Weigerung aus LondonBritische Mängel im Schengener Informationssystem bleiben bestehen

Die britische Regierung muss eine lange Mängelliste zur Beteiligung an Europas größter Fahndungsdatenbank abarbeiten. Die meisten Versäumnisse sind als schwerwiegend eingestuft und sollen „unverzüglich“ behoben werden, aber das britische Innenministerium bleibt stur. Eigentlich droht jetzt das Abkoppeln.

Britische Grenze mit Passkontrolle
Reisende können bei der Grenzkontrolle nicht mehr auf den Bildschirm von BeamtInnen spähen. Weitaus gravierende Mängel bei der britischen Umsetzung des SIS II bleiben jedoch bestehen. CC-BY-NC-SA 2.0 Parto Domani

Die britische Regierung will mehrere Fehler bei der nationalen Umsetzung des Schengener Informationssystems (SIS) nicht reparieren. Die EU-Kommission hatte die Beseitigung von 34 Mängeln gefordert, laut einem nun veröffentlichten Vermerk aus Brüssel kommt Großbritannien aber lediglich sechs dieser Punkte nach. Zu den weiterhin bestehenden Versäumnissen gehören etwa das Anlegen von Kopien des SIS oder die mangelnde Mithilfe bei Fahndungen aus den assoziierten Schengen-Ländern. Umgesetzt wurden hingegen Maßnahmen wie die leichtere Bedienung des SIS oder das Anbringen einer Blende, damit der Bildschirminhalt bei einer Grenzkontrolle nicht eingesehen werden kann.

Das SIS II ist die größte europäische Datenbank, die von Polizeien und Geheimdiensten sowie weiteren Behörden genutzt wird. Alle 28 Mitgliedstaaten der Europäischen Union nehmen daran teil, außerdem Island, Norwegen, Liechtenstein und die Schweiz. Personen und Sachen können zur Festnahme, zur Einreiseverweigerung oder zur heimlichen Beobachtung ausgeschrieben werden. Derzeit enthält das SIS rund 90 Millionen Einträge, das System verzeichnet rund 220 Abfragen pro Sekunde.

25 schwerwiegende Mängel

Nach einer mehrjährigen Prüfung und der Übersendung der Mängelliste im Februar hatten die übrigen EU-Mitgliedstaaten in einem Durchführungsbeschluss einen Aktionsplan von Großbritannien verlangt. Darin sollte die Regierung darlegen, wie und in welchem Zeitraum die Empfehlungen der Kommission umgesetzt werden. Der besondere Fokus lag dabei auf den ersten 25 Mängeln auf der Liste, die als schwerwiegend eingestuft sind und deshalb „unverzüglich“ behoben werden sollen.

Die Regierung in London hat zwar fristgemäß geantwortet, der vorgelegte Aktionsplan wird von der Kommission aber „allgemein als nicht angemessen beurteilt“. Großbritannien will drei der ausstehenden Empfehlungen gar nicht, bis zu vier nur teilweise und lediglich zwei vollständig umsetzen. Zu vielen weiteren Maßnahmen verlangt die Regierung lange Umsetzungsfristen. Weil Großbritannien nach drei Verlängerungen am 31. Januar 2020 aus der Europäischen Union austrat, würden diese Mängel de facto ebenfalls gar nicht behoben.

Viele Verzögerungen ergeben sich durch einen mehrjährigen Umbau der britischen Informationssysteme im polizeilichen und grenzpolizeilichen Bereich. Aus diesem Grund ist es derzeit nicht möglich, die verschiedenen nationalen Kopien des SIS miteinander zu synchronisieren. Einige BeamtInnen erhalten deshalb bei einer Kontrolle der betreffenden Person keinen Hinweis, ob diese beispielsweise festgenommen werden soll. Andersherum kann es auch vorkommen, dass eine Maßnahme ergriffen wird, obwohl der ausschreibende Mitgliedstaat eine Fahndung bereits gelöscht hat. Zu den schweren Mängeln gehört auch die Spiegelung des SIS durch private IT-Dienstleister.

Verhandlungen über „Sicherheitspartnerschaft“

Bis zum 5. Juni muss die britische Regierung den 27 weiteren EU-Mitgliedstaaten die angemahnten Informationen zu den offenen Mängeln vorlegen. Der Kommission obliegt weiterhin deren Bewertung, der Rat kann anschließend Konsequenzen verhängen. Besteht Großbritannien auf der missbräuchlichen Nutzung des SIS, könnten die EU27 sogar das Abklemmen von der Fahndungsdatenbank beschließen.

Dass es dazu kommt, ist unwahrscheinlich. Allerdings könnte die EU die Weigerung aus London als Druckmittel bei den derzeitigen Verhandlungen über eine „Sicherheitspartnerschaft“ berücksichtigen. Die britische Regierung will weiterhin am polizeilichen Informationsaustausch mit den Mitgliedstaaten und Agenturen der Europäischen Union partizipieren.

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