In spätestens zwei Jahren müssen alle Personen, die in die Europäische Union einreisen wollen, vor Antritt der Reise Angaben zu deren Zweck, Dauer und ungefähren Verlauf machen. Dieses „Reiseinformations- und Reisegenehmigungs-System“ wird durch ein „Ein-/Ausreisesystem“ ergänzt, das den tatsächlichen Grenzübertritt dokumentiert. Dabei müssen die Reisenden ihre biometrischen Daten hinterlegen. Für die Risikoanalyse fragen die Systeme einschlägige EU-Datenbanken ab, ein Algorithmus sucht nach Auffälligkeiten in den Datensätzen.
Gestern hat die EU-Kommission mit dem „Import Control System 2“ (ICS2) ein ähnliches Vorab-System auch für den Zoll eingeführt. Zukünftig müssen alle Waren, die in das EU-Zollgebiet eingeführt werden sollen, in einem Frachtinformationssystem angegeben werden. Es soll der „Sicherheit und Gefahrenabwehr“ dienen und die Zollbehörden dabei unterstützen, „an der geeignetsten Stelle in der Lieferkette einzugreifen“. Waren, deren Sender:innen oder Empfänger:innen zuvor auffällig wurden, können dann beispielsweise tiefer kontrolliert werden.
„Mindestdatensatz elektronischer Vorabdaten“
Die elektronische Warenvoranmeldung ist Teil eines „integrierten EU-Ansatzes zur Stärkung des Zollrisikomanagements“. Gemäß dem Unionszollkodex unterliegen alle Waren, die ins EU-Zollgebiet eingeführt werden, es passieren oder es verlassen, einschließlich der von oder auf Personen beförderten Waren, einer risikobasierten Zollaufsicht.
Das ICS2 verlangt die Abgabe von einem „Mindestdatensatz elektronischer Vorabdaten“, die in einer elektronischen „Entry Summary Declaration“ (ENS) hinterlegt werden müssen. Zu den vorab übermittelten Informationen gehören Daten aller Personen, die in den Verkauf, den Transport oder den Versand der Güter involviert sind, außerdem Angaben über die Firmen, in denen die Fracht verpackt oder gelagert wurde, sowie die genutzten Verkehrsmittel. Wer das ICS2 nicht nutzt, riskiert, dass Sendungen angehalten und nicht abgefertigt werden. „Unzureichende Deklarationen“ können zurückgewiesen werden, bei fortgesetzter Nichteinhaltung drohen Sanktionen.
Das ICS 2 betrifft in einer ersten Phase Kurier- und Postdienste im Luftverkehr. Damit sollen Bedrohungen für die Luftsicherheit identifiziert werden, eine Mitteilung der Kommission nennt etwa Paketbomben. In einer zweiten Phase wird dieses Verfahren in zwei Jahren auf alle Betreiber von Luftfrachtdiensten und Spediteure ausgeweitet. In Phase 3 müssen schließlich ab dem 1. März 2024 auch Waren, die auf dem See- oder Landweg importiert werden, angemeldet werden.
Jährlich eine Milliarde Post- und Expresssendungen
Der Außenhandel und damit auch die Im- und Exporte in die, beziehungsweise aus der EU nehmen weiter zu. Erwartet werden jährlich mehr als 300 Millionen Frachten auf allen Transportwegen, hinzu kommen bis zu einer Milliarde Post- und Expresssendungen. An den über 2.000 Zollstellen an Flughäfen, Grenzübergängen, Häfen und Binnengrenzen der EU arbeiten rund 114.000 Zollbeamt:innen. Außerdem betreiben die nationalen Behörden 90 Zolllabore. Zu ihren Aufgaben gehört die Kontrolle illegaler und/oder gefährlicher Waren, darunter verbotene Rauschmittel, verdächtige Lebensmittel, Sprengstoff oder große Mengen Bargeld.
Anders als im Bereich des Außengrenzschutzes oder der polizeilichen Zusammenarbeit gibt es im Zollbereich keine zentrale EU-Agentur. Stattdessen sollen die Zollbehörden der Mitgliedstaaten, die die Kommission als „Wächter der EU-Grenzen für den Warenfluss“ bezeichnet, als Zollunion „wie eine einzige Behörde handeln“. Eine Ratsarbeitsgruppe „Zollunion“ (CUWP) berät dazu zollrechtliche Fragen, darunter die stets aktualisierte Festlegung von Zollvorschriften und Zolltarifen. Zollabgaben werden grundsätzlich dort bezahlt, wo die Waren zuerst ankommen. Die daraus erzielten Einnahmen gelten als „traditionelle Eigenmittel“ der EU und decken rund 14 Prozent des Gesamthaushalts.
Gemeinsame Operationen mit Europol und Frontex
Zur operativen Zusammenarbeit koordinieren sich die beteiligten Zollbehörden in der Ratsarbeitsgruppe „Zusammenarbeit im Zollwesen“ (CCWP). Im Bereich Justiz und Inneres arbeiten sie eng mit dem „Ständigen Ausschuss für die operative Zusammenarbeit im Bereich der inneren Sicherheit“ (COSI) und mit den Agenturen Europol und Frontex zusammen. Die Zoll- und Polizeibehörden verabreden sich in „gemeinsamen Aktionstagen“ zu gezielten Überwachungs- und Kontrollaktionen entlang bestimmter Handelsrouten oder in Bezug auf bestimmte Waren.
Für die „praktische Zusammenarbeit und Koordination“ zwischen den Zollverwaltungen hat der Rat außerdem Sachverständigenteams für verschiedene Regionen eingerichtet. Für die östlichen und südöstlichen Zollaußengrenzen ist beispielsweise die Gruppe CELBET zuständig. Ähnliche Gruppen existieren für die verantwortlichen Behörden der Landaußengrenzen sowie der großen Häfen und Flughäfen. Die Kontaktgruppe Landgrenzen (LFCG) vereint 16 Länder mit EU-Landaußengrenzen und beaufsichtigt 250 Grenzübergänge.
Mehr Überwachungstechnologie für Zollbehörden
Die Zollbehörden der EU verfügen über eigene Informationssysteme. Seit 1995 existiert beim Europäischen Amt für Betrugsbekämpfung (OLAF) ein Aktennachweissystem für Zollzwecke (ANS). Gespeichert werden natürliche und juristische Personen, die im Verdacht stehen, „Handlungen, die der Zoll- oder der Agrarregelung zuwiderlaufen“ oder „eine schwere Zuwiderhandlung gegen die einzelstaatlichen Rechtsvorschriften“ begangen zu haben. Zur Fahndung ausgeschriebene Waren oder Transportmittel sowie Personen werden im 1997 eingerichteten Zollinformationssystem (ZIS), das ebenfalls von OLAF geführt wird, gespeichert.
Grundsätzlich können die Zollbehörden auch das Schengener Informationssystem (SIS II), das Visainformationssystem und Europol-Daten abfragen. Die Zollsysteme werden außerdem an das Projekt „Interoperabilität“ angeschlossen, in dem die EU derzeit alle großen Datenbanken im Bereich Justiz und Inneres neu sortiert und teilweise zusammenlegt.
Die Zollbehörden erhalten außerdem zusätzliche finanzielle Hilfen für Kontrollausrüstung aus dem EU-Fonds für integriertes Grenzmanagement. Damit wird der Einsatz neuer „moderner Techniken“ für den Zoll, darunter Detektionstechnologien und nicht invasive Kontrollausrüstungen, gefördert. Den Plänen zufolge sollen die Zollbehörden zukünftig als Endnutzer:innen an den eigentlich auf die Strafverfolgungsbehörden ausgerichteten Sicherheitsforschungsprojekten im Rahmenprogramm Horizont 2020 teilnehmen.
Also, ich kenne mich im Import, Export u Transportbusiness nicht aus, daher mag die Frage etwas naiv sein. Dennoch:
„„Mindestdatensatz (…) Daten aller Personen, die in den Verkauf, den Transport oder den Versand der Güter involviert sind, außerdem Angaben über die Firmen, in denen die Fracht verpackt oder gelagert wurde, sowie die genutzten Verkehrsmittel.“
.
> Wie soll denn zB ein Händler im Non-EU Ausland all diese Informationen zusammen kriegen? In meinem Fall zB kleine, unabhängige Buchhändler in den USA. Die schlagen doch die Hände über dem Kopf zusammen und liefern schlicht nicht mehr in die EU – befürchte ich.
Ernsthaft, die Namen *aller* Fahrer, die ein Paket irgendwann befördern??
Nachtrag: Aus reiner Neugierde – Gibt es eigentlich umgekehrt irgendwo in der Welt etwas Vergleichbares, zB beim Versand nach Russland, China, USA, … ?
Ich vermute JEIN.
Gedachtes Beispiel: China
Ja: Die überwachen die „Schnittstelle“, also WER WOMIT rein kommt), sowie eine Liste WAS.
Nein: Wegen nicht bliebiger inländischer Freiheit, brauchen die keine Liste aller Beteiligten, sondern nur die Schnittstelle.
Vielleicht ist es sogar etwas lachser, da die sich ohnehin nicht auf geschriebenes verlassen, was Sicherheit betrifft. Allenfalls zum Abgleich und schnellen Ablehnen bei Röntgen/IR/sonstwas etc. was ja international ohnehin ziemlich standardmäßig (?) passiert.
Innerhalb Europas ist es halt recht frei, weswegen das jetzt eine Initative ist, für +- gegen… unklar. Die Eierlegende Wollmilchsau für die Strafverfolgungsbehörden vielleicht ~ so kriegt man Schummler und Barone mit einem Formular, (hust). Oder das Machbare mit den Diensten, die dann entlang der Route schnüffeln, sowie den Transport selbst auch schnüffeln, weil es ja jetzt etwas zu prüfen gibt – vielleicht eine Art Bananenorbittheorie: das Paket ist im Orbit, solange es nicht angekommen ist, so dass bis dahin alles flächig ausgeschnüffelt werden kann?
Also ich habe keine Ahnung, es klingt nach einem verrückten Zugeständnis, vielleicht an beamtische „Nöte“.