Nach den ersten finanziellen Sanktionen gegen Russland, planen nun die Europäische Union und die Vereinigten Staaten, wie sie den russischen Markt von Kryptowährungen kontrollieren können. Sie möchten damit verhindern, dass Russland mithilfe von digitalen Währungen auf alternative Zahlungsmittel ausweicht und sich so den verhängten Wirtschaftssanktionen entzieht. Die EU und die USA fordern deswegen einflussreiche Kryptobörsen auf, die Accounts von gelisteten Personen und Organisationen zu sperren. Ukraine geht einen Schritt weiter und bittet, alle russischen Accounts mit Krypto-Guthaben einzufrieren – auch die von normalen Bürger*innen.
Kryptowährungen sind digitale Währungen, die auf der verschlüsselten und dezentralen Blockchain-Technologie basieren. Diese Technologie verspricht, dass Nutzer*innen sicher Transaktionen durchführen können, ohne dabei von Regierungen, Geld- oder Finanzinstituten abhängig zu sein. Wer Kryptowährungen versenden oder in staatliche Währung eintauschen möchte, wendet sich nicht an die Bank, sondern an eine Kryptobörse. Damit verlieren Banken ihre Kontrolle über die Transaktionen und auch Staaten können nur schwer in die Geschäfte eingreifen. Sie können das nur an den Kryptobörsen, an denen die Nutzer*innen Kryptowährungen in übliche Landeswährungen umtauschen.
Kryptowährungen boomen in Russland
Seit dem russischen Angriff auf Ukraine* investieren immer mehr Menschen aus Russland in Kryptowährungen. Die Forschungsgruppe Chainalysis beobachtet einen Trend von steigenden Transaktionen zwischen dem russischen Rubel und Krypto-Vermögenswerten. Auch Ukraine hat zunächst einen solchen Zuwachs verzeichnet – die Transaktionen zwischen der ukrainischen Währung Griwna und Kryptowährungen fallen aber schon wieder.
Der rasant ansteigende Handel mit Kryptowährungen in Russland mag auch der Grund für die ebenfalls ansteigende Preise von Bitcoin sein. Bitcoin ist die älteste und bedeutendste Kryptowährung. Sein Preis ist in den vergangenen sieben Tagen um circa 20 Prozent gestiegen, wie Coinbase, eine Handelsplattform für Kryptowährungen, zeigt.
Insbesondere Russlands Oligarchen sichern nun ihr Vermögen in Bitcoins. Das Fachmagazin BTC Echo berichtet, dass mit den Sanktionen gegen Russland die Zahl der Bitcoin-Adressen mit einem Guthaben von über 1.000 Bitcoins angestiegen ist. Der Wert von 1.000 Bitcoins beträgt derzeit über 41 Millionen US-Dollar.
EU und USA wollen Kryptomarkt regulieren
Europa und die Vereinigten Staaten haben verkündet, Maßnahmen zu ergreifen, um den russischen Markt von Kryptowährungen zu regulieren. Der französische Finanzminister Bruno Le Maire sagt laut dpa-Bericht nach einem Sondertreffen der EU-Finanz- und Wirtschaftsminister*innen, dass Kryptowährungen nicht dafür verwendet werden dürfen, um Finanzsanktionen der EU zu umgehen.
Bundesfinanzminister Christian Lindner stellt ebenfalls klar, dass sanktionierte Personen und Institutionen nicht auf unregulierte Kryptowerte ausweichen dürfen. Er meint: „Wir werden den Druck verstärken, sollte die russische Führung nicht einlenken“.
Auch die USA planen mögliche Sanktionen gegen den russischen Kryptowährungsmarkt nach. Das US-Finanzministerium hat bereits große Kryptobörsen dazu aufgefordert, gelistete Organisationen und Einzelpersonen zu sperren. Einflussreiche Kryptobörsen kommen dieser Aufforderung nach und blockieren die entsprechenden Konten und Transaktionen.
Auf der schwarzen Liste von der USA und der EU stehen neben dem Präsidenten Vladimir Putin hochrangige Schlüsselpersonen des russischen Militärs und Verteidigungssektors, Oligarchen mit enger Verbindung zu Putin, Unternehmen, die militärische Ausrüstung produzieren und verschiedene Banken.
Ukraine fordert eine umfassende Sperrung
Dem ukrainischen Vize-Premierminister Mykhailo Fedorov geht die gezielte Sperrung gelisteter Menschen nicht weit genug. Er fordert vielmehr, dass Kryptobörsen alle Adressen von russischen Nutzer*innen sperren sollen. Fedorov twittert: „Es ist von entscheidender Bedeutung, nicht nur die Adressen einzufrieren, die mit russischen und belarussischen Politikern in Verbindung stehen, sondern auch normale Nutzer zu sabotieren“.
Die großen Kryptobörsen, etwa Binance, Kraken und Coinbase, weisen Fedorovs Bitte allerdings zurück. Schließlich widerspreche es ihrem Grundsatz, dass Transaktionen auch ohne die Kontrolle von Regierungen oder Banken möglich sein sollen. Sie werden deswegen nicht pauschal Kryptowährungen von ganzen Gruppen einfrieren. Der Binance-Gründer Changpeng Zhao meint, dass es nicht die Aufgabe von Kryptobörsen sei, die russischen Nutzer*innen zu blockieren. Er sagt gegenüber der Radio-Nachrichtensendung von BBC: „Wir unterscheiden zwischen den russischen Politikern, die Kriege beginnen, und den normalen Menschen.“
Auch die Kryptobörse Kraken mit Sitz in San Francisco sperrt nur so viele Konten, wie die gesetzlichen Anordnungen vorgeben. Krakens Geschäftsführer Jesse Powell reagierte auf Twitter direkt auf den Tweet von Fedorov. Powell meint, er könne die Gründe des ukrainischen Vize-Premierministers verstehen, seine Kryptobörse habe allerdings den Auftrag, sich auf die Bedürfnisse des Einzelnen zu konzentrieren und nicht auf die einer Regierung oder politischen Gruppe. Powell sorgt sich auch darum, dass eine solche pauschale Sperrung den Konflikt zuspitzen und Russland als Gegenreaktion US-Konten einfrieren könnte.
Kleinere Unternehmen, wie die Wiener Plattform Bitpanda oder das ukraine-stämmige Startup DMarket, kommen der Bitte des ukrainischen Vize-Premierministers nach und verbieten vorläufig russischen Nutzer*innen auf ihre Accounts zuzugreifen.
Mehr Schlupflöcher als Bitcoin
Die westlichen Staaten kappen Russland von großen Geldströmen. Die Europäische Union hat das Vermögen der russischen Zentralbank CBR in der EU eingefroren. Außerdem droht die EU gemeinsam mit Großbritannien, Kanada und den Vereinigten Staaten damit, bestimmte russische Banken aus dem Swift-Abkommen auszuschließen. Die EU hat kürzlich beschlossen, vorerst sieben russische Banken aus dem Abkommen zu werfen. Swift ist ein internationales Zahlungssystem, das Banken nutzen, um Geschäfte über Grenzen hinweg zu tätigen. Russische Banken können nach einem Swift-Ausschluss kein Geld mehr über die russische Grenze hinweg empfangen oder senden.
Kryptowährungen hingegen können durch ihr dezentrales und unabhängiges Finanzsystem weiterhin solche Transaktionen auszuführen. Sie sind allerdings nicht die einzige Ausflucht, um Wirtschaftssanktionen zu umgehen. Finanzexperten verweisen etwa auf Bargeld und Rohstoffe wie Gold, die Russ*innen als Zahlungsmittel verwenden können. Außerdem bieten sich Russland gleich zwei Alternativen zu Swift: Erstens kann es das chinesische Zahlungsnetzwerk CIPS nutzen und zweitens, verfügt Russland über sein eigenes Netzwerk (SPFS), an das bereits über 400 russische Institutionen angeschlossen sind.
Russland hat somit neben Kryptowährungen noch andere Möglichkeiten, um sich den Sanktionen der westlichen Staaten zu entziehen. Doch selbst wenn sich Russland dafür entscheidet mehr in Kryptowährungen zu investieren oder es gar als offizielles Zahlungsmittel akzeptiert, würde es mehrere Monate dauern bis die nötige Infrastruktur aufgebaut ist. Das zeigt etwa der Fall El Salvador. Dort ist der Bitcoin zwar als Landeswährung akzeptiert, die Infrastruktur ist aber noch so unvollständig, dass es häufig zu Problemen bei Transaktionen kommt.
EU-Abgeordnete möchten anonyme Zahlungen verbieten
Transaktionen mit Kryptowährungen sind schon länger in das Visier der EU gerückt. Die EU möchte in erster Linie ein Prüfverfahren für Kryptobörsen einleiten, um Geldwäsche und kriminelle Aktivitäten zu unterbinden. Schon im vergangen Juli hat die Europäische Kommission einen Vorschlag präsentiert, der Krypto-Anbieter dazu anhält ihre Kund*innen zu identifizieren. Anonyme Transaktionen sollen dann nur noch bis zu einem Wert von 1.000 Euro möglich sein. Seit Anfang Februar liegt ein erster Entwurf des Europäischen Parlamentes vor. Noch ist das Gesetz nicht vom Tisch. Die Sperrung von russischen Krypto-Accounts könnte auch die Diskussion über das geplante Gesetz beflügeln.
* In diesem Beitrag wird der Begriff „Ukraine“ bewusst ohne Artikel genutzt, da sich Ukrainer:innen dafür aussprechen, das Land nicht mehr als Region zu bezeichnen.
Weiterführende Links: Wikipedia-Eintrag und BBC-Artikel
Update: Coinbase hat am 7. März 2022 auf ihrem Blog veröffentlicht, über 25.000 russische Krypto-Adressen blockiert zu haben. Coinbase verdächtigt die Personen und Unternehmen hinter den Adressen, in illegale Aktivitäten verwickelt zu sind. Coinbase verdeutlicht, die Adressen schon identifiziert zu haben, bevor Russland in die Ukraine einmarschiert ist.
Im Prinzip ist die totale Isolation (immer unter Beibehaltung von Hilfslieferungen und Notschnittstellen) der richtige Ansatz für solche Kriegshandlungen, wenn man sie nicht vom Orbit aus weglasern, oder anderweitig ziemlich direkt stoppen kann.
Isolation allein wird nicht reichen, denn ähnlich wie beim gottgegebenem Urheberrecht, wird man verlangen, dass solches Verhalten in Zukunft wirksam verhindert wird.
Ich Las am Ende des Artikel, dass „Ukraine“ bewusst ohne Artikel genutzt wurde, weil sich Ukrainer:innen dafür aussprechen, das Land nicht mehr als Region zu bezeichnen. Dazu sind zwei links angegeben, die aber auf die deutsche Artikelnutzung nicht anwenbar sind. Hat jemand deutsche Verweise, gibt es diese Forderung für deutsch überhaupt?
Wie will man das denn nachvollziehen, wer da Russe ist, und wer nicht, und ob dieser Russe überhaupt in Russland lebt? – Gibt es im Rest der Welt keine Menschen mit russischen Pass z.b. in den USA wohnen? – Und: Sind die Leute, die so viele Coins haben, nicht die, mit den Skills, so Börsen nicht zu benötigen?