Marketing und KommunikationEuropäisches Parlament setzt vermehrt auf Influencer:innen

Das Europäische Parlament entwickelt eine Influencer-Strategie, um neue Zielgruppen über Social Media anzusprechen. Im Gegensatz zur Bundesregierung fließt dabei kein Geld. Das Parlament setzt auf Influencer:innen, die aus Überzeugung mitmachen.

Mann mit Europa-Pullover
Das Europaparlament setzt in Zukunft auf Kommunikation via Influencer:innen. (Symbolbild) – Gemeinfrei-ähnlich freigegeben durch unsplash.com Henri Lajarrige Lombard

Das Europäische Parlament hat den Influencer Riccardo Simonetti zum LGBTIQ*-Sonderbotschafter gemacht. Simonetti setzt sich seit Jahren für die Rechte queerer Menschen ein und hat sich als Moderator, Aktivist, Entertainer, Diva und eben auch erfolgreicher Instagram-Influencer einen Namen gemacht. Dass er als Influencer mit mehr als 300.000 Follower:innen zum Sonderbotschafter gemacht wurde, ist kein Zufall, sondern Teil einer neuen Kommunikationsstrategie.

Das Europäische Parlament (EP) will in Zukunft mehr auf Influencer:innen in seiner Kommunikation setzen. Ziel dieser Zusammenarbeit sei es, neue Zielgruppen zu erreichen und deren Wissen über das Europäische Parlament zu erhöhen, sagt eine Sprecherin gegenüber netzpolitik.org. Derzeit erarbeite man eine Strategie für diese Form der Kommunikation. Das EP geht davon aus, dass die anvisierten Zielgruppen weniger geneigt seien, politische oder traditionelle Nachrichten zu verfolgen.

Echtes Interesse statt Geld

Das EP bezahlt die Influencer:innen nicht für die Inhalte, die sie produzieren. Stattdessen will es „mit Content-Erstellern zusammenzuarbeiten, denen die jeweiligen Themen am Herzen liegen, was ihre Veröffentlichungen ehrlicher und realer macht“, sagt EP-Sprecherin Constanze Beckerhoff.

Dabei konzentriert sich das EP derzeit vor allem auf Instagram und YouTube, was sich aber bei neuen Trends ändern könnte. Laut der Sprecherin setzt das EP eher auf langfristige Partnerschaften mit ausgewählten Influencern wie Simonetti. Solche Partnerschaften soll es mit den motiviertesten Influencern geben, die eine längere Zusammenarbeit mit dem EP anstreben.

Das EP hält solche langfristigen Zusammenarbeiten für glaubwürdiger gegenüber den Follower:innen und sagt, dass die Influencer:innen selbst solche langfristigen Partnerschaften bevorzugen würden. Dem EP schwebt dabei vor, dass man in einer stärkeren thematischen Zusammenarbeit auch mal einen Gesetzgebungsprozess von Anfang bis Ende verfolgen könne oder zu einem bestimmten Thema dauerhaft zusammenarbeiten könne.

Kontaktpflege im Social-Media-Team

Das EP arbeitet bereits mit mehreren Influencer:innen zusammen. In Deutschland habe zum Beispiel die Influencerin Diana zur Löwen regelmäßig Inhalte zu den EU-Wahlen gepostet. Sie unterstützte die überparteiliche Informationskampagne des Europäischen Parlaments #thistimeimvoting. Als weiteres Beispiel nennt das Parlament ein Interview der niederländischen Influencerin Jeanne de Kroon mit dem Europaabgeordneten Jan Huitema zum Aktionsplan für die Kreislaufwirtschaft und speziell zu Textilabfällen.

Die Kontaktpflege zu den Influencer:innen übernimmt das Social-Media-Team des Parlamentes, erklärt EP-Sprecherin Beckerhoff. In diesem habe sich auch die Zusammenarbeit mit Simonetti entwickelt. „Riccardo Simonetti wird mit seinen Aktionen auf seinen Social Media Kanälen und anderen Medien dem Engagement des Europäischen Parlaments für die Rechte von LGBTI-Personen mehr Sichtbarkeit verleihen. Neben gemeinsamen digitalen Aktionen könnte er – in Zeiten nach der Pandemie – die Abgeordneten auch physisch in Straßburg oder Brüssel treffen“, beschreibt Beckerhoff die zukünftige Zusammenarbeit.

Bundesregierung gibt Hunderttausende für Influencer aus

Das Konzept des Europäisches Parlamentes unterscheidet sich von Strategien der Bundesregierung. Diese nimmt auch Geld in die Hand, um Influencer:innen zu bezahlen, etwa für die Bewerbung der Corona-Warn-App. Laut der Antwort auf eine kleine Anfrage (PDF) gab die Bundesregierung im Jahr 2020 fast 225.000 Euro für Influencer-Marketing alleine auf Instagram aus. Den größten Anteil, rund 114.000 Euro, investierte das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend. In der Vergangenheit bezahlten Ministerien auch Influencer:innen, damit sie zum Beispiel für Bundeswehr oder Polizei warben.

Auch Europol, die Polizeibehörde der Europäischen Union, wollte Influencer:innen für ihr Marketing nutzen. Das geht aus der Social-Media-Strategie von Europol aus dem Jahr 2019 (PDF) hervor, die netzpolitik.org per Informationsfreiheitsanfrage erhielt. Laut dieser wollte die Polizeibehörde Gelder für Influencer:innen auf Instagram ausgegeben.

6 Ergänzungen

  1. „Das Europäische Parlament entwickelt eine Influencer-Strategie, um neue Zielgruppen über Social Media anzusprechen. Im Gegensatz zur Bundesregierung fließt dabei kein Geld. Das Parlament setzt auf Influencer:innen, die aus Überzeugung mitmachen.“

    … ist das jetzt ein Fehler? Müsste das nicht heute sprachoberlehrerhaft-korrekt Influencer:innen-Strategie heißen?

    Beim Lesen stellen sich mir die Nackenhaare auf, und das geht nicht nur mir so! Ich habe jahrelang in meiner Einflusssphäre immer wieder auf Eure Artikel verwiesen, weil hier netzpolitische Kompetenz vorhanden war. Das funktioniert nicht mehr, weil der allererste darauf folgende Diskussionspunkt immer dieser Genderismus ist. Um das eigentliche – in der Regel sehr wichtige – Thema geht es danach dann nur noch sehr selten.

    Weil Ihr persistiert, diese Absurditäten von oben herab hoffähig machen zu wollen, habe ich meine jahrelangen kleinen Spenden an Netzpolitik eingestellt: wir sprechen nicht mehr dieselbe Sprache. Ihr spaltet. Und das, wo doch eine Bündelung und Zusammenhalt der Kräfte wichtig wäre – soviele sind es ja nicht.

    Nun ja, sehr schade.

    Mit traurigem Gruß
    Sam

    1. Ist dir mal in den Sinn gekommen, dass das Problem eventuell in „deiner Einflusssphäre“ liegt? Wenn Leute dort „immer diesen Genderismus“ diskutieren wollen statt die netzpolitischen Inhalte, auf die du sie eigentlich hinweisen willst, stimmt dort doch vielleicht irgendwas mit den Prioritäten nicht. Wir schreiben hier ja niemandem etwas vor, sondern schreiben auf unserem Blog eben so, wie wir es für richtig halten. Da kann man sich doch auch irgendwann mal mit abfinden.

    2. Hallo Sam,

      ich bin die Diskussion einfach nur leid. Wir haben alles in diesem Artikel gesagt: https://netzpolitik.org/2020/warum-wir-geschlechtergerechte-sprache-verwenden/

      Ich verstehe diese permanente Beschäftigung von Leuten wie Dir nicht mit dem Thema Gender und Sprache. Es überlagert bei Euch alles andere inhaltliche, nur weil jemand versucht an alle Geschlechter zu denken. Die Einschränkung findet nicht bei uns statt, sondern bei Dir, weil Dir das Thema den Kopf vernebelt, während wir einfach schreiben und dabei nicht Menschen ausschließen wollen.

      Und jetzt reden wir wieder nicht über bezahlte Influencer:innen, die für die Bundeswehr werben oder über die Social-Media-Strategie von Europol. Sondern über die immergleiche Gender-Leier, die Du setzen willst. Es ist ermüdend.

      1. Gruß Markus.

        „ich bin die Diskussion einfach nur leid. Wir haben alles in diesem Artikel gesagt: https://netzpolitik.org/2020/warum-wir-geschlechtergerechte-sprache-verwenden/

        Frage mal bei Deiner Moderation nach, wo Kommentare geblieben sind, bevor Du mich als gedanklich vernebelt bezeichnest (Hinweis: ich habe tatsächlich auf den Artikel und seine Kommentare inhaltlich Bezug genommen). So ist das einfach nur unterirdisch von Dir.

        Nebenbei: wenn Du mal meinen ersten Kommentar (, der hier im Moment tatsächlich noch steht, ) liest: es ist in meinem Interesse, dass die Themen gerade NICHT untergehen. Ihr seid aber ganz offensichtlich nur an Bubble-internem Konformismus-Feedback interessiert, und nicht daran, was möglicherweise verhindert, dass die Themen mehr Reichweite bekommen.

        Wie gesagt: schade!

        Gruß
        Sam

        1. Sam, hätte ich die Moderation gemacht, dann hätte ich den ersten Kommentar von Dir erst gar nicht durchgelassen, weil er sich dem im Text einmal vergessenen Gendern als Vehikel bedient, um dann gegen das Gendern zu wettern. Das ist gegen unsere Kommentarregeln ( https://netzpolitik.org/kommentare ), denn im Artikel geht es nicht ums Gendern, sondern um Influencer:innen und das Europäische Parlament.

          Und es ist eben auffällig, dass die Gegner geschlechtergerechter Sprache immer wieder themenfremd in die Kommentare reinholzen um ihr ewiggestriges, langweiliges, spaltendes, diskriminierendes und verbohrtes Anliegen „an den Mann“ zu bringen. Ich bin es einfach so leid, mich damit auseinander zu setzen. Eure tausendfach vorgetragenen Argumente überzeugen mich nicht und das wird sich auch nicht beim nächsten miesepetrigen Kommentar ändern, der mit dem gleichen Anliegen kommt.

          Get a life!

  2. Die EU-Strategie ist natürlich intelligenter, nachhaltiger und dazu kostenfrei oder zumindest kostensparend. Dennoch ist die bezahlte Werbekampagne für die Nutzung der Corona-App, wie von der Bundesregierung durchgeführt, keine falsche Investition.

    Vielmehr stelle ich mir die Frage, warum die Influencer nicht von sich aus auf eine Vergütung verzichtet habe – das finde ich schade.

Dieser Artikel ist älter als ein Jahr, daher sind die Ergänzungen geschlossen.