Dokumente aus einem Gerichtsverfahren in den USA zeigen eine heimliche Kooperation zwischen Google und Facebook auf dem Online-Werbemarkt. Die beiden Unternehmen sollen verabredet haben, gemeinsam einen „Burggraben“ gegen die Konkurrenz zu bauen, heißt es in einer kürzlich ungekürzt veröffentlichten Beschwerdeschrift, die die Generalstaatsanwälte mehrere US-Bundesstaaten vor einem Gericht in New York einbrachten. Bisher waren die Dokumente nur mit weitgehenden Schwärzungen einsehbar.
Google und Facebook gelten seit langem als dominante Akteure auf dem Online-Werbemarkt. Google verkauft selbst Werbung in seinen Suchergebnissen und auf seiner Videoplattform Youtube, betreibt aber auch Marktplätze, in denen Werbekund:innen in Echtzeit Flächen auf den Seiten oder in den Apps Dritter ersteigern können. Auch Facebook betreibt ein Werbenetzwerk, über das Dritte Flächen kaufen und verkaufen können. Die beiden Konzerne hätten unter anderem marktrelevante Informationen ausgetauscht und abgesprochen, bei welchen Verkäufen Facebook mitschneiden könne, werfen die Generalstaatsanwälte den Konzernen vor.
Die Klage der Generalstaatsanwälte fußt auf einer Vielzahl interner Dokumente, aus denen in der Klageschrift – teils in Form von Screenshots – zitiert wird. Die von Google verwendete Burggraben-Metapher dürfte ursprünglich vom Management-Professor Scott Galloway stammen. Dieser prägte den Begriff in seinem Buch „The Four“ als Ausdruck für wettbewerbsfeindliche Taktiken der vier großen Digitalkonzerne – neben Google zählte Galloway dazu Amazon, Apple und Facebook.
Heimliche Kooperation und ein Nichtangriffspakt
Heimliche Zusammenarbeit der Konzerne gab es der Klageschrift zufolge etwa beim Thema „Header Bidding“. Dahinter verbirgt sich der Versuch von Online-Publishern in den 2010er Jahren, ihre Werbeflächen über mehrere Werbemarktplätze zugleich zum Verkauf anzubieten. Dadurch konnten Nachrichtenverlagen ihre Anzeigenflächen auch jenseits der Netzwerke von Google und Facebook an den oder die Höchstbieter verkaufen – sie hätten dadurch einen Weg aus der Abhängigkeit von den Duopolisten finden können. Google habe Header Bidding in internen E-Mails als „existentielle Bedrohung“ bezeichnet und ein Programm namens „Jedi“ ins Leben gerufen, um seine Geschäftspartner daran zu hindern. Der Name bezieht sich auf einen „Jedi-Gedankentrick“, den Google den Publishern spielen wollte.
Gemeinsam mit Facebook habe der Konzern es dann geschafft, Publishern die Verwendung von Header Bidding auszutreiben, heißt es in der Klageschrift. In der heimlichen Absprache mit Facebook hatten die Konzerne offenbar genaue Quoten festgelegt, wie oft Facebook Auktionen gewinnen würde. Google-intern wurde der Name des Programms auf „Jedi Blue“ erweitert. Die Unternehmen legten hierbei auch fest, was der blaue Plattformkonzern bei den Versteigerungen auf Googles Marktplatz mindestens bieten würde, um das Preisniveau nach oben zu treiben.
Die Klageschrift legt also nahe, dass Marktführer Google lieber gemeinsame Sache mit dem größten Konkurrenten machte, als einen offenen Wettbewerb auf dem Online-Werbemarkt zuzulassen. Der Natur dieser Marktmanipulation entsprechend ist auch eine umfassende gegenseitige Verschwiegenheitserklärung Teil der Verabredung. In einer Art Nichtangriffspakt verabredeten die beiden Unternehmen laut internen Dokumenten auch, sich über jegliche Regierungsanfragen zu Wettbewerbs- und Datenschutzfragen zu informieren und sich bei Stellungnahmen gegenüber öffentlichen Stellen abzusprechen.
Die Kooperation der beiden Duopolisten beinhaltet auch Maßnahmen, die die Generalstaatsanwälte als direkten Angriff auf den Wettbewerber Apple verstehen, der sich seit Jahren durch Privacy-Versprechen von der Konkurrenz abzuheben versucht. So habe Google Facebook dabei geholfen, Internetnutzer:innen zu identifizieren, die aufgrund der Datenschutzeinstellungen von Apple-Geräten und Apples Safari-Browser schwer zu erkennen gewesen seien. Unter anderem arbeiten die Unternehmen beim Cookie-Matching zusammen, bei dem Nutzer:innen durch den Abgleich von Cookie-IDs wiedererkannt werden. Dass Facebook Internetnutzer:innen besser identifizieren konnte, half dem Konzern wiederum dabei, mehr Auktionen auf Googles Marktplatz zu gewinnen.
Google kassiert bis zu 42 Prozent der Werbeausgaben
Dass Google zugleich als Vermittler und Verkäufer von Werbung auftritt, vergleicht die Forscherin Dina Srinivasan mit Insiderhandel an der Börse. Denn Google bevorzuge seine eigenen Dienste – und offenbar auch die von Facebook – gegenüber jenen Dritter.
Ein ähnliches Bild findet sich auch in den nun vollständig öffentlichen Gerichtsdokumenten wieder. Darin wird ein hochrangiger Google-Mitarbeiter zitiert, der die Situation auf dem Online-Werbemarkt damit vergleicht, dass die Großbanken Goldman oder Citibank gleichzeitig die weltweit größte Wertpapierbörse, die New York Stock Exchange, betreiben würden.
In den Dokumenten heißt es außerdem, dass Google übertriebene Preise von seinen Geschäftskunden in der Online-Werbung verlange. Zwischen 22 und 42 Prozent der Werbeausgaben kassiere Google für seine Vermittlungstätigkeit – dabei handle es sich um eine „Monopolsteuer“ des Konzerns, die auf Kosten von Werbeflächenverkäufern wie Nachrichtenseiten und Blogs gehe. Die Werbekunden würden diese letztendlich in Form von höheren Preisen an die Konsument:innen weitergeben.
Marktverzerrung mit dem Suchmonopol
Die Klageschrift führt aus, wie Google seine dominante Rolle als Infrastrukturbetreiber des World Wide Web nutzt, um sich Vorteile im Online-Werbegeschäft zu verschaffen. So setze das Unternehmen unter anderem seinen Browser Chrome ein, um mehr Daten über das Online-Verhalten von Nutzer:innen zu sammeln und sie besser identifizieren können. Zu diesem Zweck habe Google die Login-Möglichkeit bei dem in Deutschland und den USA meistgenutzten Browser geschaffen und dann Maßnahmen ergriffen, um möglichst viele Nutzer:innen zu einem Login zu manipulieren. So sei Google bewusst dazu übergegangen, Chrome-Nutzer:innen, die sich bei Youtube einloggen, ungefragt auch beim Browser anzumelden.
Mit diesem Informationsvorsprung wiederum wolle Google sich einen Wettbewerbsvorteil gegenüber anderen Werbefirmen verschaffen. So deuten die Generalstaatsanwälte auch Googles Ankündigung, Tracking mit Cookies abzuschaffen, nicht als Maßnahme zum Schutz der Privatsphäre. Sie diene vielmehr dem Zweck, die Konkurrenz auf dem Werbemarkt zu schwächen. Der Konzern würde mit seiner „Privacy Sandbox“ ein Monopol auf die Daten der Chrome-Nutzer:innen erhalten, die für Targeted Advertising notwendig sind.
Auch der von Google ins Leben gerufene Standard für schnell-ladende Mobilwebsites, AMP, sei in erster Linie dafür da, Googles dominante Position auf dem Werbemarkt zu zementieren. Der Klageschrift zufolge habe Google Accelerated Mobile Pages bewusst so gestaltet, dass der Standard inkompatibel mit dem oben genannten Header Bidding sei, das Verlage aus ihrer Abhängigkeit von Google hätte herausführen können.
Dann habe Google seine Dominanz auf dem Suchmaschinenmarkt genutzt, um die Verlage zur Nutzung von AMP zu zwingen. Das hierbei genutzte Versprechen, mobile Seiten würden mit AMP schneller laden, habe man auch dadurch erreicht, dass Werbeanzeigen ohne AMP standardmäßig langsamer ausgespielt worden wären und so die Ladezeit der Websites verlängert hätten. Die künstliche Drosselung habe eine Sekunde betragen, in Web-Maßstäben eine halbe Ewigkeit. Dies sei ein „netter Wettbewerbsvorteil“, zitiert die Klageschrift Google-Interna.
Ärger auch in Europa
Sowohl Google als auch Facebook streiten die Vorwürfe öffentlich ab. Beide Unternehmen weisen darauf hin, dass es sich um Anschuldigen handelt und das Gerichtsverfahren noch nicht entschieden ist. Sollte sich jedoch nur ein Bruchteil der Vorwürfe als wahr erweisen, dürfte es insbesondere für Google ungemütlich werden.
Während Facebook seit Jahren von einem Skandal zum nächsten taumelt, konnte Google sein öffentliches Ansehen halbwegs wahren. Insbesondere Medienverlage, deren Ansprüche auf den Online-Werbekuchen Google seit Jahren mit Geld zu befrieden versucht, dürften ganz genau darauf schauen, wie der Plattformkonzern seine Marktmacht gegen sie ausgespielt hat.
Doch nicht nur in den USA, auch in Europa laufen Wettbewerbsverfahren gegen Google wegen seiner Dominanz am Werbemarkt. Erst im Juni kündigte die EU-Kommission ein Verfahren gegen Google wegen „mutmaßlich wettbewerbswidrigen Verhaltensweisen“ auf Online-Werbemärkten an. Damit könnte Google dem fairen Wettbewerb geschadet haben. Presseverlage werfen Google seit langem vor, ihnen durch seine marktdominante Rolle Einnahmen genommen und damit dem Erfolg journalistischer Medien geschadet zu haben.
Diese „Anbieter“ bieten die Definition von Marktverzerrung auf allen Ebenen, inklusive letztlich induzierter Gesetzgebung.
Lohnt sich die Diskussion, was zuerst weg muss? Mit mindestens Gelegenheitspsychopathen besetzte Etagen in der Finanzindustrie, die Ölindustrie mit ihren jahrzehntealten Mitwissern im Business von Waffen und Regierung, …
Schön, jetzt haben sie den Absprung ins unzerstörbare Kapital geschafft. Oder noch nicht ganz? Gibt es ein Szenario, besser als zwei Atomknöpfe?
Unabhängig davon, das der klassische Kommentar hier lautet: „Wie kann das passieren, das Monopolisten den Markt durch Absprachen verzerren?“ – finde ich es gut, das langsam ein Umdenken stattfindet.
„die beiden Datenkonzerne“
Vor kurzem wäre noch geschrieben worden, die beiden Technologiekonzerne, oder das soziale Netzwerk und die Suchmaschine.
Es sind beides Werbeagenturen, die nebenbei zum Datensammeln Dienste anbieten.
Naja, Agenturen klingt aber ein wenig despektierlich für die Größe und für die Branche, die sie bedienen.
(Ich bin verwirrt, was soll das „p“, ist das ein geheimes Zeichen? :)
„p“ ohne Leerzeichen angehängt heißt „1 Pimmel“.
*bwahaha*
Ich bin nicht wirklich überrascht, das so was Passieren mußte. Aber die Ausmaße sind Erschreckend und ein Anzeichen für Maßlosigkeit und den Verlust jeder Menschlichen Verhältnismäßigkeit.
Sollte man sie am Ende zerschlagen? In… WAS?
Google und Alphabet hat ja offensichtlich nicht diesem Zweck gedient.
Und wie zerschlägt man ein Globales (A)Soziales Netzwerk?
Ein Umbau zu rein-länderbezogenen Betrieben die nur Nutzerinteraktionen Global koordinieren geht zu sehr in Richtung Nationalismus und sendet eindeutig das Falsche Signal.
Mich erschreckt eher, dass es offensichtlich ausreichend war eine neue Branche („irgendwas-mit-Internet“) zu erfinden, und die Konzerne genau die gleichen Dinger abziehen konnten, wie die Tabak-, Öl- und sonstigen Konzerne in direkter Linie zurück bis zur Ost-Indischen Handelskompanie (die sogar ihr eigenes Militär hatten).
Diese Handlungsweisen sind dokumentiert, die erforderlichen sozialen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen sind inzwischen sogar erforscht und publiziert worden. Trotzdem, neue Branche, neues Glück…
Dummheit ist halt eine nachwachsende Resource und Goldgräberstimmung ruft in Wirtschaft und Politik halt immer die gleichen Typen Menschen auf den Plan.
Um Ihrer letzten Frage einen unreinen Vorschlag entgegenzusetzen: Konkurrenz erzwingen oder verstaatlichen (aka. regulieren). Mit echter Konkurrenz meine ich 100+ etwa gleich große Marktteilnehmer, da beginnt dann Marktwirtschaft zu funktionieren. Mögliche Vorgehensweisen: Zwang zur Offenlegung der Schnittstellen und Zwang Teilnehmer zuzulassen. (Siehe der Herr, der von Facebook ausgesperrt worden ist, wg. seiner Unfollow-everyone-App.) Separation der Geschäftsbereiche: Werbung und Werbeplattform. Ein Unternehmen kann dann nicht beides anbieten. Genauso bei Amazon: Verkaufsplattform oder Produkte, aber nicht beides.
Die Zerschlagung, z.B. von Facebook, wäre ja, dass natürlich alle Facebooks noch dasselbe Netzwerk nutzen dürften, aber nicht mehr so einfach Geschäftsdaten austauschen dürfen. Ein globales Werbenetzwerk wäre passé und so müssen einzelne regionale Deals gemacht werden und es wären nur regionale Zahlen bekannt. Das würde den Werbetreibenden auch wieder mehr Macht geben, da ihnen die regionalen Werbezahlen zugänglich(er) wären und nur sie über (ihre eigene) globale Gesamtübersicht verfügen würden und nicht Facebook. Es geht dabei natürlich insofern um Nationalismus, als dass Nationen nunmal die Ebene der effektiven Gesetzgebung sind. Hier werden Steuern gezahlt und Strafen verhängt und das ist alles, was ein Unternehmen interessiert.
Naja, Alphabet ist daraus erwachsen. Sollen wir das gleiche wieder passieren lassen?
Ein bischen Folter hier, ein bischen Krieg dort, alles zur rechten Zeit, und wenn etwas nicht beanstandbares daraus erwächst, dann sei es nur gerecht?
Schau dir mal „Protocols, Not Platforms“ an: https://knightcolumbia.org/content/protocols-not-platforms-a-technological-approach-to-free-speech. Es zeigt eine konstruktive Alternative zur Plattformhegemonie auf. Das Paper ist theoretisch gehalten. Praktisch muss noch was hingestellt werden. Ein paar schlaue Köpfe von Twitter sind am Werkeln: https://www.techdirt.com/blog/?company=bluesky. Es ist interessant zu verfolgen, es bleibt aber auch noch die Frage hängen, ob sie etwas abliefern werden und inwiefern das Protokoll auch wirklich interoperabel sein und nicht etwa von Twitter im Standardisierungskommitee beherrscht wird.
> Ein Umbau zu rein-länderbezogenen Betrieben die nur Nutzerinteraktionen Global koordinieren geht zu sehr in Richtung Nationalismus
Vergiss Länder, das ist im Internet egal (es wird immer wieder der fightenswerte Versuch unternommen, Grenzen im Internet zu ziehen). Der Server, der deine Nachrichten sendet und für dich empfängt, muss aber von jemand betrieben werden. Im idealen protokollisierten und deplattformisierten Internet hast du auf deine Daten stets eigenen Zugriff und volle Kontrolle, was damit im Netzwerk geschieht. Damit kannst du von Server zu Server ziehen, dir einen aussuchen, der von jemand Vertrauenswürdigem betrieben wird. Das könnte ein Verein deiner Wahl sein oder ein profitgetriebenes Höllenloch oder du selbst.
Element (Matrix) hat schon mal angefangen, Interoperabilität zu realisieren: https://www.theregister.com/2021/10/26/element_one/
Das ist auch nach meinem Dafürhalten der einzige Weg, die Monopole zu durchbrechen: Durchlässigkeit. Was bei E-Mail heute selbstverständlich ist, brauchen wir auch für Messenger und asoziale Plattformen: Ich kann von jedem E-Mail-Provider aus Nachrichten an Konten bei jedem anderen schicken.
Doppelte Zwischenüberschrift „Google kassiert bis zu 42 Prozent der Werbeausgaben“.
Uhps, peinlich. Danke für den Hinweis! Wir haben das korrigiert.
„Die von Google verwendete Burggraben-Metapher dürfte ursprünglich vom Management-Professor Scott Galloway stammen. Dieser prägte den Begriff in seinem Buch „The Four“ als Ausdruck für wettbewerbsfeindliche Taktiken der vier großen Digitalkonzerne – neben Google zählte Galloway dazu Amazon, Apple und Facebook. “
Das ist falsch, weder Google noch Galloway haben diesen Begriff erfunden, sie nutzen ihn nur. Der Begriff „moat“ (Burggraben) ist in US Investmentkreisen als „economic moat“ ein sehr weit verbreiteter Begriff um zu beschreiben, dass ein Unternehmen nicht so leicht durch Konkurrenten im Wettbewerb eingeholt werden kann (warum genau auch immer, normalerweise sind damit natürlich legale Praktiken wie Patente oder economies of scale gemeint). Angeblich ist der Begriff durch Warren Buffett verbreitet worden, vom dem man sagt, dass er in Unternehmen investiert, die so ein moat haben.
Fair point, ich kannte den Begriff bislang nur von Galloway.
Ich denke, dass das große Problem auch darin besteht, dass auf Google keine Konkurrenzprodukte zum Tragen kommen kommen, sondern nur die internen Dienste wie Google Jobs, Google Shopping sowie die Ads Anzeigen. Und da liegt das große Problem, dass andere unliebsame Produkte weggedrängt werden, da es das große Hausrecht von Google ist, was auf die Plattform kommt. Und da kommt das große Problem auf. Dabei sind die eigenen Technologien noch nicht mal ausgereift. Google+ verschwand wieder in der Versenkung. Google Lens, was ich hier unter https://www.khoa-nguyen.de/glossar/google-lens/ mal ausgestestet habe, ist zwar nice, ist aber datenschutzrechtlich sehr bedenklich, wenn man das mal milde behaupten kann.