Die Pandemie hat die digitale Nachrichtennutzung und das Mediengeschäft im vergangenen Jahr geprägt: Einerseits gab es eine Trendwende im zuvor jahrelang sinkenden Vertrauen in die Medien, das nun wieder leicht anstieg. Andererseits sind neue Herausforderungen für die Branche aufgekommen, etwa Falschinformationen über die Pandemie oder wegbrechende Anzeigenkunden und Einnahmenverluste.
Das sind nur einige der Ergebnisse des 160 Seiten umfassenden Digital News Report 2021. Seit zehn Jahren veröffentlicht das Reuters Institute for Journalism jährlichen einen Bericht auf Grundlage einer weltweiten Befragung von YouGov. Für diese zehnte Ausgabe wurden im Februar 2021 Menschen aus 46 Ländern befragt. Damit decke der Bericht erstmals mehr als die Hälfte der Weltbevölkerung ab. Neu dabei sind einige Länder des globalen Südens wie Indien, Indonesien und Nigeria. Auch in diesem Jahr wurde die Forschung von Google finanziert.
Die Corona-Pandemie hat alte Trends verstärkt
Die Daten aus der Befragung in den Ländern des globalen Südens könnten sowohl den Journalist:innen vor Ort, als auch den Journalist:innen in anderen Ländern helfen, schreibt Rasmus Nielsen, der Direktor des Instituts, in seinem Vorwort. „Politische Angriffe, finanzielle Unsicherheit und eine starke Orientierung von Internetnutzenden in Richtung mobile und soziale Medien – das sind einige der Realitäten, mit denen auch die Journalist:innen in historisch eher privilegierten Teilen der Erde häufiger zu tun haben“, so Rasmus Nielsen.
Da die Methodik auf einer Online-Befragung beruht, konzentriere sich die Studie nach wie vor auf Länder, in denen viele Menschen Zugang zum Internet haben. Daher überwiegt der Anteil europäischer Länder. Die allgemeinen Trends, die der Bericht feststellt, gelten dementsprechend nicht unbedingt für alle Regionen. Dass die Corona-Pandemie weltweit einen Einfluss auf die Medienbranche hatte, spiegelt sich aber in unterschiedlichen Entwicklungen wieder:
- Vertrauen in Medien: In den Ländern, in denen die Coronakrise die Berichterstattung dominierte, vertrauten die Menschen wieder stärker in Medien. 44 Prozent der Befragten gaben an, den meisten Nachrichten zu vertrauen. Insbesondere konnten die großen, etablierten Medienmarken vom gesteigerten Vertrauen profitieren. In Deutschland wurden vor allem öffentlich-rechtliche Rundfunkangebote als vertrauenswürdige Nachrichtenquelle für Informationen über die Pandemie wahrgenommen.
- Interesse an Nachrichtenangeboten: Einerseits ist durch die Pandemie die Nachfrage an Nachrichten stark angestiegen. Gleichzeitig stellt der Bericht bei bestimmten Gruppen ein zunehmendes Desinteresse an Medien fest. Nach der Präsidentschaftswahl in den USA wendeten sich beispielsweise rechte Gruppen von Medien ab. Auch die sogenannte „Generation Z“, die unter 25-Jährigen, interessieren sich kaum für herkömmliche journalistische Angebote. Sie bevorzugen mobile Netzwerke wie Instagram und TikTok. Jedoch gehe es dabei meist um Entertainment oder den Ausdruck politischer Empörung. Nur sieben Prozent der Befragten nutzen TikTok auch für Nachrichten.
- Desinformation über WhatsApp und Facebook: Die Befragten, die auf sozialen Netzwerken unterwegs sind, gaben besonders häufig an, Desinformation – zum Beispiel über die Corona-Pandemie – begegnet zu sein. Besonders sticht dabei Facebook als Verbreitungskanal hervor. Im Globalen Süden sehen die Befragten das Problem jedoch eher bei Messenger-Diensten wie WhatsApp. Die Besorgnis um Falschnachrichten insgesamt ist angestiegen: In Brasilien ist sie mit 82 Prozent am höchsten, in Deutschland mit 37 Prozent am niedrigsten. Dennoch gab es hier Probleme mit der Verbreitung von Nachrichten, die gegen den wissenschaftlichen Konsens gehen, so der Länderbericht zu Deutschland im Abschnitt über die Querdenken-Bewegung.
- Podcasts als Lockdown-Routine: Schon im vergangenen Jahr stellte der Digital News Report die wachsende Bedeutung von Podcasts in der digitalen Medienlandschaft heraus. Mehr Zeit zuhause im Lockdown bedeutete, dass mehr Menschen das Podcast-Hören in ihren Alltag integrierten. 31 Prozent der Befragten gaben in diesem Jahr an, dass sie im vergangenen Monat Podcasts gehört haben. In Deutschland waren es mit 25 Prozent etwas weniger. Der Podcast-Markt wächst mittlerweile zwar langsamer, Tech-Plattformen haben aber stärker in den Bereich investiert. Die häufigeren Videokonferenzen im Alltag machten videobasierte Podcasts populärer. Davon profitierte besonders YouTube.
- Fehlende Repräsentation und Diversität: Die Corona-Pandemie hat laut dem Bericht auch dazu beigetragen, die Debatte um Vielfalt von Meinungen und Menschen in den Medien zu befördern. Allgemein fühlen sich junge Menschen, besonders Frauen, in den Medien unterrepräsentiert. Die Black-Lives-Matter-Bewegung löste eine Debatte über Rassismus und fehlende Diversität in Nachrichtenredaktionen aus. Dabei ging es in Deutschland auch um die Sprache, mit der marginalisierte Gruppen angesprochen werden sollten: Einige Medien begannen daraufhin, gendergerechte Sprache einzuführen. Unterrepräsentiert in den deutschen Medien fühlen sich der Befragung zufolge auch Menschen vom rechten Rand des politischen Spektrums, die den Medien eine links-grüne Dominanz vorwerfen.
- Zugang zu digitalen Nachrichten: Die Nachrichtennutzung an Laptop- und Desktop-Computern nimmt ab, da die meisten Menschen Nachrichten über ihr Smartphone konsumieren. Dabei unterscheiden sich die Zugänge je nach Altersgruppe und Region. Insgesamt verlieren Websites und Apps an Bedeutung für die Nachrichtenverbreitung, während soziale Netzwerke, mobile Benachrichtigungen und Aggregatoren beliebter werden. Diese Aggregatoren arbeiten teilweise auf Basis von Künstlicher Intelligenz und spielen dem Report zufolge besonders in asiatischen Märkten eine immer wichtigere Rolle.
- Bezahlbereitschaft und finanzielle Herausforderungen: Lockdowns machten gedruckte Zeitungen mancherorts physisch schwieriger erhältlich, wovon digitale Nachrichtenangebote profitierten. Geschäftsmodelle wie Digital-Abonnements und Mitgliedschaften konnten sich etwas besser etablieren. In Deutschland liegt die Bezahlbereitschaft für Online-Nachrichten weiterhin niedrig bei neun Prozent. Der Spiegel, die Zeit, die Bild und die Süddeutsche Zeitung konnten ihre Abonnement-Zahlen zwar erhöhen. Diese Entwicklung kann jedoch nicht auffangen, dass große Teile der Einnahmen durch Anzeigenkunden weggebrochen sind. Helfen sollen nun entweder die großen Plattformen mit Angeboten wie Google News Showcase oder Facebook News – oder aber der Staat: Das Bundeswirtschaftsministerium sollte die digitale Transformation der Zeitungen mit 220 Millionen Euro unterstützen, hat den Plan inzwischen jedoch kassiert.
Grundlegendes Umdenken gefordert
Die Corona-Pandemie hat die Entwicklung hin zu einer digitaleren, mobileren und Plattform-dominierten Medienlandschaft insgesamt weiter vorangetrieben, so der Bericht. Dies erzwinge nun ein grundlegendes Umdenken darüber, wie Journalismus im nächsten Jahrzehnt funktionieren sollte: „Als Geschäft, in Bezug auf Technologie, aber auch als Beruf.“
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