Was vom Tage übrig bliebÜberwachungsmanie, Videotelefonie und Vermeidungsstrategie

Was haben Baden-Württemberg und Indien gemeinsam? Beide Regierungen möchten ihre Bürger:innen gerne mehr überwachen. Die einen wollen die Bevölkerung beschützen vor „Straftaten mit erheblicher Bedeutung“, die anderen vor dem Coronavirus. Die gruseligsten Reste des Tages.

Viel blauer Himmel mit wenigen Wolken und Baumspitzenspitzen an der unteren Bildkante.
Schön ist’s heute – jedenfalls am Himmel. In der Politik braut sich einiges zusammen. CC-BY 4.0 netzpolitik.org

Verfassungsrechtlich bedenkliche Vorschriften im Polizeigesetz-Entwurf von Baden-Württemberg (Gesellschaft für Freiheitsrechte)
Anlasslose Kontrollen bei Veranstaltungen, heimliche Überwachungsmaßnahmen und Bodycam-Einsätze in Wohnungen sollen der Polizei in Baden-Württemberg bald erlaubt sein. Das steht im Entwurf für ein neues Polizeigesetz des Landes. Die Gesellschaft für Freiheitsrechte e.V. (GFF) hat verfassungsrechtliche Bedenken und weist in ihrer Stellungnahme darauf hin, dass sie die vorgeschlagenen Maßnahmen für unverhältnismäßig hält.

Video­chat-Programme im Test: Die besten Tools für Video-Telefonie (Stiftung Warentest)
Die Stiftung Warentest hat zwölf Anwendungen für Videocalls getestet. Zum Testsieger wurde Microsoft Teams gekürt, den zweiten Platz belegt Skype. An dritter Stelle steht die Freie Software Jitsi. Dabei wird vor allem der Einsatz mit einem langsamen Anschluss gelobt, denn Jitsi komme mit schwachen Verbindungen besser zurecht als die Konkurrenten.

India’s Contact Tracing App Is All But Mandatory. So This Programmer Hacked It So That He Always Appears Safe. (Buzzfeed)
Solange ein grüner Balken mit den Worten „You Are Safe“ auf dem Display erscheint, ist alles gut. Deshalb versuchen indische Bürger:innen mit Screenshots oder modifizierter Software die Installation der nationalen Contact-Tracing-App zu umgehen. Anfang April hat die indische Regierung unter dem Namen „Aarogya Setu“ eine eigene Corona-App veröffentlicht. Eigentlich sollte die Installation freiwillig sein, wird allerdings von vielen Arbeitgebern und Städten verlangt. Laut dem indischen IT-Ministerium ist die App inzwischen auf 100 Millionen Geräten und damit rund einem Fünftel aller indischen Smartphones installiert. Aktivist:innen wollen aber ihren Standort nicht permanent überwachen lassen und suchen deshalb nach Hacks und Workarounds.

EU-funded COVID-19 app ‘listens to voices and coughs’ (Euractiv)
Ein riesiger Datensatz aus Smartphone-Aufnahmen von Stimme, Atmung und Husten soll in Kombination mit demografischen und medizinischen Daten helfen, Krankheiten wie Covid-19 automatisch zu erkennen. Dafür sammeln Forschende der Uni Cambridge Tonaufnahmen des Körpers von Freiwilligen, etwa Herzklopfen oder Seufzen. Damit wollen sie dann eine künstlicher Intelligenz trainieren, die Krankheiten automatisch erkennt. Das Projekt wird von EU-Fördergeldern unterstützt. Die Daten sollen zu Forschungszwecken auf den Servern der Universität gespeichert werden – nach eigenen Angaben anonymisiert und nach den Regeln der DSGVO.

Jeden Tag bleiben im Chat der Redaktion zahlreiche Links und Themen liegen. Doch die sind viel zu spannend, um sie nicht zu teilen. Deswegen gibt es jetzt die Rubrik „Was vom Tage übrig blieb“, in der die Redakteurinnen und Redakteure gemeinschaftlich solche Links kuratieren und sie unter der Woche um 18 Uhr samt einem aktuellen Ausblick aus unserem Büro veröffentlichen. Wir freuen uns über weitere spannende Links und kurze Beschreibungen der verlinkten Inhalte, die ihr unter dieser Sammlung ergänzen könnt.

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2 Ergänzungen

  1. Vielleicht was für die nächste Ausgabe:

    https://blog.prif.org/2020/05/14/early-warning-opportunities-and-limitations-of-automated-internet-monitoring/

    Politische Entscheidungsträger haben beträchtliche Anstrengungen und Forschungsmittel investiert, um die Rolle des Internets bei Radikalisierungsprozessen und Angriffsplanung zu verstehen. Dazu gehören Ansätze zur Identifizierung von Radikalisierung oder „schwachen Signalen“ für terroristische Absichten im Online-Verhalten. Infolgedessen sind Sicherheitsbehörden zunehmend an Ansätzen der Informatik einschließlich der künstlichen Intelligenz interessiert. Doch welche Ergebnisse haben die bisherigen Forschungsanstrengungen erbracht? Kann sich die Informatik als nützlich erweisen? Und was sind die Möglichkeiten und Grenzen von automatisierten Werkzeugen?

    (Abstract übersetzt mit Deepl)

Dieser Artikel ist älter als ein Jahr, daher sind die Ergänzungen geschlossen.