Hass-Welle gegen den Volksverpetzer„Gezielter Angriff auf die Pressefreiheit“

Seit zwei Wochen nehmen Rechtsradikale und Verschwörungsanhänger das Blog Volksverpetzer verstärkt ins Visier. Es geht schon lange nicht mehr nur um hasserfüllte Kommentare. Wir haben den Volksverpetzer-Gründer Thomas Laschyk gefragt, was los ist.

Vollgeschmierte Wand mit Aufschrift "Blaw Blaw Blaw"
Viele der Attacken auf das Medium sind vor allem Bla-Bla, aber es sind auch Morddrohungen und Angriffe auf die Infrastruktur dabei. (Symbolbild) – Gemeinfrei-ähnlich freigegeben durch unsplash.com Mika Baumeister

Das Blog Volksverpetzer nimmt immer wieder Fake News, Desinformation und rechte Narrative auseinander. Es ist bekannt dafür, dass es sich auch auf provokante Weise mit Rechtsradikalen und Verschwörungsideologen anlegt – und viele Feinde hat. Am Wochenende twitterte der Volksverpetzer, dass es gerade Morddrohungen, Drohbriefe, DDoS-Attacken und koordiniertes Review-Bombing gegen sie gäbe. Wir haben beim Volksverpetzer-Gründer Thomas Laschyk via Messenger-Interview nachgefragt.

netzpolitik.org: Was ist da los bei Euch gerade?

Thomas Laschyk: Mit Beleidigungen und Trollen müssen wir uns pausenlos herumschlagen, aber vor zwei Wochen wurde es nochmal extremer. Ich vermute, die Angriffe in den letzten Tagen sind noch die „Nachwehen“. Ein relativ bekannter Impfgegner hatte sich tragischerweise das Leben genommen. Schon wenige Tage später haben sich diverse Hetzer und Desinformationsverbreiter aufgemacht, den Tod zu instrumentalisieren. Sie erwähnten auch, dass „Volksverpetzer“ ihn vor zwei Jahren mal kritisiert hatte. Ich durfte dann hunderte Male in Social Media lesen, „Volksverpetzer hätte ihn in den Tod getrieben“. Entsprechend aufgeheizt und emotional waren die Reaktionen von den Anhängern, die die Andeutung natürlich als Tatsache lasen und uns massiv angriffen.

netzpolitik.org: Und was passierte dann?

Thomas Laschyk mit blauem Hemd.
Thomas Laschyk ist Gründer des Volksverpetzers. - Alle Rechte vorbehalten privat

Laschyk: Wir haben enorm viele Hassnachrichten und Beleidigungen bekommen, auf allen Kanälen. Und sehr viele Mails mit Lügen und Drohungen, auch Morddrohungen. Auf Telegram wurde die Adresse aus unserem Impressum geteilt, dort hin bekamen wir dann auch einen Drohbrief, leider völlig anonym. Es hörte aber dann nicht auf: Wenig später stellten wir fest, dass unser Profil auf Trustpilot in kürzester Zeit hunderte, meist negative Bewertungen erhielt. Mittlerweile sind dort 4.000 Bewertungen eingegangen.

netzpolitik.org: Habt ihr euch bei Trustpilot gemeldet?

Laschyk: Wir baten Trustpilot zunächst darum, unser Profil einfach zu löschen. Es war sowieso ein automatisches Profil, wir haben ja keine „Kunden“ in dem Sinne und das Profil ergibt wenig Sinn für uns. Aber Trustpilot weigerte sich. Danach wiesen wir auf Twitter darauf hin, dass unsere Fans uns auch gerne bewerten können. Daraufhin verbesserte sich die Gesamtbewertung wieder signifikant. Aus keinem mir ersichtlichen Anlass gab es am Samstag aber plötzlich wieder zahlreiche Aufrufe in sozialen Medien, uns Hass zu schicken und negativ zu bewerten….

netzpolitik.org: Das heißt, erst haben sie nur dieses Profil heruntergewertet, ihr berichtet auf Twitter aber auch von DDoS auf eure Seite. Was passierte da?

Laschyk: Genau, es beschränkte sich nicht nur auf die negativen Bewertungen. Natürlich gab es „wie immer“ einen Shitstorm, wir trendeten am Samstag auch auf Platz 14 oder so bei Twitter, mit vielen Beleidigungen, und gleichzeitig haben wir von Cloudflare zwei Mal eine Meldung erhalten für versuchte DDoS-Attacken, die abgewehrt werden konnten.

netzpolitik.org: Sind eure Gegner in einem bestimmten Kanal organisiert und orchestrieren die Attacken gegen euch?

Laschyk: Ich persönlich habe keine Übersicht, auf welchen Kanälen gegen uns mobilisiert wurde. Es ist nur offensichtlich, dass sie aus der „alternativen“ Blase rund um Querdenker und Rechtsextreme stammen.

netzpolitik.org: Ihr seid ja schon in der Vergangenheit eine beliebte Zielscheibe für die politische Rechte gewesen. Wie geht ihr damit um, wenn beständig so viel Widerspruch, aber auch Hass kommt?

Laschyk: Wir machen diese Arbeit eben, weil die politische Rechte so sehr versucht, mit Hass und Desinformation die Meinungshoheit zu erlangen. Solche Reaktionen sind gleich doppelt der Beweis für mich, dass unsere Arbeit wichtig ist. Das Wissen, dass sie nichts lieber wünschten, als dass ich damit aufhöre, ist eigentlich eine gute Motivation, eben erst recht weiter zu machen. Außerdem habe ich mir absichtlich abgeschaut, wie Rechte sich über ihre Opferhaltung erfolgreich vermarkten. Und da wir ohnehin versuchen, ihre Strategien (minus Hass und Lügen natürlich) gegen sie zu verwenden, nutzen wir dann eben die echten Angriffe gegen uns als zusätzlichen Beleg über die Methoden dieser Gruppen.

netzpolitik.org: Gibt es denn unterschiedliche Formen von Widerspruch gegen Eure Arbeit?

Laschyk: Es gibt relativ wenig Unterschied in meinen Augen zwischen diesem „Widerspruch“ und dem Hass. Neben den vielen Beleidigungen und Drohungen gibt es natürlich vermeintlich sachliche Kritik. Gefühlt 99 Prozent dieser „Kritik“ an uns mag größtenteils ohne Beleidigungen auskommen. Aber nur weil man mich nicht anschreit, heißt das noch nicht, dass die Kritik berechtigt ist. Oftmals „kritisieren“ Leute unsere Artikel mit Behauptungen, die buchstäblich in den Artikeln selbst widerlegt werden. Dann wird klar, dass sie die Artikel nicht einmal lesen und dementsprechend wohl kaum konstruktiv diskutieren wollen.

Konstruktive, sachliche Kritik nehme ich mir immer gern zu Herzen. So etwas setzen wir oft um, überarbeiten oder korrigieren Artikel, wenn nötig. Aber nur weil Desinformation über uns als „sachliche Kritik“ getarnt wird, werde ich nicht Zeit damit verschwenden, von irgendwelchen kürzlich erstellten Accounts als Frage versteckte Vorwürfe zu beantworten. Auf diese Masse an substanzlosem Widerspruch reagieren wir eben meistens einfach gar nicht und blocken derartige Accounts. Sie sollen uns möglichst wenig Zeit und Nerven stehlen, damit wir die lieber in produktive Arbeit stecken…

netzpolitik.org:  … das heißt, ihr habt mit der Zeit eine dicke Haut bekommen.

Laschyk: Ja total, ich persönlich musste mich zwingen, komplett aufzuhören, Mails und Kommentare zu lesen. Nach den Jahren an Hass und Hetze bin ich völlig abgestumpft. Umgekehrt versuche ich diesen Hass in was Positives zu verwandeln und mache mich über die schlechtesten Kommentare lustig oder zeige Widersprüche auf – manchmal entstehen aus so etwas auch Artikel. Das ist immer unser Versuch: etwas was Produktives und Positives daraus machen und gegen sie verwenden. Meistens führen große Shitstorms tatsächlich zu einem großen Anstieg an Spenden für uns. Wir wollen auch, dass unsere politischen Gegner wissen, dass wir letztlich dadurch auch profitieren können.

netzpolitik.org: Wie bewertet ihr das Agieren dieser Leute, die Euch angreifen, im Hinblick auf die Pressefreiheit?

Laschyk: Für uns ist das ganz klar ein Angriff auf unsere Meinung und unser Agieren. DDoS-Attacken gehen weit, weit über Kritik hinaus und sind ein gezielter Angriff auf die Pressefreiheit und der Versuch, uns mundtot zu machen. Hinzu kommt ja, dass die vermeintlichen Gründe, die die Attacken rechtfertigen sollen, auch nur gelogen sind. Viele sprechen davon, dass die Drohungen, das Review-Bombing und die DDoS-Attacken ja nur „Karma“ seien – für das, was wir angeblich machen würden. Dabei widersprechen wir nur Fake News und Propaganda und belegen unsere Aussagen stets. Die Fans der Leute, die uns „Cancel Culture“ vorwerfen, weil wir sachliche und belegbare Kritik veröffentlichen, schicken uns Morddrohungen und wollen unsere Website offline nehmen.

netzpolitik.org: Bringt ihr auch Sachen zur Anzeige?

Laschyk: Ja, wir haben etwa zwei dutzend Mails, Tweets und Kommentare zur Anzeige gebracht. Das ist aber nur ein Bruchteil davon, was wir bekommen haben. Wir filtern selbst auch schon vor. Wenn es ein kürzlich erstelltes, anonymes Profil auf Twitter ist, erwarten wir nach unseren bisherigen Erfahrungen ohnehin keine Konsequenzen – weder von der Polizei noch von Twitter. Gelegentlich kontaktieren wir unseren Anwalt auch wegen zivilrechtlicher Dinge, doch das meiste mahnen wir am Ende ohnehin doch nicht ab – wie kürzlich eine glasklare Falschaussage von Herrn Maaßen über uns. Wir mahnen da nicht ab, weil wir entgegen der Lügen unserer Kritiker die Meinungsfreiheit als sehr hohes Gut erachten und nicht mit deren juristischen Methoden arbeiten wollen.

netzpolitik.org: Danke für das Gespräch.

6 Ergänzungen

  1. Ich hoffe doch sehr das bei allen Hass Kommentaren unverzüglich Strafanzeige gestellt wird. Ab und an wird man doch sicher den ein oder anderen Täter erwischen können.

  2. [Anm. der Moderation: Kommentar wegen Hinweisen auf Suizid, Namen der Person und Erklärversuchen moderiert. Bitte nicht machen.]

  3. Es ist wieder mal so typisch, dass sich eine Institution wie Trust Pilot weigert, offensichtlich falsche negative Bewertungen zu entfernen. Man kämpft so nicht nur gegen Hass und Hetze, sondern auch noch gegen Dummheit und Ignoranz auf Seiten sogenannter sozialer Netzwerke oder Bewertungsplattformen, wo Leute zu arbeiten scheinen, die einfach niemals begreifen wollen, welche extrem schlechten Auswirkungen ihre Ignoranz auf das gesellschaftliche Miteinander, Demokratie und Wahrheitsfindung haben. Nur noch zum Kotzen!

    1. Trustpilot hat kurz nach unserer Presseanfrage eine Art Warnung „Auf diesem Profil ist ein deutlicher Anstieg der Bewertungen zu verzeichnen“ drangeheftet, mehr aber auch nicht.

  4. ich bewundere herrn laschyk für seine arbeit, bedanke mich dafür und wünsche ihm viel erfolg und alles gute! seine arbeit ist extrem wichtig und gibt mir mut und hoffnung.

  5. Trustpilot ist doch sowieso nicht (mehr?) glaubwürdig, oder wie kann dort „auf1.tv“ eine Bewertung von 3,8/5 erhalten?
    Schön unterwandert von Rechten, Trollen und Schwurblern.
    Bei „polarisierenden“ Websites gibt es dort fast ausschließlich 1er- oder 5er-Bewertungen zu sehen, komplett sinnfrei.

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