Neues aus dem Fernsehrat (63)Vorschläge für mehr Transparenz in der Geschäftsordnung

Obwohl das Fernsehratsplenum per Gesetz öffentlich tagt und es dem ZDF nicht an Videokameras mangelt, gibt es bislang keinen Livestream von Fernsehratssitzungen. Vorlagen zu öffentlichen Sitzungen bleiben größtenteils ebenfalls unter Verschluss. Jetzt wird eine Änderung dieser Bestimmungen diskutiert.

Plenum des Fernsehrats in Mainz
Plenum des Fernsehrats in Mainz – Alle Rechte vorbehalten ZDF

Seit Juli 2016 darf ich den Bereich „Internet“ im ZDF-Fernsehrat vertreten. Was liegt da näher, als im Internet mehr oder weniger regelmäßig Neues aus dem Fernsehrat zu berichten? Eine Serie.

Am 10. Juli findet nicht nur die 17. und letzte Sitzung der XV., sondern auch die erste Sitzung der XVI. Amtsperiode des Fernsehrats statt. Die personelle Kontinuität zwischen den beiden Perioden ist jedoch groß, von 60 Mitgliedern werden nur zehn neu im Fernsehrat sein. Ich selbst darf ebenfalls für weitere vier Jahre das Internet im Fernsehrat vertreten.

Die letzte Sitzung des quasi „alten“ Fernsehrats ist dennoch von besonderer Bedeutung für mich, da dort zwei Anträge von mir zur Geschäftsordnung des Fernsehrats beraten werden: Einerseits wünsche ich mir, dass die präsenzöffentlichen Plenumssitzungen zukünftig Internet-öffentlich werden, also ein Livestream für jene interessierte Öffentlichkeit angeboten wird, die es nicht nach Mainz oder zu sonstigen Tagungsorten schafft. Und zwar nicht nur dann, wenn gerade wegen einer Pandemie kein Präsenzpublikum möglich ist.

Andererseits beantrage ich, Unterlagen, die in öffentlicher Sitzung diskutiert werden, ebenfalls im Internet zu veröffentlichen. Bislang ist es so, dass nur eine kleine Minderheit von Vorlagen vorab oder im Nachgang zur Sitzung öffentlich gemacht wird. Wenn ich einzelne Teile von Vorlagen öffentlich nachvollziehbar zur Diskussion stellen wollte, musste ich entsprechende Passagen deshalb bislang immer in öffentlicher Sitzung im wörtlichen Sinne vorlesen. Erst dann konnte ich die Passagen ohne Verletzung der Vertraulichkeitsregeln vertwittern. Es ist deshalb auch kein Wunder, dass auch eine DGB-Studie zur (fehlenden) Transparenz öffentlich-rechtlicher Rundfunkaufsicht eine Veröffentlichung von Vorlagen empfiehlt.

Beide Änderungsvorschläge sind nicht unumstritten. Im Vorfeld der anstehenden Sitzung wurden und werden noch verschiedene Kompromissvorschläge diskutiert, es ist aber auch gut möglich, dass sich in beiden Punkten nichts ändert und alles beim Alten bleibt. Die häufigsten Fragen und Einwände zu beiden Anträgen möchte ich hier schon vorab transparent machen und adressieren.

Häufige Fragen zum Livestream von Fernsehratssitzungen

a) Wenn es einen Livestream gibt, wird es dann nicht viel mehr Selbstdarstellung in den Sitzungen geben?

Schon heute ist es so, dass die Fernsehrats-Plenumssitzungen vor allem dazu dienen, Ergebnisse aus Ausschussberatungen quasi-öffentlich zu machen und diesbezügliche Stellungnahmen von Fernsehratsmitgliedern zu dokumentieren. Es ist also nicht zu erwarten, dass durch einen Livestream der Anteil an substanziellen Diskussionen verringert wird. Dieser ist ohnehin verschwindend gering.

b) Interessiert so ein Livestream vom Fernsehrat überhaupt irgendjemanden?

Auch wenn die Arbeit von Rundfunkaufsichtsgremien üblicherweise nur von vergleichsweise kleinen Teilöffentlichkeiten (beispielsweise Medienjournalist:innen, Mitarbeiter:innen in öffentlich-rechtlichen Anstalten und deren Auftragnehmer:innen, politische Aktivist:innen, etc.) intensiv verfolgt wird, so lässt sich der Mehraufwand von Livestreams auch alleine mit deren legitimem Interesse rechtfertigen. Hinzu kommt, dass es regelmäßig einzelne Themen wie ausgewählte Programmbeschwerden gibt, die durchaus für einen größeren Personenkreis von Interesse sind oder waren, etwa der Fall von Böhmermanns Schmähgedicht.

c) Könnte es nicht ein Problem sein, dass manches in den Sitzungen unverständlich für breiteres Publikum ist?

Sofern es an fehlendem Zugang zu Vorlagen und Beratungsunterlagen liegt, kann das in der Tat ein Problem sein, weshalb diese bei Einführung eines Livestreams ebenfalls öffentlich zugänglich gemacht werden sollten. Abgesehen davon ist es so, dass auch im Fernsehrat selbst Mitglieder mit diversen Hintergründen und Schwerpunkten vertreten und miteinander sprechfähig sind.

d) Was ist mit Fragen des Datenschutzes in Personalfragen oder Geheimhaltungsgeboten bei bestimmten Finanzangelegenheiten?

Bei präsenzöffentlichen Sitzungen ist es auch so, dass die Öffentlichkeit bei bestimmten Tagesordnungspunkten – zum Beispiel Datenschutz in Personalangelegenheiten – ausgeschlossen werden kann. An dieser Möglichkeit würde sich durch einen Livestream nichts ändern.

Häufige Fragen zu öffentlichen Sitzungsunterlagen bei öffentlicher Sitzung

a) Besteht nicht die große Gefahr, dass die Vorlagen und Beratungsunterlagen weichgespült werden, weil sie öffentlich zugänglich sind?

Schon heute ist es so, dass Vorlagen und Beratungsunterlagen an den Fernsehrat vom ZDF in der Regel so formuliert sind, dass eine Weitergabe der Unterlagen an die Medien mit einkalkuliert ist. Alles andere wäre bei über 60 Mitgliedern auch naiv.

Sollten die Vorlagen und Beratungsunterlagen aber tatsächlich und nachvollziehbar unkonkreter und weniger aussagekräftig werden, läge es natürlich an den Mitgliedern des Fernsehrats, auf diesen Umstand hinzuweisen und aussagekräftigere Vorlagen und Beratungsunterlagen einzufordern.

b) Ist es nicht ein Problem, wenn Mitbewerber auf diese Weise Informationen über strategisch relevante Fragen und Geschäftsgeheimnisse bekommen?

Zum einen wäre es im Fall entsprechender Sorgen problemlos möglich, die Öffentlichkeit für einzelne, ausgewählte Tagesordnungspunkte auszuschließen. Zum anderen konnten bei einer Nachschau unter den vergangenen Vorlagen und Beratungsunterlagen kaum welche identifiziert werden, die einen solchen Ausschluss der Öffentlichkeit erforderlich gemacht hätten.

Schließlich ist es auch eine Folge des Privilegs der Beitragsfinanzierung öffentlich-rechtlicher Medien, dass sie in ihrer Strategiefindung höheren Transparenzansprüchen genügen müssen und sollen.

c) Droht nicht die Offenheit der Diskussion sogar zu sinken, wenn Vorlagen immer mit Blick auf deren Veröffentlichung verfasst werden?

Wenn es Räume für „offenere“ Diskussionen braucht, so waren und sind das auch in Zukunft in erster Linie die Ausschussberatungen. Umgekehrt ist es auch ein wesentlicher Indikator für Offenheit einer Diskussion, wer überhaupt daran teilnehmen kann. Mit einer Veröffentlichung von Vorlagen würde der Kreis potenzieller Gesprächsteilnehmer:innen jedenfalls erweitert.

d) Ist es dem Fernsehrat überhaupt rechtlich erlaubt, die Veröffentlichung von Vorlagen in seiner Geschäftsordnung vorzuschreiben?

Während das Justiziariat des ZDF die Meinung vertritt, dass eine entsprechende Änderung der Geschäftsordnung dem geltenden Rundfunkrecht widersprechen würde, erläutert der Medienrechtsexperte Stephan Dreyer vom Hans-Bredow-Institut sehr gut nachvollziehbar, warum das durchaus rechtlich möglich ist. Auszug daraus:

Letztlich betrifft diese Frage auch die um die Reichweite des Selbstverwaltungsrechts nach § 1 Abs. 3 ZDF-StV. Wenn sich der Fernsehrat hier grundsätzlich der Rechtsmeinung des ZDF-Justitiars anschließen sollte, bliebe in der Folge kaum noch Spielraum für Selbstverwaltung. Insofern geht es in dieser Diskussion nicht nur um Transparenz, sondern um die Eigenständigkeit und Staatsferne der Rundfunkaufsicht ganz allgemein.

Fazit

Beide Anträge sind auch ein Ergebnis meiner ersten vier Jahre als Fernsehrat. Im allerersten Beitrag dieser Reihe hatte ich bereits jene Schwierigkeiten thematisiert, die mit übermäßigen Geheimhaltungsregeln für eine effektive Wahrnehmung meiner Aufsichtstätigkeit verbunden sind. In den vergangenen vier Jahren hat sich immer wieder gezeigt, dass übertriebene Vertraulichkeit eher jenen in die Hände spielt, die Mythen eines vermeintlichen „Staatsfunks“ befeuern und übermäßigen Einfluss von Parteipolitiker:innen beklagen.

Livestreams und Veröffentlichung von Vorlagen ohnehin öffentlicher Sitzungen wären diesbezüglich nicht nur ein wirksames Gegengift, sie würden auch eine zeitgemäße und produktive Debatte mit der – ohnehin überschaubaren – interessierten Öffentlichkeit erleichtern. Let’s do this!

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