Der Verlagskonzern Axel Springer ist erneut vor Gericht mit seinem Anlauf gescheitert, Werbeblockern und Internet-Nutzer:innen das Leben schwerer zu machen. Das Landgericht Hamburg wies die Klage des Verlags gegen das Kölner Unternehmen Eyeo, Anbieter der populären Browser-Erweiterung Adblock Plus, als „unbegründet“ ab. Ein Verstoß gegen das Urheberrecht liege nicht vor, heißt es im Urteil, das wir in geschwärzter Form veröffentlichen.
Der Verlag hatte geltend gemacht, dass seine Webseiten insgesamt Computerprogramme seien und nur ihm die ausschließlichen Nutzungsrechte zustünden. Mit dem Überschreiben von CSS-Befehlen würde die Browser-Erweiterung „unberechtigte Umarbeitungen“ durchführen. Darüber hinaus handle es sich bei den Webseiten, darunter die Online-Auftritte von Bild und Welt, um „Multimediawerke“. Eine veränderte Darstellung beziehungsweise Vervielfältigung der Webseiten, wie es etwa Adblock Plus mache, sei deshalb als unberechtigt anzusehen.
Kein Eingriff in die Programmierung
Diesen Argumenten wollte das Gericht nicht folgen. Zwar verändere das Plug-in die Darstellung der Webseiten, dies sei jedoch keine „Umarbeitung“ im Sinne des Urheberrechtsgesetzes: Schließlich greife der Adblocker nicht in die Substanz der beim Seitenaufruf übermittelten Webseiten-Programmierung ein, sondern führe lediglich zu einer Modifikation der Programmausführung.
Dies stelle nach Auffassung der Kammer keine Verletzung des Urheberrechts an einem Computerprogramm dar. Auch eine Verletzung eines Multimediawerks oder eines sonstigen urheberrechtlich geschützten Werkes liege nicht vor, so dass die Klägerin keinen Urheberrechtsschutz beanspruchen könne.
Gestörtes Geschäftsmodell
Werbeanzeigen sind eine wichtige finanzielle Stütze des Online-Geschäfts vieler Verlage. Zugleich empfinden sie viele Nutzer:innen als nervig, invasiv und als potenzielles Sicherheitsrisiko. Rund ein Drittel aller deutschen Internet-Nutzer:innen setzen deshalb auf Adblocker. Damit lassen sich gängige Online-Werbeanzeigen ausblenden oder gar nicht erst laden.
Bereits 2014 hatte der Springer-Verlag den Software-Hersteller Eyeo vor Gericht gezerrt. Damals führte der Verlag vor allem wettbewerbsrechtliche Gründe an. Zum Geschäftsmodell von Eyeo gehört unter anderem, sich Ausnahmen in seinen Filterlisten bezahlen zu lassen, sogenanntes „Whitelisting“. Nach einem jahrelangen Verfahren entschied schließlich der Bundesgerichtshof, darin keinen unlauteren Wettbewerb zu sehen.
Nun droht dem Verlag eine weitere juristische Schlappe. Rechtskräftig ist das Urteil allerdings noch nicht. Über eine Berufung habe das Hanseatische Oberlandesgericht zu entscheiden, teilt die Pressestelle des Gerichts auf Anfrage mit.
Wichtiger Präzedenzfall
Der Eyeo-Chef Till Faida freut sich über diesen Etappensieg. „Das Landgericht Hamburg schafft hier einen wichtigen Präzedenzfall: Kein Unternehmen hat das Recht, Nutzer:innen zu verbieten, ihre Browsereinstellungen selbst festzulegen“, sagte Faida in einer Stellungnahme. Wäre das Gericht der Argumentation der Klage gefolgt, hätte dies weitreichende Folgen für alle Internetnutzer:innen gehabt.
So wären etwa das Nutzen von Adblockern und Anti-Tracking-Technologie, Übersetzungsanwendungen wie auch Hilfsmitteln für blinde und sehbehinderte Menschen unter den Tatbestand einer Urheberrechtsverletzung gefallen. Eine erfolgreiche Klage hätte nicht nur das Ende für ein barrierefreies und sicheres Internet bedeutet, Internet-Nutzer:innen hätten außerdem nicht mehr selbst entscheiden können, wie sie ihren Browser konfigurieren und das Internet sehen, so Eyeo.
Springer zeigt sich mal wieder Lernresistent :-(
Durch wie viele Instanzen ging das beim letzten Mal? Und immer noch nichts begriffen. Dabei ist es doch so, das das unterbinden von Werbeanzeigen (und damit das unterbinden von tracking, da es von ganz wenigen Ausnahmen abgesehen immer so ist, das Werbung mit tracking verseucht ist) nichts als digitale Selbstverteidigung ist.
Nicht das unterdrücken von Werbung ist das Problem, sondern die Werbung und das damit verbundene Ausspionieren der Nutzer. Das datenbasierte Geschäftsmodell von springer und co gehört verboten, aber nicht die Hilfsmittel, die wir Nutzer benötigen, um uns im Rahmen unserer Möglichkeiten dagegen wehren.
In diesem Kommentar https://netzpolitik.org/2021/privatleben-im-netz-sollen-wir-personalisierte-werbung-verbieten/#comment-2548912 wird auf das Beispiel NPO verwiesen. Einfach mal den Wired-Artikel lesen und sacken lassen. Geht doch auch anders.
Es gibt auch heutzutage noch reine text-basierte Browser wie „w3m“ – nach Springer-Anwälten alle illegal!(?)
Man muss froh über das Urteil sein. Die Argumentation der Springer-Anwälte war/ist so hahnebüchene wie sie gefährlich ist/war. Niemand sollte gezwungen werden die ausgelieferten Daten einer Serveranfrage auf eine bestimmte Art und Weise (oder überhaupt) darzustellen – weder Nutzer noch Programmierer, ganz gleich welcher Webbrowser verwendet wird.
Ja nur macht es ja einen Unterschied, ob das jeder einzeln auf seinem Rechner macht, oder gebündelt als Service angeboten wird. Das ist nicht unbedingt selbsterklärend, verstehe schon, aber mein real life Abgleich geht auch etwas anders:
Ich stelle mir zb vor, dass jemand (die eyeo GmbH) hinter dem Boten der kostenlosen Wochenzeitung (Springer) her läuft und immer aus den frisch abgelegten Zeitungen die Werbung klaue, entsorge. Dreist wie ich bin, ruf ich dann – die werbebroschüren hab ich ja dann da – bei den einzelnen Werbetreibenden an, erzähl denen, was ich gemacht habe und biete ihnen einen „kostenpflichtigen“ Platz auf meiner whitelist an, wenn ihre Werbung beim nächsten Mal „durchkommen“ soll.
Die eyeo bietet hier also einen kostenpflichtigen Schutz vor Schaden an, der ohne sie nicht nötig wäre. Für mich läuft das glasklar auf das Modell Schutzgeld hinaus, aber was weiß ich schon?
Rein technisch ist es ja wohl bereits so, dass jeder einzelne auf dem eigenen Rechner die „Modifikation“ vollzieht und von daher wäre die eyeo sauber. Ob man sowas als plugin vertreiben darf, halt ich auch für unstrittig: ja!
Aber darf man auch aus so einer selbst produzierten Not derart Profit schlagen? Das halte ich doch wirklich für fragwürdig. Ist es nicht eher Erpressung, auf diese Weise Geld von den Firmen zu fordern? Ich finde schon.
Ein weiteres Beispiel wäre das Verhüllen von Werbung im öffentlichen Raum, dessen „Enthüllen“ man sich dann bezahlen lässt. Ich seh da keinen Unterschied zu „du bist auf der whitelist derjenigen, die keinen aufs Maul kriegen, weil sie brav zahlen“ – jedenfalls im Prinzip!
Keine Ahnung wie der BGH auf eine abweichende Meinung gekommen ist, aber es könnte am unvollständigen RL-Abgleich gelegen haben, aber das ist natürlich nur eine Vermutung bzw dünne Erinnerung…mal sehen ob ich das urteil noch finde…
Sorry, aber hier geht es um was anderes. Du redest hier nur über das „Geschäftsmodell“. Das Geschäftsmodell von Adblock-Plus wurde aber schon 2018 für legal erklärt (im Text oben ist ein Artikel zur Entscheidung verlinkt https://netzpolitik.org/2018/bundesgerichtshof-adblocker-und-whitelisting-bleiben-legal/). Darüber muss man also nicht weiter diskutieren.
Hier ging es nun darum, dass Axel-Springer seine Webseite als „Gesamtkunstwerk“ vor jeglichen Veränderungen schützen lassen wollte – und diese absurde Argumentation hätte am Ende auch alle möglichen anderen Anbieter von Software getroffen, die die Webseite nicht „wie vorgesehen“ darstellen, entweder weil Teile (z.B. Bilder) nicht geladen werden, oder weil andere Dinge hinzugefügt werden. Das Gericht hat zum Glück richtig entschieden.
Ja, der Versuch, das über das Urheberrecht zu versuchen, war wohl von Anfang an zum scheitern verurteilt. Danke für den link, werde ich mir mal ansehen.
Der „Service“ wird gegenüber den Nutzern des Adblockers erbracht. Niemand wird gezwungen sich diesen zu installieren. Es gibt auch alternative Werbeblocker die wirklich alles blockieren und bei denen sich niemand „freikaufen“ kann. Pech gehabt, wenn die Werbepratiken der Verlage immer mehr Menschen dazu getrieben haben sowas zu installieren. Oft war der eigentliche Seiteinhalt ja nur 10-20% der übertragenen Datenpakete. Der Rest wurde verwendet um ein Werbebanner über die gesamte Seite einzublenden, ein Auto ins Bild fahren zu lassen und bei voller Lautstärke mit quietschenden Reifen stehen zu lassen – gefolgt von irgendeinem dämlichen Werbeslogan. Und die Seitenbesucherin musste erst noch suchen in welcher Ecke des Werbebanners das Kreuz ist mit dem man den Mist schließen kann.
Geradeausgucken ist halt nicht, bei den Hüpfern vom Axel.
Hätten die mal keinen Einlauf ins Kanzleramt gelegt bekommen, könnte man jetzt über eine Reform des Urheberrechts sprechen.
Die Deppen von Springer haben also die ausschließlichen Nutzungsrechte ihrer Webseiten.
Man sind die blöd, dann sollen sie doch ihre Webseiten nicht ins Netz stellen, wenn sie keiner benutzen darf; vor allem nicht mit Quellcode.
Bestimmt haben die auch noch nicht gepeilt, dass man im Browser, ja auch Schriftfarbe, Schriftgröße, Schriftart, Linkfarbe und Hintergrundfarbe so einer Webseite aufdrücken kann. Jedenfalls geht das in einem richtigen Browser.
Springer hat sicher bessere Anwälte als Journalisten; und Geld haben die sowieso. Da kann man es doch auch mal mit skurillen Argumenten versuchen. Ich bin froh, dass die Sache mal vor Gericht geklärt wurde. So hat man ein Urteil auf das man sich in Zukunft stützen kann.
Stimmt schon, der BGH zieht sich darauf zurück, dass „Bild“ ja anti-anti-software einsetzen könnte und das sollten sie dann wohl auch machen. Das redet mir das Geschäftsmodell von eyeo, die eben doch etwas mehr „bewirken“ mit ihrem Service, als nur dem Nutzer zu dienen (vgl „Geld verdienen mit whitelist“) , zwar auch nicht schöner, aber es macht am Ende auch kein großen Unterschied.
Höchstens für die paar werbetreibenden, die sich die whitelost nicht leisten können…aber was weiß ich schon?
Beachtet, dass der Axel-Springer Verlag und der Springer Verlag zwei unabhängige Verlage sind.
Axel-Springer hat geklagt, nicht Springer.