Metall auf MetallTräumen 90er-Jahre-Rapper vom elektrischen Pastiche?

Bis heute ist rechtlich ungeklärt, ob das Zwei-Sekunden-Sample eines Musikstücks als Nachahmung gilt oder nicht. Nun könnte das von der Band Kraftwerk losgetretene Endlosverfahren endlich sicherstellen, dass sich solche Schnipsel legal verwenden lassen.

Eine Metall-Skulptur des Künstlers Carlos de Oliveira Correia blickt auf der Aussichtsplattform am Strand von Olhos des Augua bei Sonnenaufgang auf den Atlantik hinaus.
Am Horizont zeichnet sich langsam eine Klärung im Urheberrechtsstreit zwischen der Musikgruppe Kraftwerk und dem Musikproduzenten Moses Pelham ab. – Alle Rechte vorbehalten IMAGO / imagebroker

Dieser Beitrag erschien zunächst im Englischen Original bei Communia Association unter der CC-0-Lizenz. Übersetzung und leichte Anpassung stammen von DeepL und Tomas Rudl.

Mitte September hat das höchste deutsche Gericht, der Bundesgerichtshof (BGH), dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) zum zweiten Mal in weniger als zehn Jahren Fragen im Zusammenhang mit dem Fall Metall auf Metall vorgelegt. Diesmal bittet der BGH den EuGH, das Konzept von „Pastiche“ zu erläutern, damit er feststellen kann, ob die Verwendung eines 2-Sekunden-Samples von Kraftwerks Lied Metall auf Metall aus dem Jahr 1977 in Sabrina Setlurs Lied Nur Mir aus dem Jahr 1997 als offene Nachahmung einzustufen ist.

Die kürzliche Überweisung an den EuGH ist die jüngste Entwicklung in der juristischen Geschichte. Sie begann 1999, als Kraftwerk den Setlur-Produzenten Moses Pelham wegen der unerlaubten Verwendung des Samples verklagte. Mittlerweile befasst sich das höchste deutsche Gericht bereits zum fünften Mal damit. Bei der letzten Überweisung hatte der EuGH festgestellt, dass die Verwendung des Samples nach den deutschen Urheberrechtsregeln vor 2002 rechtmäßig war, aber nach den Regeln nach 2002 (mit denen die Richtlinie über das Urheberrecht in der Informationsgesellschaft von 2001 umgesetzt wurde) eine Rechtsverletzung darstellte. Diese Schlussfolgerung beruhte im Wesentlichen darauf, dass nach der Verabschiedung der Richtlinie über das Urheberrecht in der Informationsgesellschaft (InfoSoc) von 2001 das Konzept der „Freien Benutzung“ im deutschen Urheberrecht gegen EU-Recht verstößt.

Die neue Überweisung ergibt sich daraus, dass Deutschland im Rahmen der Urheberrechtsnovelle 2021 zur Anpassung des deutschen Urheberrechts an die EU-Richtlinien die freie Benutzung gestrichen und gleichzeitig eine neue Ausnahme für Karikatur, Parodie und Pastiche (§ 51a UrhG) eingeführt hatte. Das Oberlandesgericht Hamburg, an das der BGH den Fall zur endgültigen Klärung zurückverwiesen hatte, hat daraufhin entschieden, dass die Verwendung des Samples nach Einführung der neuen Schranke im Jahr 2021 tatsächlich wieder rechtmäßig war, da es sich um eine Nutzung zum Zwecke des Pastiche handelte.

Gegen diese Entscheidung hat Kraftwerk Revision eingelegt, so dass der Fall erneut vor dem BGH verhandelt wurde. Im Rahmen dieser Revision hat der BGH den EuGH nun erneut um Stellungnahme gebeten, diesmal zur Bedeutung des Begriffs „Pastiche“ in Artikel 5(3)(k) der InfoSoc-Richtlinie von 2001. Daraus leitet sich die deutsche Ausnahmeregelung ab. Das bedeutet, dass die Entscheidung des EuGH in dieser Rechtssache dieses Mal viel weitreichendere Auswirkungen als nur auf das deutsche Urheberrecht haben wird. Es ist sehr wahrscheinlich, dass es die EU-Rechtsregelung für das Sampling bestimmen wird.

Die Vorlage an den BGH enthält zwei separate Fragen, die in der Pressemitteilung des Gerichts beschrieben werden (der Text der eigentlichen Entscheidung, die die Fragen enthält, muss vom BGH noch veröffentlicht werden). Laut der Pressemitteilung …

… stellt sich zunächst die Frage, ob die Schrankenregelung der Nutzung zum Zwecke von Pastiches im Sinne des Art. 5 Abs. 3 Buchst. k der Richtlinie 2001/29/EG ein Auffangtatbestand jedenfalls für eine künstlerische Auseinandersetzung mit einem vorbestehenden Werk oder sonstigen Bezugsgegenstand einschließlich des Sampling ist und ob für den Begriff des Pastiches einschränkende Kriterien wie das Erfordernis von Humor, Stilnachahmung oder Hommage gelten.

Dass die Nutzung zum Zweck der Nachahmung als eine Art letzte Ausnahme zum Schutz der Kunstfreiheit dient, ist zu begrüßen. Denn das würde die Freiheit des Schaffens auf EU-Ebene schützen, wie wir in unserem Empfehlungspapier Nr. 7 nahelegen. Da die Pastiche-Ausnahme in der EU bereits obligatorisch ist, würde eine positive Antwort des EuGH auf den ersten Teil dieser Frage einen harmonisierten Schutz der Freiheit des künstlerischen Ausdrucks auf EU-Ebene gewährleisten.

Der EuGH vertritt seit einiger Zeit die Auffassung, dass die in der EU-Grundrechtecharta verankerten Grundsätze bereits vollständig im EU-Urheberrecht verankert sind, insbesondere durch die bestehende Liste der EU-Ausnahmen. Wie wir in unserem Policy Paper Nr. 14 über Grundrechte als Schranke für das Urheberrecht in Notfällen festgestellt haben, ist dies nicht unbedingt der Fall, da die bestehenden Ausnahmen offenbar nicht alle von der Charta vorgeschriebenen Grundrechtserwägungen ausgeschöpft haben und andererseits noch nicht alle dieser Abwägungsmechanismen in den nationalen Gesetzen der EU-Mitgliedstaaten voll zum Tragen gekommen sind.

Mit dieser Vorlage kann das Gericht jedoch prüfen, ob das EU-Urheberrechtsgesetz die Kunstfreiheit ausreichend berücksichtigt. Unserer Ansicht nach sollte eine Auslegung der Pastiche-Ausnahme im Lichte dieser Grundfreiheit dazu führen, dass der Gerichtshof einen breiten Anwendungsbereich vorsieht, der alle durch die Charta geschützten Formen der künstlerischen Bearbeitung abdeckt.

In der Pressemitteilung äußert der BGH ein sehr ähnliches Anliegen und verweist auf den inhärenten Konflikt zwischen dem starren EU-Urheberrechtssystem und der Freiheit des (künstlerischen) Ausdrucks:

Die Pastiche-Schranke könnte als allgemeine Schranke für die Kunstfreiheit zu verstehen sein, die deshalb notwendig ist, weil der Kunstfreiheit allein durch die immanente Begrenzung des Schutzbereichs der Verwertungsrechte auf eine Nutzung der Werke und Leistungen in wiedererkennbarer Form (vgl. EuGH, GRUR 2019, 929 [juris Rn. 31] – Pelham u.a.) und die übrigen Schrankenregelungen wie insbesondere Parodie, Karikatur und Zitat nicht in allen Fällen der gebotene Raum gegeben werden kann.

Dieses Verständnis der Pastiche-Ausnahme würde auch mit der Absicht des deutschen Gesetzgebers bei ihrer Einführung im Jahr 2021 übereinstimmen. In seiner für die Gesellschaft für Freiheitsrechte durchgeführten Studie zur Pastiche-Schranke aus dem Jahr 2022 stellt Till Kreutzer fest:

Der deutsche Gesetzgeber hat den Pastiche-Begriff bewusst offen formuliert. Er gibt in den Gesetzesmaterialien deutlich zu verstehen, dass § 51a UrhG einen weiten und dynamischen Anwendungsbereich haben soll. Die Pastiche-Schranke dient dazu, übliche Kultur- und Kommunikationspraktiken im Netz zu legitimieren, v. a. User-Generated-Content und die Kommunikation in sozialen Netzwerken. Sie soll u. a. auf Remixes, Memes, GIFs, Mashups, Fan Art, Fan Fiction und Sampling angewendet werden.

Im Rahmen dieser Studie schlägt Kreutzer die folgende „urheberrechtsspezifische Definition“ von Pastiche vor und kommt zu dem Schluss, dass der Begriff die Praxis des Samplings umfasst:

Ein Pastiche ist ein eigenständiges kulturelles und/oder kommunikatives Artefakt, das sich an die eigenschöpferischen Elemente veröffentlichter Werke Dritter anlehnt und sie erkennbar übernimmt.

Es wird interessant sein zu sehen, wie der EuGH die gleiche Aufgabe angehen wird. In diesem Zusammenhang ist die zweite vom BGH formulierte Frage etwas beunruhigender. Hier will der BGH wissen …

… ob die Nutzung „zum Zwecke“ eines Pastiches im Sinne des Art. 5 Abs. 3 Buchst. k der Richtlinie 2001/29/EG die Feststellung einer Absicht des Nutzers erfordert, einen urheberrechtlichen Schutzgegenstand zum Zwecke eines Pastiches zu nutzen oder ob die Erkennbarkeit des Charakters als Pastiche für denjenigen genügt, dem der in Bezug genommene urheberrechtliche Schutzgegenstand bekannt ist und der das für die Wahrnehmung des Pastiches erforderliche intellektuelle Verständnis besitzt.

Im Fall von Metall auf Metall ergibt diese Frage nicht viel Sinn. Im Jahr 1997, als „Nur Mir“ aufgenommen wurde, gab es den Begriff des Pastiche im deutschen Urheberrecht noch nicht (und auch nicht die InfoSoc-Richtlinie, mit der der Begriff auf EU-Ebene eingeführt wurde). Dies macht es so gut wie unmöglich, dass die Plattenproduzenten die Absicht hatten, den Ausschnitt aus Metall von Metall zum Zweck des Pastiche zu verwenden – ein Zweck, der laut BGH selbst noch vom EuGH definiert werden muss.

Schon wegen der Rechtssicherheit sollte der EuGH eine Absichtserfordernis ablehnen und jede Definition allein auf die Merkmale der Benutzung stützen, wie in der Definition von Kreutzer vorgeschlagen.

In jedem Fall ist die neue BGH-Überweisung an den EuGH eine sehr willkommene Entwicklung in der Metall-auf-Metall-Saga. Sie bietet dem EuGH die dringend benötigte Gelegenheit, diesen wichtigen Begriff zu klären, der in den jüngsten Diskussionen über Artikel 17 der Urheberrechts-Richtlinie eine große Rolle gespielt hat. Um eine Mehrheit für die Richtlinie zu finden, hat der EU-Gesetzgeber die Pastiche-Ausnahme zwingend vorgeschrieben, um die umgestaltende Nutzung urheberrechtlich geschützter Werke auf Plattformen für nutzergenerierte Inhalte zu schützen.

Es wäre nur passend, dass das letzte Vermächtnis von Kraftwerks engstirnigem Versuch, das Urheberrecht als Waffe einzusetzen, um den kreativen Ausdruck einer nachfolgenden Generation von Künstlern einzuschränken, fast drei Jahrzehnte später zu einer breit angelegten Konzeptualisierung von Pastiche als Schutz des künstlerischen Ausdrucks in der gesamten EU führen würde.

2 Ergänzungen

  1. Ach ja, die bösen, bösen out-of-touch Kraftwerk-Boomer, die hämisch kichernd in ihrem Elfenbeinstudio sitzen und nichts anderes tun, als sicherzustellen, dass die Kreativität von coolen, hippen, Jungmusikern wie Moses P für immer eingeschränkt wird.

    Mal im Ernst, eine Sache, die bei diesem Prozess (und beim Sampling im Allgemeinen) gerne übersehen wird, ist dass die gesampelten Künstler auch das Recht haben sollten, sich aussuchen zu dürfen, wer denn nun Teile ihrer Musik wofür benutzt. Ich hätte auch keinen Bock, einzelne Stücke von meinen Songs in einer Moses Pelham Produktion zu hören und indirekt mitzuhelfen, dieser sehr fragwürdigen Person das Bankkonto zu füllen. Selbst wenn es sich nur um ein zwei Sekunden langes Geräusch handelt.

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