Nach einer Welle an Protest hat Microsoft Änderungen der Analyse-Tools von Office 365 angekündigt. Im Zuge einer sogenannten Produktivitätsbewertung konnten Manager:innen seit Anfang November ablesen, in welchem Ausmaß einzelne Angestellte Microsoft-Dienste wie E-Mail, Chat oder Teams nutzen. Künftig sollen keine Daten mehr zu individuellen Nutzer:innen ausgelesen werden können. Die geänderten Funktionen betreffen allerdings nur einen Teil der von Datenschützer:innen kritisierten Palette der Überwachungswerkzeuge.
Am vergangenen Dienstag hatte ein Twitter-Thread des österreichischen Forschers und Datenschützers Wolfie Christl eine Lawine an Kritik losgetreten. Er hatte auf ein Promotions-Video von Microsoft 365 aufmerksam gemacht, das eine Reihe neuer Analysefunktionen vorstellte. Christl kritisierte diese als „esoterische Metriken, die auf der Analyse umfangreicher Daten der Mitarbeiter:innenaktivitäten basieren“.
Die Veröffentlichung der neuen Funktionen folgte auf einige der erfolgreichsten Monate in der Geschichte des Technologiekonzerns. Seit im März auf der ganzen Welt Menschen ins Home-Office geschickt wurden, stieg die Popularität von Microsoft Teams, Teil von Office 365, um 53 Prozent auf 115 Millionen tägliche Nutzer:innen. (In Deutschland kam das Softwarepaket auch im Schulbetrieb zum Einsatz – und verzeichnete dabei erhebliche Datenschutzverstöße.) Die neuen Funktionen kamen also genau zum richtigen Zeitpunkt, um die Überwachung des Verhaltens Angestellter auch im Eigenheim zu ermöglichen.
Digitale Transformation steht im Vordergrund
In einem Statement vom 1. Dezember beteuerte Jared Spataro, Vize-Präsident von Microsoft 365, die Firma hätte die Kritik gehört: „Wir bei Microsoft glauben, dass datengestützte Einblicke ausschlaggebend dafür sind, Menschen und Organisationen zu befähigen, mehr zu erreichen. Außerdem glauben wir fest daran, dass Privatsphäre ein Menschenrecht ist, und haben uns deshalb dem Schutz der Privatsphäre jeder Person verpflichtet, die unsere Produkte verwendet.“
Als Konsequenz soll die Möglichkeit entfernt werden, Statistiken über einzelne Nutzer:innen einzusehen. Überwacht und gespeichert werden dürfte das Verhalten wohl weiterhin, kann dann jedoch nur noch in aggregierten Ansichten zu größeren Personengruppen eingesehen werden. Des Weiteren sollen Textänderungen deutlicher machen, dass sich die Produktivitätsbewertung auf die gesamte Organisation bezieht und nicht auf das Arbeitsverhalten Einzelner.
Auf die Frage von netzpolitik.org, wann die angekündigten Änderungen umgesetzt werden sollen, konnte Microsoft in einer Stellungnahme noch keine Antwort geben. In jedem Fall sei die Funktionalität rechtlich in Ordnung: „Der Einsatz von M365 ist DSGVO-konform möglich. Die Bewertung muss durch die verantwortliche Stelle erfolgen“, heißt es.
Die Spitze des Eisbergs
Christl sieht in der zurückgezogenen Funktionalität aber „nur die Spitze des Eisbergs“. In der Tat macht die individuelle Auswertung nur einen kleinen Teil der Analysemöglichkeiten aus. Was tatsächlich hinter der ganzen Bandbreite an Statistiken steckt, zeigt ein als Interview verpacktes Promotionsvideo mit einer Produktmanagerin von Nestlé, die erzählt, wie der Produktivitätsscore sie und ihre Firma auf ihrer „Reise zur digitalen Transformation“ begleitet hat. Demnach soll Manager:innen gezeigt werden, wie gut die einzelnen Programme des Office-365-Pakets wirklich angenommen und entsprechende Änderungsmöglichkeiten aktiv vorgeschlagen werden. Gestützt wird die Argumentation durch Studien aus dem eigenen Hause.
Wie Christl anmerkt, werden hier also mehr oder minder arbiträre Daten wie die Nutzung von Chatfunktionen herbeigezogen, um die Qualität von Arbeitsergebnissen zu bewerten – die Akzeptanz technischer Mittel wird mit Erfolg gleichgesetzt. Die Erkenntnisse sind umso beunruhigender, zieht man ein Patent von Microsoft aus dem vergangenen Jahr hinzu. Die darin beschriebene Methode zielt auf die „Veränderung von Verhalten“: Nutzer:innen mit „Kollaborationsproblemen“ sollen dazu identifiziert werden und „Verhaltens-Management-Programme“ durchlaufen.
Selbstverständlich macht ein Patent allein noch kein Produkt, aber in Kombination mit einem weiteren kürzlich veröffentlichten Patent klingt die Vision geradezu dystopisch. Darin wird beschrieben, wie die Qualität von Meetings mithilfe einer ganzen Bandbreite an Technologien gesichert werden soll – von der Temperaturmessung bis zur Gesichts- und Stimmungserkennung via Kamera ist dabei alles abgedeckt. Auf die Frage von netzpolitik.org, ob das Patent in Verbindung mit konkreten Produktentwicklungen steht, antwortete eine Pressesprecherin, ihr lägen keine Informationen dazu vor.
„Einzelne Arbeitnehmer:innen sollen Manager:innen mit der Software von Microsoft fortan nicht mehr unter die Lupe nehmen können. “
Andersrum wird ein Schuh draus. ;-)
Das stimmt so – lies es mit anderer Betonung und einer Pause.
Ich habe auch dreimal drüberlesen und das :innen weglassen müssen, bis ich dahinter gestiegen bin.
Ich lese auch jedes Mal was anderes. Es ist fast wie ein Kippbild: ganz witzig, aber in der Regel keine gute Eigenschaft für journalistische Texte. Hab die Satzstellung jetzt unmissverständlich geändert :)
Jetzt ist es aber noch missverständlicher.
Der Satz suggeriert in dem Zusammenbau das nur Einzelne – also ausgesuchte – nicht überwacht werden sollen…
Umbauvorschlag:
Bald sollen Manager:innen nicht mehr gezielt einzelne Arbeitnehmer:innen, mit der Software von Microsoft, unter die Lupe nehmen können.
Pause drin, Betonung drin ;)
Ich arbeite in Deutschland für eine Taiwanesische Firma. Ich bin u.a. Administrator. In unserem Office 365 funktionieren alle Überwachungsfunktionen weiterhin ohne Einschränkungen.