USA versus GoogleWarum das Google-Problem nicht leicht zu lösen ist

Die Kartellklage des US-Justizministeriums gegen Google erregt weltweites Aufsehen. Erfahrungen aus Europa zeigen jedoch, dass es mehr braucht als Geldstrafen, um die Dominanz großer Tech-Unternehmen einzuschränken.

Glasshole
Seine Gewinne erwirtschaftet Google zuvorderst mit Werbung. Nun nimmt das US-Justizministerium den IT-Riesen wegen unlauterer Geschäftspraktiken unter die Lupe. CC-BY 2.0 Kārlis Dambrāns

Mit der jüngst eingereichten Kartellklage des US-Justizministeriums gegen Google geht der Streit um die Geschäftsmodelle der großen Tech-Unternehmen weiter: Einst als kleines Start-up gestartet, soll der Suchmaschinenanbieter seine zwischenzeitlich enorm angewachsene Marktmacht missbraucht und damit Verbraucher:innen geschadet haben, heißt es in der Klage der US-Regierung, der sich ein knappes Dutzend Bundesstaaten angeschlossen haben.

„Viele Jahre lang hat Google wettbewerbsfeindliche Taktiken eingesetzt, um seine Monopole in den Märkten für allgemeine Internetsuche sowie Werbe- und Textanzeigen zu schützen und auszubauen – die Eckpfeiler seines Imperiums“, werfen die Juristen dem unbestrittenen Marktführer vor.

Seit den 1990er-Jahren konnte Google, wie andere Tech-Unternehmen, nach Belieben oft quersubventionierte Produkte in die Welt setzen, aufstrebende Wettbewerber beschädigen oder aufkaufen und so den Zugang zu Märkten verschließen. Diejenigen, die es auf diese Art zu Monopolisten gebracht haben, hinterließen dabei jedoch gewaltige Schäden. Erst jüngst ging ein Ausschuss im US-Kongress hart mit den Geschäftspraktiken der großen IT-Unternehmen ins Gericht.

Ähnlich in Europa, wo die EU-Kommission seit Jahren hohe Geldstrafen verteilt, unter anderem gegen Google. Doch dieses Instrument bleibt wirkungslos, weil die großen Tech-Konzerne selbst Milliardenbeträge aus der Portokasse bezahlen können. Abhilfe verschaffen sollen nun weitreichende Gesetzesänderungen wie das Gesetz für digitale Dienste und der Digital Markets Act.

„Es braucht dringend ein Wettbewerbsrecht, das den realen Verhältnissen auf den digitalen Märkten gewachsen ist“, sagt Margit Stumpp, Sprecherin für Medienpolitik der Grünen-Fraktion im Bundestag. Die Abgeordnete verweist auf die in Aussicht gestellten europäischen Ansätze, mit ersten Gesetzentwürfen wird Anfang Dezember gerechnet.

Wichtig sei die Möglichkeit einer Ex-Ante-Regulierung, also dem Eingreifen von Behörden, bevor es zu einer marktbeherrschenden Stellung kommt, sagt Stumpp, „sowie eine missbrauchsunabhängige Entflechtungsmöglichkeit als Ultima Ratio bei Märkten mit beschädigtem Wettbewerb“.

Exklusivverträge mit Hebelwirkung

Google verteidigt sich in einem Blog-Eintrag gegen die lang erwartete Klage des US-Justizministeriums. Man stelle schlicht die beste Suchmaschine zur Verfügung, die gern genutzt werde. Zudem könnten Verbraucher:innen leicht zu anderen Anbietern wechseln. Die Klage sei „schwer mangelhaft“ und würde im Erfolgsfall minderwertigere Suchalternativen künstlich aufpäppeln und zu höheren Smartphone-Preisen führen, schreibt der ranghohe Google-Manager Kent Walker.

Im Besonderen zielt die Klage auf die Vereinbarungen ab, die Google mit vielen IT-Unternehmen abgeschlossen hat. Gegen Milliardenbeträge stellen Gerätehersteller wie Apple oder Samsung, Mobilfunkbetreiber wie AT&T oder T-Mobile und Browseranbieter wie Mozilla oder Opera die Google-Suche als Standard-Internetsuche ein.

Teils handle es sich dabei um Exklusivverträge, die Wettbewerber auschließen würden. Doch in der Regel reiche eine Voreinstellung als Standardsuche, um „de-facto-Exklusivität“ zu erlangen, da die meisten Nutzer:innen nichts an der Einstellung verändern würden.

Google Marktanteile in den USA
Die gegenwärtigen Marktanteile von Google bei der Internetsuche in den USA. In Europa sieht es ähnlich aus. (Screenshot) - CC public domain United States Department of Justice

Der Marktanteil von Google bei allgemeiner Internetsuche liegt in den USA bei fast 90 Prozent, bei mobiler Suche bei knapp 95 Prozent. Dazu sollen die Exklusivverträge sowie das wettbewerbsfeindliche Verhalten beigetragen haben, heißt es in der Klage. „Google ist derart dominant, dass ‚Google‘ nicht nur ein Wort ist, um das Unternehmen und sein Suchprodukt zu bezeichnen, sondern auch ein Verb, das allgemeine Internetsuche meint.“

Diese Monopole nutze Google aus, um Werbeanzeigen zu verkaufen. Rund 40 Milliarden US-Dollar zahlen der Klage zufolge Werbekunden an Google, damit sie neben Suchergebnissen auftauchen. Genau diese Umsätze „teile“ das Unternehmen dann, um seine Vertriebspartner zu bezahlen und enger an sich zu binden. Die Praxis würde sie davon abhalten, zu einem Wettbewerber zu wechseln und schaffe zudem Barrieren für den Markteintritt anderer Suchmaschinenanbieter.

Klein und Groß profitieren

Fast eine halbe Milliarde US-Dollar jährlich soll sich Google etwa das Privileg kosten lassen, als Standardsuche im quelloffenen Mozilla-Browser zu dienen. Die Zahlungen machen einen großen Teil des Budgets der Non-Profit-Organisation aus.

In einer ersten Reaktion gibt sich die kommerzielle Tochter, die Mozilla Corporation, betont zurückhaltend: „Der Ausgang eines Kartellverfahrens sollte keinen Kollateralschaden bei genau jenen Organisationen wie Mozilla verursachen, die am besten aufgestellt sind, um Wettbewerb zu fördern und die Interessen von Verbraucher:innen im Internet zu schützen.“

Doch selbst die großen Unternehmen profitieren massiv von diesen Deals mit Google. Apple etwa soll der Klage nach „signifikant“ am Umsatz beteiligt sein, den Google mit der voreingestellten Websuche im Safari-Browser erwirtschaftet.

Zwischen acht und zwölf Milliarden US-Dollar führe Google jährlich an Apple ab, was rund 15 bis 20 Prozent des weltweiten Jahresgewinns ausmache. Google-intern soll ein denkbarer Verlust dieser privilegierten Stellung bei Apple, das in den USA über einen höheren Marktanteil als in Europa verfügt, als „Code Red“-Szenario gelten.

Datenmacht Googles wächst

Zu diesen für alle Beteiligten lukrativen Abhängigkeiten kommt die Datenmacht hinzu, mit der Google seine Konkurrenz immer weiter hinter sich lassen kann. Angebote wie Websuche und Werbung brauchen „komplexe Algorithmen, die ständig lernen, welche organischen Suchergebnisse und Anzeigen am besten zu den Suchanfragen passen“, führt die Klage aus.

Google-Suche unter Android
So verteilt Google seine Internetsuche unter Android. (Screenshot) - CC public domain United States Department of Justice

Die Menge, Vielfalt und Schnelligkeit der von Nutzer:innen bei Google hinterlassenen Daten beschleunige das automatische Lernen der Suchalgorithmen, was wiederum den Dienst attraktiver macht. Mit den Vereinbarungen würde Google seinen eigenen Datenschatz sichern und ihn gleichzeitig seinen Rivalen verwehren.

Erfahrungen aus Europa

Konkrete Ansätze, wie sich das Google-Problem lösen lässt, enthält die Klage derzeit nicht. In der Regel kommen solche Vorschläge erst im Laufe des weiteren Verfahrens, schreibt die New York Times. Denkbar ist beispielsweise eine Zerschlagung respektive Entflechtung des Konzerns oder Vorgaben, die Nutzer:innen mehr Wahlfreiheit bieten.

Erfahrungen aus Europa zeigen jedoch, dass der Schuss durchaus nach hinten losgehen kann. So hat die EU-Kommission in ihrem Verfahren gegen die Knebelverträge, die Google seinen Android-Vertriebspartnern aufgezwungen hat, unter anderem die Auflage gestellt, Auktionen zur Standardsuchmaschine durchzuführen.

In vielen Fällen erhielt jedoch Microsoft mit seinem Bing-Angebot den Zuschlag – und bescherte Google erst recht wieder zusätzlichen Umsatz. „Die Abhilfemaßnahmen der EU dienen einzig und allein dazu, die Dominanz von Google weiter zu stärken“, beschwerte sich etwa der datenschutzfreundliche Suchanbieter Duckduckgo, der bei den Auktionen weitgehend leer ausgegangen ist.

Problem nicht leicht zu lösen

Wie ein Erfolg der Klage aussehen könnte, sei nicht leicht zu sagen, schreibt Aline Blankertz, die bei der Stiftung Neue Verantwortung das Projekt „Datenökonomie“ leitet, an netzpolitik.org. „Selbst die drei großen Entscheidungen der EU-Kommission gegen Google haben bisher nur begrenzt Veränderungen auf den betroffenen Märkten herbeigeführt“, sagt Blankertz. Gleichzeitig kenne man in den USA diese Problematik aus Europa, was es unwahrscheinlich mache, dass man ähnliche Lösungsansätze nähme.

Android Knebelverträge
Mit diesen Verträgen bindet Google seine Android-Partner an sich. (Screenshot) - CC public domain United States Department of Justice

Oft diskutiert wird eine Zerschlagung des Konzerns, also die Aufteilung der unterschiedlichen Geschäftsbereiche in eigene Unternehmen. Blankertz hält dies für „unrealistisch“. Viele würden nun erwarten, dass das in die Richtung des Microsoft-Falls gehen könnte. Damals nutzte der Hersteller aus Seattle seine Marktstellung aus, um seinen hinterherhinkenden Internet-Browser möglichst rasch zu verbreiten.

Obwohl der Fall gemeinhin als Erfolg gilt, konnte er die Vormachtstellung von Microsoft in vielen Märkten, etwa dem für Bürosoftware, allerdings nicht durchbrechen. Zwar hat der Hersteller vor allem im wichtigen mobilen Bereich den Anschluss verloren, kaufte jedoch über die Jahre allerhand andere Firmen auf, Skype etwa oder GitHub – eine gängige Praxis im IT-Sektor, die inzwischen ebenfalls im Visier von Marktwächtern und der Politik gelandet ist.

„Die Rhetorik der US-Klage ist recht breit, doch inhaltlich deckt es sich recht weitgehend mit dem Android-Verfahren der Europäischen Kommission“, sagt Blankertz. Auf europäischer Seite sei man bereits weiter, da man versuche, „strukturelle Marktprobleme systematisch anzugehen, mit dem Digital Services Act sowie dem New Competition Tool und dem Digital Markets Act“. Sollte die Reform wie geplant durchkommen, dann könnte man mit den neuen Werkzeugen das Problem umgehen, lange Verfahren führen und wettbewerbsschädliches Verhalten nachweisen zu müssen.

Bemerkenswert ist die Klage der US-Regierung aber allemal, selbst wenn ein politisch motivierter Hintergrund vermutet wird. „Generell ist das US-Wettbewerbsrecht zurückhaltender beim Eingreifen in Märkte, deswegen ist es an sich schon ein großer Schritt, dass der Fall jetzt läuft“, sagt Blankertz.

7 Ergänzungen

  1. Die Behörden müssen aufpassen, dass sie das Kind nicht mit dem Bade ausschütten. Hunderttausende Unternehmen in Europa sind auf Google Ads und andere Dienste angewiesen. Wenn man Google hier entscheidend schwächt, nutzt das tatsächlich vor allem überkommenen Anbieter wie z.B. den Zeitungsverlagen, die seit langem massiv und immer erfolgreicher gegen Google und andere Lobby betreiben. Denen geht es darum, den amerikanischen Unternehmen an allen möglichen Stellen mit staatlichen Mitteln beizukommen, weil sie selbst die Entwicklung 25 Jahre lang verschlafen haben. Auch die DSGVO hat sich vor allem gegen Google, Facebook & Co. gerichtet.

    Es gibt einen guten Grund, warum es Unternehmen wie Google nicht bzw. kaum in Europa gibt: Angst und erdrückende Regulierung überall. Hier sollte die EU ansetzen. Wir brauchen MEHR Innovation in Europa, nicht noch weniger.

    1. Innovation um der Innovation willen ist nicht notwendigerweise der richtige Ansatz. Als Demokratien sollten wir stärker die gesamtgesellschaftlichen Auswirkungen berücksichtigen und negative Externalitäten nicht unter den Teppich kehren. Und ich bin mir nicht so sicher, ob es wirklich gut ist, wenn sich hunderttausende Unternehmen in Europa, darunter die meisten Online-Medien, in die Abhängigkeit von Google begeben. Wie rücksichtslos das Unternehmen mit seiner Marktmacht umgeht, zeigt ja die aktuelle Klage.

        1. Nur ist hier nicht die Rede vom betriebswirtschaftlichen Abwaegen der Unternehmen sondern von gesamtgesellschaftlichen Abwaegungen. Also der Spielregeln, nach denen sich Unternehmen dann zu orientieren haben. Unternehmen maximieren ihren Gewinn mit allen (legalen) Mitteln und explizit auch gegen gesamtgesellschaftliche Interessen.

          Man abgesehen davon, dass im heutigen Finanzkapitalismus kurzfristige Gewinne mit mittelfristiger Zerstoerung des Unternehmens ebenso akzeptiert sind wie Milliardenverluste in der Hoffnung auf zukuenftige Monopolgewinne.

          1. Betriebswirtschaftliche „Orientierung“ mit erkauftem Anteil bei der Platzierung führt allerdings auch zu „instabilen“ Ergebnissen. Mal ist ein Ergebnis da, mal ein anderes.

            Diese Suchmaschinen sind längst nicht mehr „gut“ bzgl. des Findens, sondern befördern die Konzentrierung (Antwortseiten 1-12) und Ablenkung (Werbung, Einflicken kommerzieller Ergebnisse).

            Deswegen muss die „gesamtgesellschaftlich“ relevante Antwort beinhalten, nichtkommerzielle Alternativen für sinnvolle Zwecke zu schaffen.

  2. Die Suchmaschinen sind der größte Mist, alles kaufbezogen, Herstellerseite erfordert oft Weglassen von Details, oder wird nur mit Raten von Domains gefunden.

    Es müsste spezialisierte Suchen ohne Tracking geben, auch ein Anreiz für die Behörden, mal Digitalisierung ernst, nachhaltig und glaubwürdig anzugehen.

    – Suche nach Hersteller- oder Händlerseiten, nach Adressen und Öffnungszeiten von registrierten Geschäften – ohne Gebühr und Quatsch, auch nicht für die Registrierten (DIGITALISIERUNG).
    – Suche nach Ämtern, Verordnungen, Zuständigkeiten auch z.B. im Forstbereich usw., alles. Mit Land/Bund Auswahl, und optionalem Abschalten von Pressestellen und Veröffentlichungen möglichst nach Ressort, bzw. alles.
    – Suche nach wissenschaftlichen Veröffentlichungen. Kür: Nach Artikeln, die sich auf solche beziehen.
    – Suche nach Blogs.
    – (News- / Pressesuche)
    – Suche OHNE Shops und Angebote.
    – (… alles …)

    Das wird sich nie „rechnen“, daher bitte ohne Tracking, bzw. teils Universitätsgeleitet, mit Experimentalsuchen und Algorithmentests – Vorteil: kleinere Datenmengen, mehr Erkenntnisgewinn für die Gesellschaft. Ja, es gibt hier und da etwas, aber für den Registrierungsteil sind Sachen nötig, für die das eigentlich staatlich abgesegnet sein muss.

    1. Wenn es auch für eine allgemeine Suche inakzeptabel wäre, könnte der Staat bei spezialisierten Suchmaschinen eine „ziemlich saubere“ Inhaltelandschaft schaffen und schützen. Das ist aber mit Arbeit und Forschung verbunden, könnte aber durchaus zu einem konkreten Win-win führen.

      Im derzeitigen politischen „Klima“, würde es aber wohl eher auf Verlagsprodukte hinauslaufen, als auf zukunftsfördernde Technologie.

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