische Ansprüche verfolgen, dann könnten sie nicht mit Sicherheit festellen, ob ihre Darstellungen pornografisch sind oder nicht.
Gehört der Porno-Paragraf also in den Papierkorb? Dreyer bezieht hierzu keine eigene Position. Ob es Pornografie im Strafrecht brauche, sei in erster Linie eine politische Entscheidung, schreibt er. Und die orientiert sich „bestenfalls an der mehrheitlichen gesellschaftlichen Sichtweise“.
Für den Jugendmedienschutz bräuchte es den Porno-Paragrafen im Strafgesetzbuch jedenfalls nicht, wie aus Dreyers Erläuterung hervorgeht: „Aus Jugendschutzsicht kann an einem Abgabe- bzw. Zugänglichmachungsverbot unabhängig von einer Vorschrift im Strafgesetzbuch festgehalten werden; Anbieter wären bei jugendschutzrelevanten Inhalten – wie derzeit auch – verpflichtet, Zugangshürden zu ihrem Angebot vorzusehen.“ Das heißt: Auch ohne Porno-Paragraph im Strafrecht dürften Minderjährige keine Pornos sehen.
Die freie Wissenschaftlerin Madita Oeming forscht und publiziert aus kulturwissenschaftlicher Perspektive über Pornografie. Sie schreibt uns mit Blick auf unsere Auswertung: Die komplette Pornographie-Gesetzgebung sei veraltet und reformbedürftig. „Ab welchem Erektionsgrad ein Penis nun jugendgefährdend wird, ist meines Erachtens nicht die Unterhaltung, die wir gerade dringend führen müssen.“ Statt Dinge zu verbieten, könnten Ressourcen deutlich effektiver in sexuelle Bildung investiert werden.
Vorschlag: „Beispiele aus der Praxis offenlegen“
Für eine Reform des Pornografie-Strafrechts, wie Pappel und Oeming sie anregen, bräuchte es politisches Momentum. Bloß, dafür gibt es aktuell wenig Anzeichen; allzu mächtig sind die gesellschaftlichen Tabus. Davon weiß Jessica Euler vom Verein Aktion Kinder- und Jugendschutz zu berichten. Sie gibt Workshops für Eltern und pädagogische Fachkräfte, unter anderem zu sexueller Bildung. Im Interview mit netzpolitik.org erzählt sie, wie groß die Hemmungen sind: Schon das Aussprechen von Wörtern wie „Penis“ und „Vulva“ sei für viele Eltern und Pädagog*innen noch immer ein Problem. Ähnlich wie Oeming und Pappel sieht Euler vor allem Handlungsbedarf bei der sexuellen Aufklärung für Kinder, für Jugendliche – und für Erwachsene.
Beim Problem mit dem Unterschied zwischen Porno und Erotik schwebt Pappel immerhin auch eine pragmatische Zwischenlösung vor: Bessere Hilfestellung für alle, die sexuelle Inhalte hochladen wollen. Dafür bräuchte es auch keine Reform des Strafrechts. Denn was die Medienaufsicht derzeit nicht zu bieten hat, sind anschauliche Bilder oder Bildbeschreibungen, an denen sich Sexarbeiter*innen direkt orientieren können. Dabei hat unsere Auswertung gezeigt: Es gäbe jede Menge solcher Beispiele für zulässige, erotische Darstellungen.
Vor dem Hintergrund, dass zunehmend Laien über die Unterscheidung von Porno und Erotik stolpern, schreibt uns Jurist Dreyer: Das könne ein „starkes Indiz dafür sein, dass Aufsichtsbehörden dazu aufgerufen sind, ihre Rechtsansichten und Entscheidungsmaßstäbe transparent zu machen“. Sie täten das auch im eigenen Interesse, um insbesondere Menschen, die sich an die Vorgaben halten wollen, vor unnötigen Verfahren zu bewahren.
Bombenfeste Kriterien kann es zwar nicht geben, wie aus Dreyers Erklärung hervorgeht: „Deutsche Richterinnen und Richter urteilen stets unabhängig, sodass etwaige Checklisten am Ende immer noch nicht zu abschließender Rechtssicherheit führten“, schreibt Dreyer. Aber „mit einem dicken Disclaimer“ könnte die Medienaufsicht durchaus als Serviceleistung ihre Kriterien und Beispiele aus der Praxis offenlegen.
Denkbar wäre auch ein Online-Assistent, bei dem sich Darsteller*innen vor dem Upload einer Aufnahme eine „grobe Voreinschätzung“ abholen. Der Assistent könnte etwa automatisiert abfragen, was gezeigt werden soll und in welchem Kontext. Das könne laut Dreyer Unsicherheit abfedern und Bewusstsein für die Kriterien von Pornografie schaffen.
Zum Vergleich: Bei einem anderen Thema hat die Medienaufsicht bereits einen leicht verständlichen Leitfaden ausgearbeitet – als „Orientierungshilfe“. Dort können sich Influencer*innen anhand bunter Tabellen informieren, wie sie Werbung richtig kennzeichnen.
Wir haben uns bei der Medienaufsicht erkundigt, ob solche Anregungen dort auf Resonanz stoßen. Die kurze Antwort: Nein.
Medienaufsicht sieht Null Handlungsbedarf
Die Medienaufsicht findet, sie habe die Kriterien bereits „sehr transparent dargelegt“, erklärt ein Sprecher auf unsere Anfrage. Er bezieht sich dabei auf die allgemeinen Formulierungen der Kommission für Jugendmedienschutz. Das „anhand von Praxisbeispielen zu veranschaulichen, ist aus unserer Sicht darüber hinaus nicht zielführend“.
Der Sprecher verweist außerdem darauf, dass sich Darsteller*innen von ihren Jugendschutzbeauftragten beraten lassen können. Einen solchen Beauftragten müssen laut Gesetz alle haben, die Erotik und Pornos im Netz anbieten. Das sind juristische Fachleute, etwa Rechtsanwält*innen, die für ihre Dienste eine monatliche Pauschale verlangen.
Das Problem: Auch Jugendschutzbeauftragte können kaum mehr tun, als die teils schwammigen Gesetze zu lesen und zu deuten. Rechtsanwalt Jan Lennart Müller von der IT-Recht-Kanzlei München schreibt hierzu auf der Website seiner Kanzlei: Die Abgrenzung sexueller Inhalte könne „im Einzelfall erhebliche Schwierigkeiten bereiten“. Im „Interesse der Rechtssicherheit“ gebe es den Bedarf, die teilweise fließenden Grenzen zu konkretisieren. Ähnlich sieht das Rechtsanwalt Marko Dörre, der als Jugendschutzbeauftragter für Pornoseiten arbeitet: Er kritisiert die KJM-Kriterien auf unsere Anfrage hin als „wenig hilfreich“; die Rechtsunsicherheit sei „erheblich“.
Dennoch: Die Medienaufsicht sieht hier keinen Handlungsbedarf. Sie habe vielmehr eine „nachträgliche Aufsichtsfunktion“, wie der Sprecher erklärt. Das heißt, die Behörde schreitet zwar ein, wenn jemand etwas falsch gemacht hat. Es steht aber nicht auf dem Programm, die Leute vorher besser aufzuklären. Auf diese Weise dürfte bei der Medienaufsicht auch in Zukunft für ausreichend Beschäftigung gesorgt sein, wenn Medienwächter*innen „Szenen des Geschlechtsverkehrs“ zu den Akten nehmen und dafür mehrere Hundert Euro Gebühr in Rechnung stellen.
“ Die Medienaufsicht hat festgestellt: Ihr Wunsch, abgeschleppt zu werden, kann die Entwicklung von Jugendlichen unter 18 Jahren beeinträchtigen.“
Jeder in der Jetzt-Zeit lebende und mit gesundem Verstand ausgestattete Mensch bzw. Jugendliche fasst sich bei diesem – übrigens vom Autor vortrefflich formulierten – Satz an den Kopf und wird sofort die Lächerlichkeit dieses Affenzirkusses erkennen, den die „Medienaufsicht“ hier zu veranstalten versucht.
Glauben die Herren Schmid, Eumann und Co. allen Ernstes, mit diesem Schwachsinn auch nur eine(n) Jugendliche(n) weniger „sexuell erregt“ werden zu lassen oder, anders formuliert, ins Reich der 50er-Jahre-Prüderie zu verbannen?
Wie weltfremd und ignorant muss man als Politiker im 21. Jahrhundert sein?
Aber was will man erwarten? Die „Vorarbeit“ für diesen Schwachsinn wurde schon zu Zeiten der GroKo geleistet, als Zensursula von der Leyen hochgeschlossen und mit strenger Gouvernanten-Frisur durch den Bundestag schlich und fleissig Netzsperren verteilte und der damalige SPD-Justizminister Maas allen Ernstes den Vorschlag gemacht hatte, man solle vor jedem Sex einen Vertrag (sic!) schliessen, um die „Rechtmäßigkeit“ solcher Absichten zu dokumentieren.
Yeah, beides hat nicht geklappt – die Jugend schaute weiter Pornos und wird es auch diesmal tun. Wetten?
Frau steht am Strassenrand, Warnblinkanlage an und sagt sich: Mal gucken, wie lange es dauert, bis ich abgeschleppt werde. Anruf beim ADAC. Antwort der KI: “ Die Medienaufsicht hat festgestellt: Ihr Wunsch, abgeschleppt zu werden, kann die Entwicklung von Jugendlichen unter 18 Jahren beeinträchtigen.“
Und wenn sie nicht gestorben ist, dann wartet sie auch heute noch…
KI essen Kontext auf…
Man kann s auch ganz einfach entscheiden:
– Ist das Bild in schwarzweiß = Kunst
– Ist das Bild in Farbe = Porno!
Embrace the Age of AI!
Soll heißen ein Aktphoto in Schwarz-weiß würde selbst einen Kunst-affinen Jugendlichen nicht Sexuell erregen können? Das glaube ich nicht!
Was ist mit Strichmännchen (Schwarze Linien auf Weißem Hintergrund)? ;-)
Das klingt alles furchterregend stümperhaft. Zu den drei von Dreyer genannten „Porno-Kriterien“: Die würden auch 1 zu 1 auf ein Werbeplakat zutreffen, bei dem eine Frau mit dicken knalligen Lippen in ein Eis so genussvoll reinbeißt dass man meint sie würde gleich zerplatzen vor lauter sex-appeal. Ich habe keine Ahnung wie man hier eine Grenze ziehen will. Und wenn das Zeigen primärer Geschlechtsteile das Kriterium sein soll: Was genau soll daran für sich genommen jugendgefährdend sein? Fast jedes Kind kennt seine Eltern auch im nackigen Zustand, und vielleicht auch mal den Papi mit Morgenlatte gesehen oder viell. erwischt das Kind die Eltern auch mal beim Sex. Das ist nicht unbedingt erstrebenswert aber wenn es doch mal passiert, geht davon die Welt nicht unter. Meine Güte. Kinder nehmen Sex und Pornos anders wahr als Erwachsene, weil es eben Kinder sind. Wenn sie mal im Netz (oder an der Tankstelle am Heftchenständer) auf Pornos stoßen sollten, finden sie das vielleicht einen Moment lang crazy aber antörnend oder vereinnahmend kann so etwas in dem Alter nicht wirklich sein. Auch ich war mal Grundschüler und weiß, wovon ich rede. Da erscheint mir der allgemeine kapitalistisch-ideologisch eingebläuelte Konsumrausch durch Werbung überall, teilw. sogar auf Kinder zugeschnitten, wesentlich problematischer für die Entwicklung des Kindeswohls. Politisch sollte man sich damit beschäftigen, was dafür getan werden kann dass Kinder nicht selbst und ungewollt Opfer sexualisierter Gewalt werden. Das ist das eigentliche Problem. Ausweispflichten für Pornos anschauen bringen da rein gar nichts außer jede Menge Probleme für Sexarbeitende und eine scheinbar-prüde Gesellschaft. Wer glaubt, Kinder dadurch zu schützen, indem Erwachsenen das Ausleben von Lust erschwert wird, sollte sich noch mal genauer mit den Skandalen in der kathol. Kirche befassen…
Deutschland, lächerlich wie eh und je. Als Frau interessieren mich nur die Geschlechtsteile, ich will keine Gesichter sehen, ich will kein Geknutsche sehen, ich will Menschen sehen die Sex haben und dabei sollen natürlich
die primären Geschlechtsteile im Fokus stehen aber das darfst du gerade als Frau auch nicht laut sagen. Unsere tollen Politiker sollen sich mal um die wirklich wichtigen Dinge kümmern z.B. was bei Rammstein passiert ist aber nein, sie müssen es Menschen erschweren sich sexuelle Inhalte anzugucken die sie n u r auf das körperliche fokussieren. Man kann eigentlich nicht laut genug hämisch über unsere Politiker lachen wenn es nicht so traurig wäre.
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