StaatstrojanerBritische Regierung im Visier von Pegasus

Offenbar war der skandalträchtige Staatstrojaner sogar gegen die britische Regierung im Einsatz. Hinweise darauf fand das kanadische Forscher:innenteam Citizen Lab. In Brüssel nahm unterdessen ein EU-Untersuchungsausschuss zu Pegasus seine Arbeit auf.

Boris Johnson
Seine Regierung im Visier: Der britische Premier Boris Johnson – CC0 President Of Ukraine

Das gezielte Ausspähen von Journalist:innen und Oppositionellen in Europa mit dem Staatstrojaner Pegasus sorgt seit Monaten für Schlagzeilen. Dabei dürfte eine weitere Regierung ins Visier des Trojaners geraten sein: Das Forscher:innenteam Citizen Lab hat nach eigenen Angaben das Büro des britischen Premierministers Boris Johnson als auch das britische Außenministerium informiert, dass in deren Computersystemen 2020 und 2021 Hinweise auf eine Infektion mit Pegasus gefunden worden seien. Citizen Lab vermutet, dass diese im Fall von Johnsons Büro von den Vereinigten Arabischen Emiraten ausging, berichtet der Sender BBC.

Zeitgleich enthüllte die Organisation, dass mindestens 65 Personen aus der autonomen Region Katalonien in Spanien Ziel von Spionagesoftware waren. Bei 51 fand Citizen Lab ausreichende Hinweise auf eine Infektion, darunter waren auch Europaparlamentarier:innen. Laut dem Forscher:innenteam kam dabei nicht nur mutmaßlich Pegasus zum Einsatz, sondern auch der Staatstrojaner Candiru. Die Organisation Assemblea Nacional Catalana, die die katalanische Unabhängigkeit von Spanien anstrebt, nennt die Enthüllungen einen „sehr besorgniserregenden Präzedenzfall von Repressionen eines EU-Mitglieds gegen politische Opposition“. Bereits 2020 hatte es Hinweise gegeben, dass die Software bei katalanischen Oppositionellen zum Einsatz kommt.

Der israelische Pegasus-Hersteller NSO Group bestreitet die Anschuldigungen und wirft Citizen Lab politische Motivation vor. Dennoch belegen journalistische Recherchen, dass offenbar gezielt Menschenrechtsaktivist:innen, Journalist:innen und Oppositionelle in Polen und Ungarn mit dem Trojaner ausspioniert wurden. In Frankreich wurden bei Regierungsmitgliedern Hinweise auf Pegasus gefunden, ähnliche Indizien gab es auch zu Geräten von EU-Justizkommissar Didier Reynders und EU-Beamten.

EU-Parlament untersucht Einsatz von Pegasus

Heute nimmt der Untersuchungsausschuss des EU-Parlaments zum Pegasus-Skandal seine Arbeit auf. Er soll feststellen, in welchem Ausmaß mit dem Einsatz von Pegasus gegen europäisches Recht verstoßen wurde. Die linke Europaabgeordnete Cornelia Ernst forderte im Vorfeld, das Parlament müsse jetzt die treibende Kraft für ein Verbot sein, sowie für harte Konsequenzen für die Mitgliedstaaten, die die Software unrechtmäßig eingesetzt haben. Die Grünen im Europaparlament forderten einen sofortigen Stopp des Einsatzes der Spionagesoftware.

Die Infizierung mit der Spionagesoftware erfolgt, indem Sicherheitsschwachstellen des jeweiligen Betriebssystems ausgenutzt werden. Dafür ist teilweise nicht einmal mehr das Anklicken einer Nachricht oder Ähnlichem notwendig. Die sogenannte Zero-Click Attacke ermöglicht das direkte Infiltrieren ohne vorherige Interaktion. Anschließend lassen sich sämtliche Aktivitäten der angegriffenen Person überwachen, selbst verschlüsselte Kommunikation. Datenschützer:innen werten solche Spionagesoftware als massiven Verstoß gegen Bürger- und Menschenrechte.

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