Deutschland drohe, zum „Schlaraffenland für Hacker“ zu werden, warnen mehrere Interessengruppen in einem offenen Brief an Justizministerin Christine Lambrecht (SPD).
Einige der Unterzeichenden stehen selbst der Hackerszene nahe, darunter die Digitale Gesellschaft oder der deutsche Ableger der Internet Society (ISOC). Freilich geht es ihnen aber nicht um die wohlmeinende Bedeutung des Wortes „Hacker“, sondern um die durchaus ernste Bedrohung, die aus einer verpflichtenden Herausgabe von Nutzer-Passwörtern erwachsen würde. Hierbei handelt es sich nur um einen von mehreren problematischen Vorschlägen, die aus Sicht des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz (BMJV) die Hasskriminalität im Internet eindämmen sollen.
Mit gleich zwei Gesetzesänderungen will die Bundesregierung am Netzwerkdurchsetzungsgesetz (NetzDG) schrauben. Im Dezember hatte das BMJV einen ersten Entwurf des Gesetzes zur Bekämpfung des Rechtsextremismus und der Hasskriminalität vorgestellt. Im Januar folgte der Entwurf für das Gesetz zur Änderung des Netzwerkdurchsetzungsgesetzes, der Schwachstellen des seit 2017 geltenden Originals ausbessern soll.
„Gefahr für die bürgerlichen Freiheiten“
Doch die zur Diskussion gestellten Abänderungen verfehlen weitgehend ihr Ziel, mahnen die netzpolitischen Gruppen in ihrem gestern veröffentlichten Brief. Sie fordern Bundesministerin Lambrecht dringend dazu auf, „die vorgelegten Entwürfe einer gründlichen Überarbeitung zu unterziehen“. Die Novellen, so der Brief weiter, „sollen zwar erklärtermaßen dem Schutz der Meinungsfreiheit dienen, schaffen jedoch selbst eine enorme Gefahr für die bürgerlichen Freiheiten“.
Zu den Unterzeichner:innen gehören neben Wirtschaftsverbänden wie dem Verband der Internetwirtschaft eco auch die digitalpolitischen Vereine cnetz, D64, und LOAD, die zwar nicht parteipolitisch gebunden sind, ideell und personell jedoch den Parteien CDU, SPD und FDP nahe stehen. Aus der Zivilgesellschaft sind unter anderem Wikimedia Deutschland und das Forum InformatikerInnen für Frieden und gesellschaftliche Verantwortung (FIfF) mit an Bord.
Die Unterzeichner:innen halten in Hinblick auf beide Gesetzesvorhaben fest, dass diese zwar „eine zunehmende Verrohung der Kommunikation“ annehmen, dies jedoch nicht empirisch untermauern könnten. Allen Änderungen am NetzDG sollte eine „fachliche und gesellschaftliche Debatte“ zu seiner Wirksamkeit vorausgehen, im Idealfall auf Grundlage wissenschaftlicher Studien. Eine in Aussicht gestellte Evaluierung steht bis heute aus.
Polizeiliches Zentralregister als Folge
Die Entwürfe enthalten eine Reihe brandgefährlicher Vorschläge. So will das BMJV Online-Dienste dazu verpflichten, auf Verlangen von Ermittlern Passwörter von Verdächtigten herauszugeben. Dies würde den IT-Standort Deutschland zu einem „Schlaraffenland für Hacker“ machen, warnen die Verbände. Die Speicherung von Passwörtern in möglicherweise unverschlüsselter statt gehashter Form stehe datenschutzrechtlichen Vorgaben „diametral entgegen“.
Ebenfalls vorgesehen ist eine Übermittlung von IP-Adressen und Portnummern an das Bundeskriminalamt, sollte ein Anbieter einen möglicherweise rechtswidrigen Inhalt entdeckt und gesperrt haben. Zudem wolle das BMJV Opfer wie Täter von Online-Hetze zu Analysezwecken in Gruppen einteilen – was auf eine Datenbank hinauslaufen würde, in der mittelbar dann auch „Juden“, Homosexuelle“ oder „Transpersonen“ verzeichnet sind.
Als Folge erwarten die Unterzeichner:innen ein polizeiliches Zentralregister, in dem „jährlich die persönlichen Daten von hunderttausenden Bürgerinnen und Bürgern oftmals zu Unrecht“ gespeichert würden. Eine derartige Verdachtsdatenbank würde einen Dammbruch in bisher nicht gekanntem Ausmaß darstellen, der dazu geeignet sei, die „Grundsätze unseres Rechtsstaats und unserer liberalen Demokratie zu erodieren“. Nicht nur aufgrund der Lehren der deutschen Geschichte sollte dies eine rote Linie sein, heißt es in dem Brief, sondern auch in Anbetracht der aktuellen Berichterstattung über den Missbrauch von polizeilichen Datenbanken durch Beschäftigte.
Effektive Unterstützung ohne „Hilfssheriffs“
Zwar führe insbesondere das Gesetz zur Änderung des NetzDGs auch einige Verbesserungen wie ein Widerspruchsrecht für Nutzer:innen ein. Trotzdem werde die grundlegende Problematik privater Rechtsprechung durch die Entwürfe an anderer Stelle zusätzlich verschärft.
Statt Rechtsprechung zunehmend an Unternehmen aus Drittstaaten abzugeben, sollten vielmehr bestehende zivilgesellschaftliche Initiativen in ihrer Arbeit gegen gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit unterstützt und Schwerpunktstaatsanwaltschaften aufgebaut werden. „Beispiele wie das ZAC in NRW [Zentral- und Ansprechstelle Cybercrime, Red.] oder das Cybercrime Kompetenzzentrum in Hessen zeigen, dass der Staat auch ohne private ‚Hilfssheriffs‘ gute Arbeit leisten kann.“
Papst, Mekka, Schlaraffenland…
erinnert mich an die große Tölpelschlacht vor Hinterbingen beim Pupswald, eine der wenigen epischen Schlachten des 11. Jahrhunderts. Der Volkslauthenistenverband bot ein mittelgroßes Heer auf, das mittels eines Inkassobüros verding-bums werden konnte, während die drei windigen Huselforzbinger Gasthausbesitzer wieder nur den komischen Fukker mit der Motorsäge, selbstredend gegen ein horrendes Formular, für sich antreten ließen.
Kann man sich gar nicht ausdenken, wie das nun weitergegangen sein soll…